Nachrichten Focus Europa vom 21.12.2010

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Nachrichten vom 21. Dezember 2010:

Ungarisches Zensurgesetz ruiniert die Pressefreiheit

Israel bekämpft Anerkennung eines Palästinenserstaates

Berlusconi-Parteifreund wegen angeblichem Mafia-Deal festgenommen

Weißrussische Regierungsgegner in Eilverfahren verurteilt

Geheimdienst-Skandal in Bulgarien
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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: martin
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 21.12.2010
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Nachrichten vom 21. Dezember 2010:

Ungarisches Zensurgesetz ruiniert die Pressefreiheit:

In der Nacht zum heutigen Dienstag ermächtigte das Parlament die neue ungarische Medienbehörde NMHH per Gesetz zur Kontrolle privater Fernseh- und Rundfunksender, Zeitungen und Internetportale. Die NMHH kann nun öffentlich-rechtliche und private Medien mit Geldstrafen in Höhe von bis zu 90000 Euro belegen falls diese gegen vage formulierte Kriterien, wie „Ausgewogenheit der Berichterstattung“ oder „Erfüllung der Informationspflichten“ verstößt. Diese Geldstrafen könnten vor allem kleinere Medieneinrichtungen in den Ruin treiben. Bereits im Sommer hatte die NMHH auf Initiative der ungarischen Regierung die Kontrolle über die öffentlich-rechtlichen Medien übernommen. Der Vorstand der Behörde besteht komplett aus Mitarbeitern der Regierungspartei Fidesz. Zur Chefin der Behörde hat Regierungschef Orban nun für die nächsten neun Jahre seine langjährige Mitarbeiterin Anna-Maria Szalai ernannt, die Budapester Zeitung bezeichnet sie als “unbeugsam loyal“ zu Orban. Durch den mit der Zweidrittelmehrheit des Fidesz auch in der Verfassung verankerten Beschluss darf Szalai nun ohne parlamentarische Kontrolle Verordnungen und Vorschriften erlassen.
Kritiker im In- und Ausland, darunter das internationale Presseinstitut IPI, bezeichneten das neue ungarische Mediengesetz als Mittel der Pressezensur und der willkürlichen Sanktionierung kritischer Berichterstattung. Aus Protest waren vor mehreren Wochen mehrere ungarische Zeitungen mit leerem Titelblatt erschienen.

Israel bekämpft Anerkennung eines Palästinenserstaates:

Laut einem Bericht der Zeitung Haaretz hat Israel seine Vertreter im Ausland angewiesen, „in aller Dringlichkeit“ gegen die Anerkennung eines palästinensischen Staates vorzugehen. Das Blatt zitierte in diesem Zusammenhang aus einem Telegramm des Generaldirektors des Außenamts, Rafael Barak, in dem die Repräsentanten Israels zu einer "Kampagne zur allgemeinen Verteidigung" aufgerufen wurden. Israel reagierte damit auf Ankündigungen von hohen palästinensischen Politikern, denen zufolge die Bemühungen um eine Anerkennung eines Palästinenserstaates verstärkt werden sollen. Dieser Staat soll angeblich innerhalb der Grenzen von vor dem Sechs-Tage-Krieg angesiedelt sein. Weiterhin hieß es, mehrere lateinamerikanische Staaten wollten die palästinensischen Gebiete als unabhängig anerkennen.





Berlusconi-Parteifreund wegen angeblichem Mafia-Deal festgenommen:
Die Partei von Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi steht im Verdacht, mit der kalabrischen Mafia-Organisation 'Ndrangheta zusammen zu arbeiten: Die italienische Polizei hat einen Regionalpolitiker der Berlusconi-Partei Volk der Freiheit (PdL) unter dem Verdacht der Zusammenarbeit mit der Mafia festgenommen. Medienberichten zufolge soll der Politiker Santi Zappala ein Abkommen mit der kalabrischen 'Ndrangheta getroffen haben. Dieses brachte Zappala und der PdL angeblich eine ausreichende Menge Wahlstimmem im Gebiet von San Luca in Kalabrien, im Gegenzug habe der Politiker der Mafia lukrative Wirtschaftsaufträge versprochen. In der gleichen Angelegenheit wurden elf weitere Verdächtige festgenommen, unter ihnen vier Mitte-Rechts-Politiker, die allerdings bei der Regionalwahl im März nicht gewählt worden waren. Die ’Ndrangheta gilt derzeit als stärkste und gefährlichste Mafiaorganisation Italiens.

Weißrussische Regierungsgegner in Eilverfahren verurteilt:

Weil sie am Sonntag gegen die umstrittene Wiederwahl des autoritär herrschenden Präsidenten Lukaschenko demonstriert haben, müssen 600 Regierungsgegner für fünf bis 15 Tage ins Gefängnis. Diese Eilentscheidung der regierungstreuen Gerichte teilte der Minsker Polizeichef Farmagej am heutigen Dienstag mit. Zu den Festgenommenen gehören den Angaben zufolge auch sieben der neun Gegenkandidaten, die bei der Wahl am Sonntag gegen Lukaschenko angetreten waren. Nach Aussage eines Polizeisprechers gibt es keine Garantie dafür, dass die Demonstranten nach 15 Tagen tatsächlich freigelassen werden. Vielmehr untersuche man noch die Verwicklungen jedes Einzelnen in die Proteste anhand von Fotos und Videos. Denjenigen, welche die weißrussischen Behörden für die Kundgebungen verantwortlich machen, drohen nach Einschätzung der Nachrichtenagentur RIA Nowosti bis zu 15 Jahre Haft. In den nächsten beiden Sendungen am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche wird Focus Europa in Nachrichten und Beiträge weiter über die Lage in Weißrussland informieren.

Geheimdienst-Skandal in Bulgarien:

In Bulgarien sind zahlreiche ehemalige Spitzel der zu Zeiten des Sozialismus tätigen Staatssicherheit bis heute in Staatsämtern tätig. Das wird aus einem vergangene Woche veröffentlichten Bericht der Staatlichen Kommission zur Sichtung von Geheimdienstakten deutlich. Zu den Überführten gehört auch der seit 2002 amtierende Staatspräsident Georgi Parvanov. Insgesamt sollen von 462 überprüften Personen nicht weniger als 218 auf der Gehaltsliste des berüchtigten bulgarischen Geheimdienstes gestanden haben. Unter ihnen befänden sich neben Parvanov rund ein Dutzend heute in EU-Staaten akkreditierter Botschafter. Die Wochenzeitung Kapital bezeichnete die Liste als „keine Leiche, sondern ein ganzer Friedhof im Keller des Staates“. Die Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Machtsystem in Bulgarien wird in einem aktuellen Bericht der taz als Verdrängungspolitik bezeichnet. Diese habe mit der Vernichtung von knapp 150 000 Archiv- und Geheimdienstakten in 1990 begonnen und dauere bis heute an. Mit dem Geheimdienst-Skandal erlebt Bulgarien seinen dritten Skandal in diesem Jahr: im Januar war die Regierung der Veruntreuung von EU-Geldern überführt worden, Anfang diesen Monats musste die Leiterin des staatlichen Landwirtschaftsfonds zurücktreten, weil sie ihren Posten unter anderen mit gefälschten Diplomen erworben hatte.