Berlin, Ostermarsch: Redebeitrag von Mumia Abu-Jamal

ID 40611
 
AnhörenDownload

Der Ostermarsch 2011 war in Berlin von dem Protest gegen die Atomenergie geprägt, sowohl deren militärischer sowie "ziviler" Nutzung. Als Gastredner auf der Abschlusskundgebung nahm der afroamerikanische Journalist Mumia Abu-Jamal aus Pennsylvania, USA teil.

Da er als politischer Gefangener in einem manipulierten Verfahren 1982 für einen nie bewiesenen Mord an einem weißen Polizisten zum Tode verurteilt wurde, sitzt er seitdem in Isolationshaft. Momentan befindet er sich im Supermax Gefängnisses SCI Greene in Waynesburg, PA. Über Telefon nahm er am 11. April eine Grußbotschaft auf, die heute in Berlin abgespielt und anschließend in deutscher Übersetzung vorgetragen wurde.

In seinem Beitrag beschäftigt sich Mumia mit den Auswirkungen von Kriegen im Inneren der Gesellschaft und macht die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Organisierung von unten deutlich.

Jutta Kausch von der Friedens-Koordination stellt Mumia vor und liest die Übersetzung. Anschließend forderte sie die ca. 2500 Zuhörer_innen auf, Mumia Postkarten zu seinem Geburtstag in den Todestrakt zu schicken. Mumia wird am 24. April 57 Jahre alt. Er sitzt bereits mehr als die Hälfte seines Lebens in Isolationshaft.

In der Mitte der Datei ist die Tonqualität für kurze Zeit sehr schlecht. Hierfür eine Entschuldigung im voraus, da es technisch nicht mehr verbessert werden kann. Aber nach kurzer Zeit wird die Tonqualität wieder gut.

Wer Mumias Redebeitrag von ihm selbst gesprochen in besserer Tonqualität hören möchte, kann das auf der Webseite von Prison Radio:
"Message For Anti-War Rallies"
http://www.prisonradio.org/4-10-11Messag...

Audio
06:53 min, 6446 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 23.04.2011 / 20:29

Dateizugriffe: 1479

Klassifizierung

Beitragsart: Rohmaterial
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Umwelt, Politik/Info
Serie: Friede, Freiheit, Menschenrechte
Entstehung

AutorInnen: Free Mumia News bei RADIO AKTIV
Radio: Radio Aktiv Berlin, Berlin im www
Produktionsdatum: 23.04.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript

Mumias Botschaft an die Antikriegsdemonstrationen

dt. Übersetzung: Free Mumia Bewegung


Ona move, lang lebe John Africa.

Wenn die Geschichte uns irgendetwas lehren kann, dann, dass der Krieg alles verändert. Denn Kriege sind aufgrund ihres innersten Wesens nicht nur außen- sondern auch innenpolitische Angelegenheiten.

Der gewalttätigste Krieg der US-Geschichte, nämlich der Bürgerkrieg, hat uns nicht nur die Einkommenssteuer gebracht, sondern auch die Etablierung Chicagos als Zentrale der industriellen Fleischverarbeitung, das Homestead-Gesetz, das weißen Siedlern gigantische Flächen von Land zusprach, und das Gesetz zur Ausgabe von Banknoten, mit dem der Gebrauch von Papiergeld in den USA eingeführt und geregelt wurde.

Die heutigen Kriege im Irak und Afghanistan haben uns unbefristete Inhaftierungen, Guantanamo, den so genannten Patriot Act und das Regime der „Heimatsicherheit“ beschert. Unter dem Eindruck von Slogans wie „nationaler Sicherheit“ und der „Bedrohung durch den Terrorismus“ hat sich die Verfassung – ohnehin nie ein zuverlässiges Instrument im Kampf gegen staatliche Unterdrückung – still aufs Altenteil begeben.

Aber das ist noch längst nicht alles. Während die Nation ihren Wohlstand und ihr technisches Können in den Dienst der Kriegskunst stellt, verfallen ihre Schulen, Städte stehen dem sozialen und wirtschaftlichen Ruin gegenüber, Millionen Menschen sind von Zwangsräumungen betroffen und die Arbeitslosenzahlen schnellen in die Höhe.

Die Gewerkschaften werden auf eine Weise attackiert, wie wir sie seit den dreißiger Jahren nicht mehr erlebt haben, und der Reichtum ist in immer weniger Händen konzentriert. Aktivistinnen und Aktivisten werden zum Schweigen gebracht und an den Rand gedrängt und schaffen es nicht, zu rebellieren, ist doch heute der Oberbefehlshaber der Nation zugleich ihr erster schwarzer Präsident.

Und das gilt selbst noch nach dem jüngsten militärischen Abenteuer in Libyen.

Kurz gesagt: Warum ist der Westen in der Lage, seine Militärmaschine aufzufahren, um ein ölreiches Land zu überfallen, aber gleichzeitig außerstande, Japan zu helfen, dass der größten Bedrohung seit dem 2. Weltkrieg gegenübersteht? Welches Land ist hier wohl mehr humanitär bedroht?

Es wird eine Zeit kommen, in der künftige Generationen mit demselben Unverständnis hierauf zurück blicken werden wie wir jetzt auf die Sklaverei. Sie werden zurückschauen und daraus schließen, dass dieses Zeitalter vor allem eines war, nämlich dumm.

Unterdessen hat die Rechte mehr Auftrieb als zu irgendeiner Zeit seit den unter dem Namen „Nichtswisser“ bekannten fremdenfeindlichen Bewegungen im 19. Jahrhundert, und sie führt einen Kulturkrieg für die Rückkehr in die von Kritik weitgehend unbeleckten fünfziger Jahre.

Der derzeitige Krieg zielt letztlich ebenso sehr auf die Arbeiterschaft, die Studierenden, die Lehrerinnen und Lehrer und die Armen ab wie auf die Taliban und Al Qaida. Denn auch sie werden angegriffen, und bombardiert mit Unterdrückung, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und Hoffnungslosigkeit – in Städten, die zu Ödland geworden sind.

Es ist Zeit, dass wir uns organisieren, um die Kriege zu stoppen – sowohl die im Innern als auch die nach außen.

Ich danke euch. Ona Move!

Aus der Todeszelle – Mumia Abu-Jamal