Barrierfrei Posten - Interview mit Anna-Lena Stein

ID 108817
 
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Das Internet ist für alle da? Weit gefehlt – viele Menschen können Inhalte im Netz nicht lesen, nicht hören, nicht sehen oder nicht verarbeiten und wahrscheinlich habe ich bei dieser Aufzählung sogar noch etwas vergessen!
Deshalb ist es wichtig, dass diejenigen, die im Netz Inhalte verbreiten ihre Texte und Postings so gestalten, dass sie möglichst viele Personen erreichen.
Eine Expertin für so genanntes barrierefreies posten ist Anna Lena Stein. Mit ihr sprach Mrs. Pepstein.
Audio
10:41 min, 162 MB, wav
pcm_s24le ([1][0][0], 2116 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 04.05.2021 / 17:33

Dateizugriffe: 1352

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Barrierefrei, Umwelt, Arbeitswelt, SeniorInnen
Entstehung

AutorInnen: Mrs Pepstein
Radio: RadioBlau, Leipzig im www
Produktionsdatum: 04.05.2021
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Interview – Barrierefreiheit im Internet mit Anna Lena Stein


KR: Das Internet ist für alle da? Weit gefehlt – viele Menschen können Inhalte im Netz nicht lesen, nicht hören, nicht sehen oder nicht verarbeiten und wahrscheinlich habe ich bei dieser Aufzählung sogar noch etwas vergessen!
Deshalb ist es wichtig, dass diejenigen, die im Netz Inhalte verbreiten ihre Texte und Postings so gestalten, dass sie möglichst viele Personen erreichen.
Eine Expertin für so genanntes barrierefreies posten ist Anna Lena Stein und sie ist jetzt hier mit mir im Chat.
Hallo Anna Lena, kannst du dich bitte erstmal kurz vorstellen?

AS: Hallo, genau, ich bin Anna Lena Stein und ich arbeite für „barrierefrei posten“ und wir sind ein Team aus Expert*innen die sich privat und beruflich mit Barrierefreiheit auseinandersetzten.

KR: Was bedeutet den eigentlich barrierefrei posten?

AS: Barrierefrei posten bedeutet ganz grob gesagt, dass eben Inhalte im Internet möglichst barrierefrei gestaltet und aufbereitet werden.

KR: Warum ist es denn wichtig?

AS: Wichtig ist es natürlich, weil wir Teilhabe möchten für alle Menschen, gleichberechtigte Teilhabe und Zugänglichkeit im Internet und weil das eben bis her noch nicht gegeben ist.

KR: Vielleicht wäre es schön, wenn wir das jetzt einfach mal konkret machen können, wie man barrierefrei postet. Die ganze Bandbreite ist sehr groß und man kann es auch auf eurer Webseite wirklich nochmal genauer nachlesen, aber wenn du jetzt sagen würdest so für eine Anfängerin, was kann man von heute auf morgen da beachten?

AS: Genau, also zum Beispiel kann man Alternativtexte für Bilder erstellen. Das heißt das auch Blinde bzw. Personen mit Sehbeeinträchtigung eben Bilder quasi ausgelesen bekommen und das funktioniert dann auf den verschiedenen Apps unterschiedlich, das sieht man eben auch auf der Webseite die genauen Erklärungen. Aber das ist schon mal ein Tipp, der relativ einfach umzusetzen ist und dabei ziemlich viel hilft.

KR: Wenn du jetzt ein Bild von mir wie ich gerade hier mit dir das Interview mache im Internet beschreiben müsstest, was würdest du dann sagen?

AS: Wichtig ist immer, dass es relativ kurz und bündig ist. Aber es kann eben ein individueller Schwerpunkt gesetzt werden. Und ich glaub ich würde jetzt einfach sagen, Katja Röckel sitzt bei der Aufnahme in ihrem Zimmer. Zum Beispiel. Das ist aber dann je nachdem, wo eben der Schwerpunkt liegen soll, also wenn es jetzt um dein Outfit geht, würde ich natürlich dein Outfit noch genauer beschreiben, zum Beispiel die Farben und Ähnliches.

AS: Dein Hintergrund ist komplett leer oder weiß, hat das auch eine bestimmte Bewandtnis? Weil ich könnte mir auch vorstellen, dass wenn ihr jetzt beruflich oder Engagement mäßig immer mit Barrierefreiheit zu tun habt, dass ihr dann sagt ok unser Hintergrund, wenn wir im Video zu sehen sind, sollte möglichst so sein das es nicht zu dolle ablenkt. Das war jetzt so meine Idee, ob man deswegen bei dir wirklich nur eine weiße Wand im Hintergrund sieht.

KR: Das ist vor allem, also jetzt in unserem Fall nicht direkt weil es hauptsächlich um den Ton geht, aber zum Beispiel bei Gebärdensprachvideos ist es relativ wichtig, dass eben die Kontraste hoch sind und das die Person gut gesehen wird und auch in einem guten Ausschnitt gesehen wird, dass eben alle Gebärden wahr genommen werden können.
Und du hast jetzt schon den einen Tipp genannt, den Alternativtext auf Instagram, hast du noch einen anderen Tipp?

AS: Ein weiterer Tipp wäre zum Beispiel die Hashtags barrierefrei zu gestalten. Dass bedeutet das eben alle Wörter in einem Hashtag mit einem Großbuchstaben angefangen werden. Und auch alle Abkürzungen immer mit Großbuchstaben geschrieben werden. Der Hintergrund ist, dass blinde Personen die einen Screenreader benutzen, dass der Screenreader das nicht richtig auslesen kann, wenn alle Buchstaben klein sind. Und zum Beispiel verwenden wir gerne das Beispiel, „nur der HSV“ und wenn das der Screenreader ausliest, wird es sowas wie „Nur der hesve“ und wenn eben die Großbuchstaben am Anfang bzw. die Buchstaben am Anfang groß geschrieben werden, dann kann es eben korrekt ausgelesen werden.

KR: Gibt es noch etwas was man im Punkto Sprache beachten kann?

AS: Genau bei Sprache kann man sagen, dass es meistens sehr hilfreich ist einfache Wörter zu verwenden oder schwierige Wörter zu erklären. Weil es eben auch eine relativ große Zielgruppe gibt die nicht so gut lesen können bzw. die Schwierigkeiten haben komplexe Inhalte zu verstehen. Und da hilft es zum Beispiel eben einfache Wörter, aber gleichzeitig zum Beispiel auch kurze Sätze und in einem zugewandten Ton zu sprechen ist auch immer sehr hilfreich.

KR: Es mag ja Leute geben, die sagen ich habe keine blinden Follower*innen oder ich habe keine Zeit für diesen zusätzlichen Aufwand. Was würdest du denen entgegnen?

AS: Ich würde sagen, dass unser Fokus darauf liegt das wir sagen es kommt auf die Haltung drauf an und wir wollen Teilhabe und Zugänglichkeit, egal wie viele Personen uns gerade folgen. Und natürlich liegt es auch oftmals daran, dass wenn noch keine barrierefreien Inhalte da sind, dass natürlich auch die Follower noch fehlen. Und das sich das erst meistens mit der Zeit einstellt.

KR: Dass heißt also, wenn ich das jetzt kontinuierlich mache, realisieren ja auch andere das irgendwas anderes passiert und interessieren sich vielleicht auch für das Thema barrierefreies posten?

AS: Auf jeden Fall! Genau, das verstärkt auf jeden Fall die Reichweite und es ist so es entwickelt sich mit der Zeit dann.

KR: Wie gehe ich da jetzt konkret vor? Ich kann mir vorstellen das viele Menschen Angst haben irgendwas falsch zu machen.

AS: Ich würde sagen einfach anfangen, versuchen das Beste zu geben und je nachdem, ob man als Privatperson handelt oder als Institution kann man das natürlich auch gegenüber den Followern einfach erklären und sagen das man sich auf dem Weg macht barrierefrei zu werden. Man kann auch immer die Follower mit einbeziehen und fragen was wichtig wäre.

KR: Kannst du denn noch was zum Diskurs gendersensible Sprache im Zusammenhang mit barrierefreiem Posten sagen?

AS: Also gendergerechte Sprache bezieht sich ja meistens auf das sprachliche, bei leichter Sprache zum Beispiel oder insgesamt bei verständlicher Sprache liegt eben der Fokus auf Verständlichkeit. Und das Thema gendergerechte Sprache ist noch nicht in allen Bereichen angekommen. Und das verkompliziert die Sätze auch, wenn man nicht vertraut ist mit dem Ganzen Subjekt und mit dem was es alles betrifft. Deshalb sagt man zum Beispiel bei leichter Sprache, dass da eben eventuell am Anfang kurz erklärt wird, warum man nicht gendert und dann wird es klar, man gendert aber nicht in den Sätzen.

KR: In Bezug auf Sehbehinderte Menschen ist es ja so, dass sie auch ein Problem haben mit dem Asterisk also dem Gendersternchen oder dem Unterstrich, dass das auch dann für Verwirrung sorgen kann beim Auslesen durch einen Screenreader.

AS: Genau das kann zu Problemen führen, weil eben die Screenreader eben nicht alle gleich eingestellt sind. Bei dem Gendersternchen ist es so, dass geht meistens noch relativ gut, weil er eben keine andere Funktion hat. Aber zum Beispiel bei dem Doppelpunkt oder beim Unterstrich ist es eben so programmiert, dass die Pause dann oftmals zu lang ist oder es einfach mit vorgelesen wird und das ist dann für die Nutzenden ziemlich schwierig und nervig.

KR: Barrierefreies Posten ist doch eigentlich barrierearmes posten, oder? Einen kompletten Zugang für alle wird es vielleicht nie geben…wieso verwendet ihr trotzdem den Begriff barrierefrei?

AS: Wir verwenden den Begriff barrierefrei, weil es sehr geläufig ist und die meisten Personen über barrierearm noch nicht so viel gehört haben. Uns ist natürlich klar, dass es nur barrierearm ist, wie die meisten Sachen, die das Laben barrierefrei haben, aber trotzdem ist quasi das Ziel Barrierefreiheit.

KR: Generell hat doch oder bringt doch die Digitalisierung für viele Menschen Vorteile, ich denke da zum Beispiel daran, dass man sich Texte im Internet vorlesen lassen kann, dass man Texte vergrößern kann oder das Videoinhalte untertitelt werden.
Wie ist der aktuelle Stand zum Thema digitale Barrierefreiheit? Also bezogen jetzt auf Webseiten usw.

AS: Also konkrete und aktuelle Daten gibt es leider nicht. Aber es steht fest, dass auf jeden Fall noch ein weiter Weg vor uns liegt, um das wirklich barrierefrei und zugänglich für alle Menschen zu machen.

KR: Da gibt es jetzt doch auch ein Gesetz, das Barrierefreiheit Durchsetzungsgesetz oder wie heißt es?

AS: Genau es gibt ein Geset, aber das bezieht sich bislang hauptsächlich auf eben Verwaltung und ähnliches. Und eben nicht auf Privatpersonen. Und das Gesetz sagt eben, dass bis Sommer 2021, also bis eben diesen Sommer die Webseiten der entsprechenden Behörden barrierefrei gestalten werden sollen.

KR: Liebe Anna-Lena, ich denk wir haben jetzt vielen Leuten Lust gemacht auf barrierefreies oder barrierefreieres Posten! Auf eurer Webseite kann man zu dem Thema sehr viel lernen und nachlesen und/oder auch an einem Workshop teilnehmen.
Zum Schluß würde ich gerne noch wissen, ob Du Tipps hast für barrierearmes Radio!

AS: Für barrierefreies Radio, ich glaub das Beste ist immer eine gute Tonqualität, dass auch alle Personen, die nicht so gut hören aber eben trotzdem noch hören da gut folgen können. Das wäre so mein Tipp.

KR: Gut dann dir vielen Dank Anna Lena!

AS: Ja, danke auch!

KR: Wenn Ihr jetzt Lust bekommen habt barrierefrei zu posten, dann denkt daran, was Anna-Lena gesagt hat: einfach loslegen. Noch viel mehr Informationen wie das genau geht und Tipps gibt es auf der Seite: barrierefreiposten.de

Und noch ein Hinweis von mir: zum Thema gendersensible Sprache im Zusammenhang mit barrierefreiem texten gibt es noch einen sehr guten Text von Heiko Kunert. Er gehört auch zum Team von barrierfrei posten und ist Geschäftsführer des Hamburger Blinden- und Sehbehindertenverein. Er plädiert dafür das Verwenden von Genderstern u.ä. Satzzeichen, nicht direkt als Diskriminierung von blinden Menschen oder sehbehinderten Menschen zu bezeichnen. Stattdessen spricht er sich für einen offenen Dialog.

Und in diesem sinne Wünsche ich euch und uns noch einen guten Tag und gelingende Kommunikation!


KR: Katja Röckel www.hup-le.de
AS: Anna-Lena Stein www.barrierefreiposten.de

Transkription: Monica Arena

Interview vom 3.5.2021