Focus Europa Nachrichten vom 15. Dezember 2010

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++++ Anti-Regierungsproteste in Italien ++++ Lage der entführten Flüchtlinge in Ägypten spitzt sich weiter zu ++++ Europarat wirft kosovarischem Regierungschef Organhandel vor ++++ Generalstreik in Griechenland ++++ Amerikanische Luftwaffe verhängt Mediensperre ++++ Straßburg: EU-Haushalt 2011 verabschiedet
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Upload vom 15.12.2010 / 20:10

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich:
Serie: Focus Europa Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: MIchael, Johanna, Julia
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 15.12.2010
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Anti-Regierungsproteste in Italien

Am gestrigen Dienstag fanden in vielen italienischen Städten massive Proteste gegen die Regierung statt. Die größte Demonstration versammelte in Rom ca. 100.000 Menschen. Dabei traf die derzeit sehr aktive Bewegung der Schüler und Studentinnen gegen die Kürzungen im Bildungssystem mit einem allgemeinen Protest gegen die Regierung Berlusconi zusammen. Als am frühen Nachmittag die Nachricht von Berlusconis Sieg in der Vertrauensabstimmung die Demonstrierenden erreichte, kam es zu wütenden Reaktionen wie dem Wurf von Knallkörpern und Farbbeuteln auf Polizisten. Auch Autos gerieten in Brand. Bei mehreren Zusammenstößen mit der Polizei gab es mehrere Verletzte auf beiden Seiten, 41 der Protestierenden wurden festgenommen. Uneinig sind sich die Medien in der Interpretation der Ereignisse, und das mit ungewöhnlichen Positionen. Während die Zeitung „La Repubblica“ den Einsatz von Provokateuren vonseiten der Polizei nachweisen will, dementieren dies Indymedia-Meldungen zum Teil – im Einklang mit der Polizei. Eine parlamentarische Anfrage soll das Verhalten der Polizei morgen klären. Die Eskalationen werden teilweise als Anfang eines ernsthaften Protests gegen die Berlusconi-Regierung gesehen, wobei die griechischen Proteste wiederholt als Vorbild gesehen werden.

Ägypten: Lage der entführten Flüchtlinge spitzt sich weiter zu

Im Fall der eritreischen Flüchtlinge, die im November von Schleppern an der ägyptisch-israelischen Grenze entführt worden waren, werden immer weitere dramatische Einzelheiten bekannt. Darüber hinaus herrscht Unklarheit über das Verhalten der ägyptischen Behörden. Nach den letzten veröffentlichten Nachrichten soll die Gruppe inzwischen in eine Stadt gebracht worden sein, wo den ägyptischen Behörden alle Bedingungen zu ihrer Befreiung zur Verfügung stehen. Darüber hinaus ist ihr genauer Aufenthaltsort bekannt und inzwischen sogar der Name des Hauptverantwortlichen für die Entführung. Dennoch ist bisher noch nichts geschehen. Es wird auch berichtet, dass sämtliche Frauen von der übrigen Gruppe entfernt worden seien und massivem Missbrauch ausgesetzt seien. Eine andere Gruppe von 63 Flüchtlingen sei inzwischen freigelassen worden, dann jedoch an der Grenze von ägyptischen Polizisten wegen illegaler Einreise verhaftet worden seien. Sie hätten keine Gelegenheit gehabt, einen Asylantrag zu stellen. Am morgigen Donnerstag wird das Europäische Parlament eine Resolution zu dem Fall verabschieden. Focus Europa wird am selben Tag darüber berichten.

Europarat wirft Regierungschef Thaci Organhandel vor

Der Regierungschef des Kosovo, Hashim Thaci, soll nach einem Bericht des Europarats in schwerste Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen verwickelt sein. Der Schweizer Europaratsabgeordnete Dick Marty wirft Thaci und weitere früheren Führern der kosovarischen Befreiungsarmee UCK in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht vor, am Handel mit den Organen serbischer Gefangener nach dem Kosovokrieg 1998 bis 1999 beteiligt gewesen zu sein. Thaci hatte sich erst am Montag zum Sieger der ersten Wahl seit der Unabhängigkeit des Gebiets von Serbien erklärt. Die Regierung im Kosovo wies den Bericht als haltlos und verleumderisch zurück und drohte mit juristischen Schritten. Thacis Demokratische Partei bezeichnete in einer Erklärung die Vorwürfe Martys als Lügen, die auf "unbewiesenen und erfundenen Tatsachen" beruhten.

Generalstreik in Griechenland

Der Protest gegen den Sparkurs der griechischen Regierung reißt nicht ab: Streiks in zahlreichen Berufszweigen legten weite Teile des öffentlichen Lebens lahm. Viele Flüge fielen aus, Fähren blieben in den Häfen, auch Busse, Bahnen und der Taxiverkehr wurden bestreikt. In der Hauptstadt Athen bildeten sich riesige Staus. Auch die Beschäftigten in Schulen, Krankenhäusern, Gerichten, Banken und den Staatsunternehmen, die unter anderem für die Stromversorgung und die Postzustellung zuständig sind, traten in den Ausstand. Am Dienstagabend hatte das griechische Parlament eine Reihe von einschneidenden Änderungen in der Arbeitsmarktpolitik gebilligt. So sollen in Zukunft etwa die Abfindungen bei Entlassungen halbiert werden. Statt die mit den Gewerkschaften ausgehandelten Tarife zu zahlen, können Arbeitgeber nun mit den Betriebsräten niedrigere Löhne aushandeln. Der griechische Ministerpräsident Papandreou hatte in der Parlaments-Debatte betont es gebe keine Alternative zu den Sparmaßnahmen, außer dem Bankrott Griechenlands.

Amerikanische Luftwaffe verhängt Mediensperre

Die US-Air Force hat den Zugang zu Websites gesperrt, die die von der Enthüllungsplattform WikiLeaks veröffentlichte Dokumente verbreitet haben. Mitarbeiter der US-Luftwaffe, die von ihren Arbeitsrechnern aus Zeitungen wie die amerikanische "New York Times", den englischen "Guardian" oder die französische „LeMonde“ lesen wollen, bekommen derzeit die Nachricht: "Zugriff verweigert. Der Internet-Gebrauch wird aufgezeichnet und überwacht." Wie eine Sprecherin der US-Luftwaffe erklärte, seien insgesamt 25 Internet-Seiten blockiert worden. Auf sie könne von Computern der US-Luftwaffe nicht zugegriffen werden. WikiLeaks-Gründer Julian Assange sitzt unterdessen weiterhin in Haft. Ursprünglich wollte das Amtsgericht im englischen Westminster Assange gestern gegen eine Kaution von über 200.000 Pfund freilassen. Die Schwedische Staatsanwaltschaft hatte dann allerdings Berufung gegen die Freilassung eingelegt.

Straßburg: EU-Haushalt 2011 verabschiedet

Nach wochenlangem Machtkampf mit den Regierungen hat das EU-Parlament den EU-Haushalt für das kommende Jahr verabschiedet. 508 Abgeordnete votierten dafür, 141 dagegen und 19 enthielten sich. Das Budget sieht Ausgaben von 126,5 Milliarden Euro vor, das sind knapp drei Prozent mehr als im laufenden Etatjahr. Die EU-Abgeordneten verzichteten damit auf ihre ursprüngliche Forderung nach einer Steigerung von sechs Prozent. Mit dem erzielten Kompromiss wurde in letzter Minute eine schwere Krise der Union abgewendet. Denn wäre eine Einigung ausgeblieben, hätte die EU ab Januar monatlich ein Zwölftel des diesjährigen Haushalts erhalten - ohne jede Aufstockung. Europäische Projeke wie der Aufbau der neuen Finanzaufsicht oder des Diplomatischen Dienstes hätten dann nur äußerst gebremst vorangetrieben werden können.