Das social Distel-Ding - Trinken und Amazon

ID 101270
 
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Teil 7 der social distancing Kolumne.
Audio
03:37 min, 8497 kB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 02.04.2020 / 19:59

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Arbeitswelt, Kultur
Serie: Das social Distel-Ding
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 02.04.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Aufatmen. Das scheint gerade das Gefühl der Stunde zu sein. All die social Distel-Dinger beschäftigen sich mit dem Ausblick in der nächsten Zeit. Wer möchte Ernte-Helfer*in werden? Bei wem sind schon alles die staatlich Hilfen eingetroffen? Schon die neusten Konzert-Übertragungen online gesehen oder einen virtuellen Museums-Spaziergang gemacht?
Wir gewöhnen uns an die Situation und einige haben auch schon eine neue Einteilung des Tages gefunden. Social Distel-Dinger bleiben zwar so gut wie immer am gleichen Ort, aber anhand der Getränke lässt sich der Alltag einteilen: Es gibt Kaffee- und Alkohol-Stunden. Bei manchen ist dieser Übergang dank Irish-Coffee schon fließend, aber wie die Angelsachsen so schön sagen: Whatever rocks your boat!
Die Zeit der direkten Panik ist vorbei, wir warten ab, was da denn kommen wird. Und irgendwie wird sich das alles schon zum Guten wenden. Nicht zuletzt weil wir jetzt die Zeit haben auszumisten, umzudekorieren und unsere Wohnräume auf den neusten Stand zu bringen. Ein alltäglicher Begleiter dabei ist Amazon geworden. Der Megakonzern, der sich trotz aller Negativ-Schlagzeilen über Steuervermeidungsstrategien und die Behandlung seiner Arbeitnehmerschaft immer noch als das freundliche Lächeln der globalisierten und individualisierten Konsum-Wirtschaft darstellt, ist der vielleicht größte Krisengewinner. Während die Einzelhändler, die schon von der Ausgangsbeschränkung unter dem Druck des Online-Handels ächzten, jetzt ihre Läden geschlossen halten und als Trostpflaster aktuell keine Mietzahlungen tätigen müssen, brummt das Geschäft von Amazon. Nicht nur der Versandhandel und die Händlerplattform, auch die Online-Unterhaltung über Video und Musik sowie die Cloud-Dienste laufen prächtig. Dank Corona scheint der Amazon-Boss und reichste Mann der Welt, Jeff Bezos, immer mächtiger zu werden. Fassen wir zusammen, woraus seine Macht besteht:
Er ist Arbeitgeber von ca. 800.000 Menschen, er ist der reichste Mensch der Welt, er verwaltet die Daten die über die Amazon-Produkte, von der Website bis zu den großen Lauschangriff-Geräten Echo die uns mit unserer eigenen digitalen Butlerin Alexa das Leben vereinfachen sollen, besitzt eine Produktionsfirma für Filme und Serien inklusive eigener Plattform für deren Verbreitung und bekommt auch dort mitgeteilt, was uns interessiert, vertreibt E-books und die Geräte auf denen sie gelesen und gekauft werden, übernimmt unseren Zahlungsverkehr mit Amazon Pay, hat eine große amerikanische Zeitung in der Hinterhand und…
Tja, trotz aller gefühlten Selbstermächtigung über das One-Klick-Buy-Now System und schneller Lieferung, fühlt sich dieses social Distel-Ding nach dieser Aufzählung ziemlich schwach und ausgeliefert. Vor allem wenn es daran denkt, dass Amazon die neu erworbenen Marktanteile nach der Krise sicherlich nicht kampflos wieder hergeben möchte.
Um nicht machtlos gegen diesen Megakonzern zu sein, sollten wir diesen Kampf eingehen. Ein Vorschlag: Wieso nicht die Mehrwertsteuer im direkten Handel senken und online beim Alten belassen? Das wäre natürlich nur ein erster Schritt, der nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass die konsequente Besteuerung von Gewinnen auch für mächtige Konzerne gelten muss. Es kann nicht sein, dass der Einzelhandel stirbt und Menschen, die davor von ihrem eigenen kleinen Laden leben konnten, in Zukunft zu einem Mindestlohn als Aufstocker bei Amazon arbeiten müssen. Davon profitiert nur der Börsenkurs von Amazon und damit Jeff Bezos. Die Gesellschaft dagegen leidet. Also Prost, auf den Getränkehändler und den Buchhandel an der Ecke. Ein guter Wein und ein gutes Buch brauchen zwar etwas mehr Zeit, aber die haben wir ja. Da müssen wir nicht gleich wieder was Neues kaufen.