Verordnete Wahrheiten

ID 47847
 
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Mit einer Einleitung versehener Mitschnitt eines Vortrags von Hannes Hofbauer. Er stellte am 6.3.2012 im Café Savannah in Frankfurt sein Buch "Verordnete Wahrheit, bestrafte Gesinnung" vor. Hierin behandelt er im Spannungsfeld von Völkermord, Völkerrecht und politischer Zensur die "Rechtsprechung als politisches Instrument".
Audio
54:47 min, 50 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 23.04.2012 / 22:45

Dateizugriffe: 610

Klassifizierung

Beitragsart: Anderes
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Walter Kuhl
Kontakt: info4(at)waltpolitik.de
Radio: dissent, Darmstadt im www
Produktionsdatum: 23.04.2012
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Jede moderne Gesellschaft, die etwas auf sich hält, definiert diejenigen, die dazu gehören, und diejenigen, die auszuschließen sind. Sie definiert die Freunde und Feinde der herrschenden Ordnung, weil eine moderne Gesellschaft selbstredend eine Klassengesellschaft ist. Das Interesse derjenigen Klasse, die über das Eigentum an Produktionsmitteln, an Grund und Boden und an den finanziellen Ressourcen verfügt, ist selbstverständlich ein anderes Interesse als das der anderen, sagen wir mal, 90% der Bevölkerung, dem dies verwehrt ist. Die einen halten sich eine Regierung, die in zyklischen Zuckungen von den 90% gewählt oder auch einmal ausgetauscht wird, ohne daß sich der zugrunde liegende Mechanismus der Verteilung von Macht und Herrschaft ändert.

Es ist eben nicht ein Roland Koch, der einem Josef Ackermann sagt, wo es lang geht, sondern umgekehrt, und weil Roland Koch das begriffen und brav umgesetzt hat, ist er nun mit einem lukrativen Posten bei Bilfinger Berger belohnt worden. Das ist nicht Korruption, das ist ganz normal. Und es spielt, um diese Republik als Beispiel zu nehmen, absolut keine Rolle, ob die politischen Wasserträger der kapitalistischen Ordnung aus den Reihen schwarzer, roter, grüner oder gelber Parteien stammen; sie alle spielen brav mit, weil es etwas für sie zu gewinnen gibt, was sie dem gemeinen Fußvolk entweder vorenthalten oder per auftragsgemäßer Gesetzgebung auch wegnehmen. Neuerdings sind einige orangene Piratinnen und Piraten gesichtet worden, die sich nun im Schnelldurchgang anschicken, Anschluß an die politische Etikette dieses Landes zu finden.

Diese Piratenpartei ist nicht etwa eine Alternative zur bestehenden Ordnung, sondern ihre virtuelle Ergänzung. Postmoderne Nerds transportieren neoliberale Diskursmuster, und dann spielt es auch keine Rolle mehr, ob da irgendwelche rechten Gedankengänge darin eingehen. Denn der Faschismus, das lehrt uns die Geschichte, ist eine Option genau dieser herrschenden Klasse in Krisenzeiten. Daß es sich um nichts anderes als neoliberale Nerds handelt, die mit postmodernem Gedankengut hausieren gehen, hat beispielhaft André de Stefano, der Piratenkandidat für das Amt des Oberbürgermeisters im vergangenen Jahr gezeigt, als er dem politischen Mainstream nachplapperte und die Schuldenbremse als Allheilmittel anpries. Daß selbige Schuldenbremse neue soziale Verwerfungen und Mißstände bringen wird, war ihm als einem Mitglied der gebildeten und zukunftsorientierten Aufsteiger ziemlich egal.

Nun verfügen die Reichen und Mächtigen einer solchen Republik über unzählige ideologische Claqueure und Clowns, die im umfassenden Netz der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernseh-, Radio und Printmedien die Meinung ihrer Auftraggeber vor- und nachbeten. Dieses mediale Trommelfeuer wird solange abgefeuert, bis auch der letzte Dussel dieser Republik begriffen hat, daß Selbstverarschung in Castingshows und Assessment Centern, Leistungsbereitschaft in Sport und Job, sowie freiwillige Unterwerfung unter den lebenslangen Lernknast zu den notwendigen Betriebsmitteln des betriebwirtschaftlich funktionierenden homo oeconomicus gehören.

Nun lassen sich klassenbewußte Männer und Frauen nicht jeden Stuß gefallen und nennen imperialistische Wirtschaftskriege nicht humanitäre Missionen und die Ausplünderung ganzer Kontinente, von der Drangsalierung Hunderter von Millionen Menschen ganz zu schweigen, nicht ein Marktgesetz. Und je nachdem, wie sich krisenhafte Entwicklungen zuspitzen oder soziale Kämpfe entwickeln, ist es für die herrschende Ordnung wichtig zu wissen, wer das Deutungsmonopol besitzt. Es kann ja nicht sein, daß kapitalistische Triebtäter und Mörder auch so benannt werden. Zensur war schon seit jeher ein probates Mittel, nonkonformistisches Gedankengut präventiv zu verfolgen, zu bestrafen und aus dem Verkehr zu ziehen. Die Mittel und Wege mögen verschieden sein, aber sie führen immer zum Ziel. Was den einen ihre Vorratsdatenspeicherung und Internetsperre, ist den anderen ein Gesinnungsparagraf.

Der österreichische Wirtschaftshistoriker und Publizist Hannes Hofbauer hat sich dieser Problematik angenommen; herausgekommen ist ein fundiertes und lehrreiches Buch über “Rechtsprechung als politisches Instrument”. Vor anderthalb Monaten, am 6. März 2012, stellte er sein hiervon handelndes Buch “Verordnete Wahrheit, bestrafte Gesinnung” im Café Savannah in Frankfurt vor. In der folgenden Dreiviertelstunde hört ihr nun meinen Mitschnitt dieser Veranstaltung. Denn wer kann sein Buch besser vorsteller als der Autor selbst? Ich kenne Hannes Hofbauer aus verschiedenen Aufsätzen und Büchern, in denen er jedesmal eine originelle, aber gut begründete und vor allem recht differenzierte Analyse vorlegt. Einen Lokalbezug zu einer Darmstädter Politikerin enthält sein Vortrag zudem. – Am Mikrofon ist Walter Kuhl aus der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt.


[Mitschnitt]


In der vergangenen Dreiviertelstunde hörter ihr einen Vortrag von Hannes Hofbauer über “Rechtsprechung als politisches Instrument”. Sein zugehöriges Buch hat den Titel “Verordnete Wahrheit, bestrafte Gesinnung”. Es ist vergangenes Jahr im Wiener Promedia Verlag zum Preis von 17 Euro 90 erschienen.