Deutsche Parallelwelt oder die Paralyse in Form von BLOCCUPY

ID 48246
 
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Interview mit einem Sprecher der Bloccupy Bewegung.
Im ersten Teil zu den Verbotsverfügungen im zweiten Teil zu den Inhalten dieser Bewegung.
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26:38 min, 37 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 15.05.2012 / 19:05

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Entstehung

AutorInnen: Nachmittagsmagazin für subversive Unternehmungen; nfsu
Radio: FSK, Hamburg im www
Produktionsdatum: 14.05.2012
CC BY-NC-SA
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Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Es fehlt etwas, denn die Nazi Morde gehen unterdessen weiter. In Meldorf hat es einen versuchten Mord durch Brandstiftung gegeben und in Berlin Neukölln ist ein 22jähriger erschossen worden. In diesem letzteren Fall teilen Freunde, Freundinnen und Angehörige mit, daß sie Anteilnahme und Solidarität vermissen. Sie befinden sich damit in exakt der gleichen Situation, die die Angehörigen der Opfer der NSU Morde beschreiben: Falsche Verdächtigungen, mangelnde Anteilnahme und Opfer-Täter Umkehr. Berlin hat eine personenanzahlmäßig riesengroße linke Szene. Nicht einmal 200 Menschen nahmen an der Gedenk- und Trauerdemonstration für den ermordeten Burak Bektas teil. Dabei passen die Schilderungen der Berliner Zeitungen zu dem Mord ganz genau in das Muster der Beschreibungen der NSU Morde. Auch die Linke will es nicht wissen. Die Mörder und Mörderinnen wohnen nebenan, aber politische Motive werden nicht wahrgenommen.
Gerne wird die Verantwortung ganz den Staatsorganen zugeordnet und dabei verdrängt, daß es sich um einen gesellschaftlichen Bewußtseinszustand und Tatzusammenhang handelt. Dieser agiert sich eben nicht nur staatsförmig aus sondern findet sich im gesamten Gesellschaftszirkus; beim Fehmarn Camping, am Stammtisch, bei der Vorbereitung des Amoks im elterlichen Erziehungsterror. Von der Geburt an mit jedem Trainingsschritt zur Dressur des Deutschen. Linke hätten sich zu fragen, was ihre Möglichkeiten und Fragestellungen wären. Unter dem Mantel des Aktivismus und einer scheinkritischen ausschließlichen Staatsfixiertheit werden die entscheidenden und für das Leben von Menschen existenziellen Fragen und Aufgaben gar nicht erst thematisiert. Es gibt offenbar keinen Begriff vom Post-Nationalsozialismus. So ist man denn immer gemeinschaftlich unterwegs; Nazis werden bekämpft indem der Nationalsozialismus in Ruhe gelassen wird. Nazis dienen als „Außen“, der Nationalsozialismus bleibt im unbewußten „Inneren“ verborgen.
Das unbewußte Innere schmerzt, sobald es berührt oder angetastet wird. Das „Innere“, der innere Zusammenhang wird gemeinschaftlich als Deutsche hergestellt; der Schmerz der sich herstellt wenn der deutsche Zusammenhang in Frage gestellt wird, entlädt sich agressiv als Haß auf das Andere, „Antideutsche“. Die Imagination des „Antideutschen“ ist der Reflex der Gemeinschaft. Sich antideutsch zu inszenieren bringt keinen Ausweg aus dem Deutschsein solange der innere Zusammenhang, die Sozialisationsidentität nicht zerrissen ist.
Draußen sind die Nichtzugehörigen, weshalb deren Schicksal nicht wahrgenommen wird. Jeder unreflektierte Aktionismus verstärkt diese Ausgrenzung. Das gilt noch mal mehr für einen unreflektierten Antikapitalismus, wie er sich gerade Bahn bricht. Mit Münteferings Heuschreckenmetaphern in die Welt gesetzt, haben ganze Züge von Antikapitalist_innen sich auf den Weg in das „Herz der Bestie“ gemacht. Dort wird dann nicht mehr unterschieden zwischen Nazis und Bankern. Beschworen und angerufen wird das „Proletariat“, dessen gemeinschaftsgestifteter Zusammenhang (besonders in Deutschland) vollständig übersehen bleibt. Das National im Internationalismus wird unterschlagen, bzw. wie beschrieben: verdrängt. Dieser Internationalismus, zwei Jahrhunderte entfernt vom Kosmopolitismus, baut auf die Nation, deren Gemeinschaft die Völkerfamilie darstellt. Die Grenzen zwischen neurechter und linker Ideologie sind in dieser Begriffswelt völlig verwischt, die eigene Proletarität in die Imaginität des geläuterten Deutschlands und eines unternehmerischen Selbst verschoben.
Soweit das was übersehen ist beim Event, sowohl der 2. Juni in Hamburg, als auch Bloccupy, dessen späteste Geburtstunden anno Heiligendamm gezählt werden. Letztlich ist da noch der Skandal, dessen Diskurs hier noch knapp zu erläutern wäre: Das Wesen einer Information bleibt hinter der Schlagzeile verborgen. NSU war gestern. Heute gibt es dafür Untersuchungsausschüsse deren Entschlüsselungsaufgabe ist dorthin delegiert. Die weiter stattfindenden Nazi Morde sind letztlich nicht die Tat jenes Netzwerks sondern werden, soweit sie das beschriebene Unbewußte überschreiten, als einzelne Taten wahrgenommen. Das Netzwerk ist und bleibt Teil des Außen.
Schluß aus und vorbei. Die hier kritisierte Linke möge sich nicht gebasht fühlen. Sie möge sich zur Reflektion ihres Tuns und ihres Standes in der deutschen Gesellschaft herausgefordert sehen.