Emissionshandel: fix it or nix it?

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Der EU Emissionshandel ist das Kernstück der europäischen Klimapolitik.
Während viele Kritiker das System als falsche Klimaschutzlösung
grundsätzlich ablehnen, hoffen andere auf Verbesserungen. Sie sehen ein
existierendes Modell, das nur noch den richtigen politischen Rahmen
braucht und durch ökonomische Anreize attraktiv gestaltet werden soll. Emissionshandel fix it or nix it?
Interviews mit Interview mit Kevin Smith (Carbon Trade Watch) und Rob Elsworth (sandbag).
Audio
07:41 min, 7206 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 11.01.2011 / 18:53

Dateizugriffe: 810

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich:
Serie: Focus Europa Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: Luciano
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 11.01.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Beitrag Focus Europa - RDL
EU Emissionshandel – fix it or nix it?
Beitrag + Interviews: Luciano Ibarra
Interviewees: Kevin Smith (Carbon Trade Watch), Rob Elsworth (sandbag)
Anmod + Übersetzung: Eva, Fabian, Luciano
Intro: Samba Band in Kopenhagen
COP15 chants : „our climate - not your business!“
Anmod: „unser Klima ist nicht euer Geschäft“ rufen die Demonstranten während der Proteste
gegen den Weltklimagipfel in Kopenhagen, Cancún oder bald auch in Durban.
Der Emissionshandel - das Kernstück der Klimaverhandlungen - ist in der Tat sehr umstritten.
Es ist ein marktwirtschaftliches Instrument der Klimapolitik mit dem Ziel, die
Treibhausgasemissionen zu senken.
Das europäische Emissionshandel-System ist das erste grenzüberschreitende und weltweit größte.
Es trat am 1. Januar 2005 in Kraft. Das europäische Modell gilt für viele als Vorreiter eines möglichen globalen Systems.
Das System funktioniert nach dem Prinzip des cap & trade –also „beschränken und handeln“. Einerseits wird die Höhe der Treibhausgasemissionen beschränkt, andererseits können die Emissionsberechtigungen frei gehandelt werden. Dadurch soll – so die Theorie - ein ökonomischer Anreiz entstehen, den Ausstoß schädlicher Klimagase zu senken.
Während viele Kritiker das System als falsche Klimaschutzlösung grundsätzlich ablehnen, hoffen
andere auf Verbesserungen. Sie sehen ein existierendes Modell, das nur noch nicht den richtigen politischen Rahmen hat.
Rob Elsworth von der britischen Organisation sandbag beobachtet die Entwicklung des europäischen Emissionshandels seit seiner Einführung und kann die erwarteten Treibhausgasreduzierungen nicht bestätigen. Er sieht viele Probleme, Gesetzeslücken und noch viel
Verbesserungsbedarf.
1Rob:
In der aktuellen zweiten Umsetzungsphase bis 2012 sehen wir eine massiv hohe Vergabe von
Emissionsrechten.
Industriezweige, die große Reduzierungen machen müssen, wie etwa die Stahl- oder die
Zementindustrie, sowie der Stromsektor, bekommen viel zu viele Emissionsrechte.
Sie wissen wie sie das System ausnutzen können und machen enorme Profite.
Außerdem dürfen innerhalb des internationalen Systems Emissionen ausgeglichen werden. Eine hohe Anzahl an extrem billigen Emissionsrechten kommen aus Entwicklungsländer und haben oft einen fragwürdigen Ursprung. Es gibt oft den Verdacht auf Betrug. Der ökologische Nutzen wird in Frage gestellt und das System untergraben.
In den letzten 2 Jahren gab es eine ökonomische Rezession in Europa. Das hat zu einer Flaute im
System geführt. Weil weniger produziert wurde, wurden auch weniger Klimagase emittiert. Dadurch sind jetzt zu viele Emissionsrechte in Umlauf. Die Industrie hat diese aufgehoben , um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu nutzen. Laut unseren Analysen und Projektionen wird es in den kommenden Jahren nicht die erhofften Emissionseinsparungen geben.
Der Emissionshandel ist ein Kernstück der europäischen Klimapolitik. Er wurde von Anfang an
konzipiert, um sich mit anderen Systemen zu verbinden. In Japan, Korea, China oder Neuseeland werden eigene Emissionshandelsmodelle aufgebaut. Die EU hat das größte Emissionshandelsystem der Welt. Viele können davon lernen. Die Systeme in China oder Korea werden anders sein, weil sie mit anderen Realitäten zu tun haben. Aber die EU hat zuerst das System ausprobiert und war mit allen Problemen konfrontiert. Sie hat viel daraus gelernt. Die EU möchte ihre Erfahrungen nun mit anderen teilen.
Atmo: „greenwashing is brainwashing“
OFF: Doch viele Aktivisten wie etwa Kevin Smith der Organisation Carbon Trade Watch lehnen
den Handel mit den Emissionen grundsätzlich ab.
2Kevin:
Jedes Abkommen, das auf Mechanismen des Emissionshandels setzt, wird keine effektive Lösung
bringen.
Wir haben bereits beim Europäischen Emissionshandelsystem gesehen, dass es nicht funktioniert.
Die Emissionen sinken nicht und gleichzeitig verdienen Einzelne große Summen Geld.
Das Ganze entpuppt sich als Instrument um Kapital anzuhäufen. Gleichzeitig werden Gemeinden in
südlichen Ländern schlechte Projekte über sogenannte “Mechanismen für umweltverträgliche
Entwicklung” aufgedrängt. Das Ziel ist, dass die Unternehmen im Norden weiterhin fossile
Brennstoffe verwenden und die Atmosphäre verschmutzen können.
Wir sehen das Ganze als Emissions-Kolonialismus. Die Emissionsreduzierungen im Süden sind wie
eine neue koloniale Ware, die extrahiert und in den Norden exportiert werden kann, um hier Profite
zu machen.
Rob:
Viele Leute haben ein grundsätzliches Problem mit der Idee Umweltschutzziele durch
Marktmechanismen zu erreichen. Ich kann das zu einem gewissen Grad auch nachvollziehen.
Wir denken, dass der Markt an sich keine schlechte Sache ist, aber ein schlechter politischer
Rahmen kann den Markt zu einer schlechten Sache machen.
Und das ist was gerade passiert. Man sollte sich bewusst sein, dass der Emissionshandel 50% der eu-weiten Emissionen abdeckt. Das ist ein riesiger Teil der Emissionen. Diese Gesetzgebung ist eine Realität. Warum sollten wir sie nicht verbessern und effektiver nutzen?
Lass uns hart dafür kämpfen, dass niemand Gesetzeslücken ausnutzt und dass der Emissionshandel
richtig funktioniert.
Meine Empfehlung wäre die Emissionsbeschränkungen runter zu setzen und strenge Kriterien für
internationale Ausgleiche durchzusetzen. Man muss die Unternehmen dazu bringen
Technologieinvestitionen in der EU zu tätigen, statt nur dubiose Emissionsrechte im Ausland zu
kaufen. Diese Nutzung von internationalen Ausgleichen muss ernsthaft in Frage gestellt werden.
3Kevin:
Die wirkliche Alternative zum Emissionshandel ist ihn einfach sein zu lassen!
Wir müssen Emissionsreduzierungen in den westlichen Ländern machen, ohne das Problem wo
anders hin zu exportieren.
Wir haben eine historische Verantwortung, da wir durch unseren Lebensstil und den Prozess der
Industrialisierung das Klimaproblem erst hervorgerufen haben. Wir müssen jetzt nicht nur große
Treibhausgas-Reduzierungen machen, sondern auch die südlichen Länder angemessen
entschädigen. Wir haben das Problem größtenteils geschaffen und haben ihnen gegenüber
ökologische Schulden die wir begleichen müssen.
OFF Fazit:
Systemwandel statt Klimawandel lautet die Forderung vieler KlimaaktivistInnen.
Der europäische Emissionshandel ist zum Vorreiter der globalen Architektur der Klimapolitik
erhoben worden und stellt viele andere Ansätze in den Schatten. Angesichts der bisherigen
Ergebnisse ist die Kritik nachvollziehbar.
Sicher ist nur: verhandelt wird auf Hochtouren, emittiert auch, verbessert hingegen viel zu wenig.
atmo: Kopenhagen – what do we want.... (0:10)

Kommentare
12.01.2011 / 16:37 Tobias, Radio Z, Nürnberg
heute im Stoffwechsel gesendet
vielen Dank!
 
29.01.2011 / 01:49 AL, coloRadio, Dresden
wird morgen
gesendet.