Im Rausch der Massen / Heil, wie ... Heiligendamm

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CM auf FSK 93.0 Megahetz(e) - Monatliche Kolumne des Café Morgenland - Juni 2012/Mai 2007
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Entstehung

AutorInnen: Redaktion 3
Radio: FSK, Hamburg im www
Produktionsdatum: 04.06.2012
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Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Im Rausch der Massen
Jeder fünfte Franzose (Le Pen ca. 19% in 2012), jeder sechste Niederländer (Wilders ca. 16% in 2011), jeder dritte Österreicher (FPÖ 30% in 2008), jeder fünfte Grieche (Neonazis, Faschisten und extreme Nationalisten zusammen 20% in 2012), jeder vierte Schweizer (SVP 25% in 2011, davor 30%) usw. ist inzwischen ein bekennender Faschist, d.h. er nutzt den Wahlzettel, um dies und genau dies heraus zu posaunen und zu dokumentieren.
Was Deutschland betrifft, so ist es nicht allein anhand der Wahlergebnisse zu bewerten. Hier ist eher die (NSU-) Tat und nicht der Urnengang maßgeblich, da sie von Demokratie und Parlamentswahlen wenig halten (nicht umsonst gibt es der deutsche Spruch „sie haben mit den Füssen gewählt“). Da dies bekannt ist, versucht man mit trickreicher sukzessiver Umfragerei (z.B. Heitmeyers Institut), hinter das deutsche Geheimnis zu kommen. So auch in der letzten „Gemütserhebung“, wo sich 20% der Befragten als antisemitisch outeten. Dies stimmt insofern nur dann, als der Spruch „die restlichen 80% fragen wir später“1 dazu addiert wird.
Also bleiben wir mal kurz auf dem europäischen Kontinent. Berücksichtigt man zu dem eingangs genannten Faschistenanteil, das Umfeld all derjenigen dazu, die lange mit sich gerungen haben, ob sie statt der Christdemokraten, Sozialdemokraten oder der Linke usw. lieber die Faschisten wählen sollten, schlussendlich aber sich für die bessere, soll heißen erfolgversprechendere Alternative zu den Faschisten entschieden haben, berücksichtig man dazu noch das ganze Umfeld des sich faschistischen und rassistischen Lösungen verschreibenden Toleranz- und Sympathiesumpfes, hat man dann ein halbwegs vollständiges Bild der Kloake Europa, und gleichzeitig einen Vorgeschmack dessen, wo es zusammenwächst, was zusammengehört. Jetzt werden wir angesichts der so genannten Finanzkrise mit altbekannten Sprüchen beworfen wie Schicksalsgemeinschaft, Euro-Rettung, Schutzmauer, Steuerzahler usw. oder halt mit den linken Varianten wie „gegen Entdemokratisierung“ (was das auch sein mag), „gegen Krisendiktat“ und „Spardiktat“, „Widerstand gegen ein Krisenregime“, „die Breite der Proteste sichtbar machen“ (spätestens jetzt wissen wir, dass Breite von ‚Brei‘ kommt), „Raum für Diskussion und inhaltlichen Austausch schaffen“, da ohne Esoterik und Schmus, keine Bewegung in Deutschland mehr auskommt (alle Zitate aus dem zentralen Blockupy-Aufruf von 19.032). Vergeblich wird man irgendetwas, selbst in dieser Sprachverelendung, gegen Rassismus, Antisemitismus u.a. suchen, nach etwas also, was inzwischen epidemisches Ausmaß genommen hat. Selbst dort, wo über Nationalismus schwadroniert wird, heißt es: „Wir widersetzen uns dem Versuch, mit nationalistischen Parolen die Beschäftigten, die Erwerbslosen, die Prekären in Deutschland und Griechenland, in Italien und Frankreich oder in anderen Ländern gegeneinander aufzuhetzen“, genauso wie damals als sie in Oradour, in Lidice, in Distomo usw. gegeneinander aufgehetzt wurden, oder – weil euch diese „alte Klamotten“ zum Halse heraushängen –, wie in der jüngeren Geschichte, als die Roma-Nationalisten und die Ossi-Nationalisten in Rostock-Lichtenhagen gegeneinander aufgehetzt wurden. Wahrlich! Präziser geht nicht. Der nationalistische Dreck hier und heute im Lande, wird auf eine Stufe mit anderen Ländern gestellt, ordentlich durchmischt, um aus dem Brei Explosivstoff herzustellen.
Gewiss, es gibt unsägliches Elend auf der Welt. Aber das geistig-moralische Elend in diesem Land, das sogar es schafft, auf eine einzige Seite hin seine volle „Breite“ zu entfalten, ist einmalig.
Das erwähnte „halbwegs vollständige Bild“ bezieht sich nicht auf die Ungenauigkeit der Zahlen, sondern auf die inzwischen bis zur Unkenntlichkeit verschwommenen Grenzen zwischen links und rechts.
Erst als Hollande bei den Le Pen Anhängern schleimte, war sein Sieg gesichert. Erst als Tsipras (Vereinigte radikale Linke, Griechenland) die Politiker, die die Kreditvereinbarungen befürworteten, mit „sie sind keine Griechen“ anprangerte und die Revidierung der Beziehungen zu Israel als zentralen Punkt seines Programms ankündigte, kamen die ersehnten Massenstimmen, um nur 2 der jüngsten Beispiele zu nennen. Von Spanien ganz zu schweigen. Längst sind die Pogrome in Almeria eine Fußnote, längst sind die Millionen Massendemos des spanischen Volkes gegen die Ermordung von faschistischen Generälen in Vergessenheit geraten. Längst wird das Frankophile gesellschaftliche Klima ignoriert.
Und in Deutschland? Man/Frau weiß inzwischen Bescheid: die Bildung eines Volkskollektivs ist eine zu ernste Sache, um sie den Rechten zu überlassen.
Da der Antiimperialismus nicht nur erst jetzt nach der Umwandlung von Chaves zum Jesus und Papa-Ratzi ausgedient hat, scheint nun die antikapitalistische Option, so wie sie von der deutschen Linke national entwickelt und international durchgesetzt werden soll, sich als ideales Bindemittel zur Bildung eines solchen Kollektives, oder sagen wir Vereins, anzubieten. Da passen alle rein. Welch eine faszinierente Perspektive! Wenn das nicht zum Widerstand animiert!
Im „Herz der Bestie“ (aus ein Blockupy-Plakat)
Diese deutsche Prägung kommt ohne zwei wesentliche Elemente nicht aus: Zum einen das Finanzkapital (Bestie) und sein Herz (Frankfurt). Je internationaler (EZB) desto nationaler. Man könnte das Ganze auf seine vulgärmarxistische Ebene reduzieren, und gelassen eine Protestbewegung gegen den 500-Euro-Schein fordern, da diese Forderung genauso Inhaltsvoll und populär ist, zumal der 500-Euro-Schein dem unglücklichen Besitzer enorme praktische Schwierigkeiten wie Wechselgeld, Echtheitsprüfung usw. bereitet. All das als „verkürzte antikapitalismus-Kritik“ zu bezeichnen, ist eine Verharmlosung.
Denn es ist leider ernster: liest man/frau den Aufruf der neuen Erweckungs- und Event-Bewegung, („Blockopy“ genannt), so fällt es auf, dass als einziges Land bei der Erwähnung Nordafrikas (wg. Revolutionen usw.), nur Israel extra namentlich genannt wird, genauer gesagt finden darin die israelischen sozialen Bewegungen eine gesonderte Beachtung. Es ist eigentlich nichts Besonderes, wäre sogar unter Umständen lobenswert, wenn nicht gleichzeitig hervorstäche, dass andere Länder aus der Region, wo dort die Protestbewegungen von zahlreichen Toten begleitet wurden und werden, nicht mal erwähnt werden (ganz zu schweigen von der Jagd auf Afrikaner und deren systematische Ermordung zurzeit in Libyen). Aber dann besinnt man sich auf die Urheber. Es handelt sich um einen deutschen Aufruf. Denn bekanntlich steht Israel unter besonderer Beobachtung, oder sagen wir lieber, unter deutscher Aufsicht.
Was das „Zentrum der Macht“ betrifft, so sind sie nicht die ersten, die ihr Herz für das „Herz der Bestie“ entdeckt haben. Andere waren schon früher drauf gekommen. Wir erinnern uns: Vor einigen Jahren, gab es schon mal ein ähnliches, ein sehr ähnliches Event. Über Tausend Neonazis strömten am 1. Mai 2001 in die Stadt, in die „zentrale der Macht“, wie sie sie auch nannten. Nur offener und nur ehrlicher. Sie wollten ursprünglich auch gegen die EZB protestieren, sie wichen später auf die Bundesbank aus, dorthin also, wo „das Geld sitzt“, um „die Bastion des Finanzkapitals, den Zentralrat der Juden, die Hochburg der Türken“, wie sie selber sagten, zu erobern (nebenbei ist zu erwähnen, dass das letztgenannte nur insofern stimmt, als für die Nazis alle Ausländer bekanntlich Türken sind). „Frankfurt als Hochburg der Volksfeinde“ schrieben sie. „Globalisierung stoppen“ war ihr Motto. „Die Höhle des Löwen“ nannten die Thüringer Neonazis in ihrem Mobilisierungsaufruf Frankfurt.
Gewiss, so was gehört nicht auf linke Blätter. Vor allem weil es nicht nötig ist. Es genügt einen Text in Code-Form zu verfassen, mit der Gewissheit, dass die Leser die Botschaft richtig verstehen werden. Es genügt Israel zu erwähnen, das Finanzkapital zu entlarven und nicht zuletzt „gegen Internetzensur“ widerstand zu leisten, um sich auch diesen Anschluss zu sichern. Und schon ist die Massenmobilisierung abgesichert. Es ist diese dechiffrierungsfähige Sprache, die die deutsche Linke am bestens beherrscht.
Das zweite Element, ist eine ebenfalls wichtige Mobilisierungskomponente und darf nicht außer Acht gelassen werden: Der linke Seelenhaushalt kann ohne Vorzeigeopfer, bei dem er sich anbiedern kann, nicht auskommen. Dass nennt man dann ‚internationale Solidarität‘. Diesmal müssen die Südländer dran glauben (was immerhin ein wenig nach Südamerika klingt). Als Ersatz für Guerilleros eignen sich anscheinend sowohl die „Indignados“ (Spanien) als auch die „Bewegung der Plätze“ (Griechenland). Da die Intention der hiesigen vielversprechenden Bewegung, vorrangig bei dem aufrührerischen Objekt, „die Griechen“ abgeladen wird, sollten wir ein wenig darauf eingehen.
Eins vorneweg: Seit über 15 Jahre leben dort über 15% der Bevölkerung, also ca. 1,5 Millionen Menschen, unter erbärmlichsten Bedingungen, in jeder Hinsicht. Extreme Ausbeutung, Kriminalisierung, Diskriminierung, Ermordung (über 150 Tote bisher), tausende Verletzte durch Messerstiche und andere gewalttätige Angriffe. Rechtlose Sklaven im rechtsfreien Raum. Nur, sie haben nichts Heroisches vorzuweisen, sie sind nicht mal eine homogene Masse, ein Volkssouverän wie man es so gern hier hätte. Denn es handelt sich um MigrantInnen und Flüchtlinge, die kein revolutionäres Objekt darstellen und daher nicht brauchbar sind. Niemand hat für sie sein Herz entdeckt. Niemand hat Blockaden usw. veranstaltet. Sie waren nicht mal eine Nachricht wert, als z.B. die griechischen Bauer in den Erdbeerenplantagen von Peloponnes darauf, dass sie mehr als einen Hungerlohn forderten, die Aufmüpfigen unter Ihnen – um an ihnen ein Exempel zu statuieren – an ein Seil gebunden, hinter einem Geländewagen durch die Dörfer zerrten. Nicht mal, als ganze Stadtteile von Athen zu nationalbefreiten Zonen erklärt wurden und immer noch sind. Nicht mal als sie in den Polizeigefängnissen systematisch zusammengeschlagen wurden und weiterhin malträtiert werden usw. usw.
Aber das kann man doch nicht der Protestbewegung anlasten, wird uns entgegengeschleudert. O, doch! Am Syntagma-Platz, also in der Zentrale der Protestbewegung, wurde faktisch die Organisation der Platzbesetzung folgendermaßen abgewickelt: Den oberen Teil des Platzes überließ man den gegen Troika und EU protestierenden Faschisten und Nationalisten, und den unteren Teil den gegen Troika und EU protestierenden Linken. Der Versuch zu Beginn der Proteste, seitens einiger anarchistischer und antifaschistischer Gruppen die Faschisten zu vertreiben, stieß auf Widerstand der anderen. Und die Folgen? Drei Wochen lang, eroberten die Neonazis den an den Syntagma-Platz angrenzenden Stadtteil und veranstalteten dort zusammen mit den widerständischen Anwohnern Tag und Nacht Jagd auf jeden, der nicht griechisch genug aussah. Über hundert zum Teil schwerverletzte MigrantInnen und Flüchtlinge wurden während dieser Tage in die umliegenden Krankenhäuser geliefert. All das parallel (geografisch und zeitlich) zu den einem Häuserblock weiter laufenden Anti-Troika Protesten. Folgerichtig die Wahlergebnisse: Der obere Teil der Syntagma-Platz brachte es – wie eingangs erwähnt – auf 20%, der untere Teil hob die „Vereinigte radikale Linke“ auf etwa 17% hervor. Es geht doch!
Wenn jemand nun auf die Idee kommt, auch hier eine solche Parallele zwischen den bekanntgewordenen Morden der NSU bzw. den weiter laufenden Morden und Anschlägen wie neulich die Ermordung von Burak in Neukölln auf der einen Seite und den antikapitalistischen Protesten, ob M31 oder Blockupy usw. auf der andere Seite zu ziehen, so ist es kein Zufall sondern Programm.
„Wir sind nicht rechts, wir sind nicht Links, wir sind viele“, heißt die neue revolutionäre Einsicht.
Fazit: Die Kategorien links und rechts gehören unwiederbringlich der Vergangenheit an, sie haben höchstens eine historische Bedeutung.
Und weil eine Fortführung des Textes ein Widerkauen von bereits vor Jahren Gesagtem bedeuten würde, wird stattdessen wiedermal ein früherer Text aus dem Jahr 2007 herangezogen, zumal die Ähnlichkeiten sowohl inhaltlich als auch organisatorisch einer Tautologie gleichkämen und dazu noch - unsere 5-Jahresplanung entsprechend -, eben exakt 5 Jahre seit Erscheinen des früheren Textes vergangen sind.
Café Morgenland, 20. Mai 2012

Heil, wie ... Heiligendamm
Nationalrevolutionäre Sammlung an der Ostsee
Noël Martin lebt in Edgbaston, einem Stadtteil von Birmingham. Als Bauarbeiter arbeitete er leider auch mal in Deutschland, genauer: auf ostdeutschen Baustellen. Bis zum Juni 1996.
Als die Beschimpfung "Nigger" nicht mehr ausreichte, ging der Mob in Mahlow (Brandenburg) zum Angriff über. Noël Martin und zwei Freunde saßen in ihrem Auto und wurden durch die Stadt gejagt. Ein Stein in die Heckscheibe und ein Baum brachten das Auto gewaltsam zum Stehen. Seitdem ist Noël Martin querschnittsgelähmt.
Ein Montageschlosser und ein Maurerlehrling wurden zu acht bzw. fünf Jahren Haft verurteilt. Mittlerweile sind sie wieder auf freiem Fuß und gehen wieder ihrer Arbeit nach. Deutschland liebt und braucht Wert- und Facharbeit.
In der Schweiz will Noël Martin in einigen Monaten sein Leben durch eine Gift-Spritze beenden lassen. "Sie haben mir alles genommen, mein Privatleben, meine Würde, alles." (siehe auch: www.Fluchschrift.net/deutsch/d070507.htm)
Der politische Arm des ostdeutschen Mobs mob-ilisiert gegen den G8 Gipfel. Im Gegensatz zu den Linksradikalen haben die Nazis ein Gespür für historische Daten. Am 8. Mai (Tag der Kapitulation Deutschlands) eröffnete die NPD auf einer Veranstaltung in Berlin die Kampagne gegen den G8-Gipfel."Gestern eine Niederlage. Heute eine Chance. Morgen ein Sieg" lautet ihre politische Stoßrichtung. Dazu Aufrufe im klassischen Antiimp-Jargon und bester antikapitalistischer Gewerkschaftstradition: "Nein zum G-8-Gipfel - für eine Welt freier Völker", "Zukunft statt Globalisierung - Arbeit für Millionen statt Profit für Millionäre", "Globalisierung stoppen - Kapitalismus abschaffen!"
Schon vor Jahren hat die NPD ihren Führungsanspruch bekundet: "Wir werden uns an die Spitze einer neuen deutschen Friedensbewegung und aller Globalisierungsgegner stellen" (Parteichef Udo Voigt).
Und dies gelingt ihnen zusehends. Die verhärteten Fronten werden aufgebrochen:
"Auch wenn wir als Verfasserinnen dieser Einladung aus dem linksradikalen Spektrum kommen, wollen wir an diesem Tag zusammen mit allen aktiv werden, die wie wir ihre Wut auf die Verhältnisse den Verantwortlichen am G8-Tisch zeigen wollen"(aus: Die Sternmarsch-Vorbereitung des dissent!-Netzwerkes)
*
Im Jahr der Deutschen (1989), als die hiesige Population sich wiedervereinigt, wieder gefunden hatte, als die Brüder und Schwestern - insbesondere in dem ostzonalen Bereich - nach Jahren der zwangsweisen Abstinenz die Früchte der wiedergewonnenen Freiheit genießen durften, fing es an im deutschen Lande für Migranten und Flüchtlinge gefährlich zuzugehen, mit Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime (Hoyerswerda, Lichtenhagen, Schönau usw.), mit Auslöschung von ganzen Familien (Solingen, Mölln...), mit Angriffen auf "Undeutsche", mit Verbrennungen von "Negern" und "Kanaken" (Lübeck in der Grevesmühlener Nachbarschaft) oder von libanesischen Kindern (Hünxe), mit volksfestartigen Pogromen gegen Roma und vietnamesische Familien (Lichtenhagen in Rostock). Das deutsche Treiben eskalierte seit dem besagten Jahr über 150.000-mal mit über 140 Toten. Allein im Jahr 2005 waren die "rechtsextremistische Straftaten" (Polizeijargon) auf 15.000 angestiegen. Letztes Jahr erreichten sie die inflationäre Zahl von 18.000.
Und mitten drin, im Eldorado der teutonischen Gewohnheitstriebe, das Land Mecklenburg-Vorpommern, eine küstenreiche, landschaftlich reizvolle und idyllische Gegend: "Gruselige Ostseeküste: Wenn die rechtsextremen "Jungs und Mädels" sich "austoben" auf der Insel Usedom und an Mecklenburg-Vorpommerns schöner Ostseeküste, dann kleben sie nicht nur rechtsextreme Plakate und Aufkleber, singen "Landser"-Songs am Strand-Lagerfeuer, treffen sich zu Aufmärschen und Demonstrationen, schreiben rechtsextreme Schülerzeitungen, Internetseiten oder die Postille "Der Inselbote" mit rassistischen, nationalistischen und revisionistischen Hetzparolen voll. Wenn sie sich richtig "austoben", gehen sie Asylbewerber aufschlagen oder alternative Jugendliche. Im schlimmsten Fall traten sie einen Obdachlosen tot, weil sie fanden: "Asoziale Landstreicher passen nicht in die Gesellschaft" (passiert im Juli 2000 in der als ,Kaiserbad' berühmten Touristenhochburg Ahlbeck)."(aus: "Mut gegen rechte Gewalt")
Misstraue der Idylle, sie ist ein Mörderstück (André Heller).
Die kulturelle Hegemonie von rechts ist gesetzt. Längst hat sich das spontane jugendliche "Austoben" und die einst ungelenke Form des Bürgerzusammenschlusses vor Ort eine rechte ideologische und organisatorische Infrastruktur geschaffen. Die national befreite Zonenideologie ist Praxis in großen Teilen Ostdeutschlands, "wo sich kaum noch jemand hintrauen kann, der auch nur ansatzweise ausländisch, oder was man dafür hält, aussieht", schreibt Forums-User "Pacific". Sein Onkel, ein eingebürgerter Deutscher, habe bei einem Auftrag seiner Firma im Osten das Hotel nach 18 Uhr nicht ohne Begleitung verlassen dürfen. "Auch seine japanischen und amerikanischen, genauso wie dunkelhäutige holländische und britische Kollegen mussten sich an diese Sicherheitsanweisung halten, da die Firma das freie Herumlaufen ihrer ausländischen Mitarbeiter für lebensgefährlich hielt. Internationale Großkonzerne haben schon seit Jahren diese hausinterne policy." (aus Spiegel-Online). Wenn Flüchtlinge dorthin gebracht werden, wird drohend auf die Hauswände die jüngste Erfahrung gesprüht: »Lichtenhagen! Solingen! Mölln! Wolgast?«
Wir sprechen von den Aufständischen in Grevesmühlen und Lichtenhagen, in Goldberg und Wismar, in Ahlbeck und Usedom, in Freiberg und Neubrandenburg, in Ueckermünde und Rügen und in vielen, sehr vielen anderen kleinen und großen Ortschaften, wo das Deutschsein wächst und eskaliert, wo der rassistische und antisemitische Angriff gedacht, gefördert, vollzogen und gewählt wird. Die NPD erreichte bei den letzten Landtagswahlen manchenorts traumhafte 12%, 13% oder 18% der Stimmen und zog mit 7 Komma paar Skinheads Prozent ins Schweriner Landesparlament ein.
All das ist lokal und global bekannt - wer erinnert sich nicht an den weltweiten medialen Erfolg eines Sohnes dieses Bundeslandes, den Lastwagenfahrer aus Rostock, der vor all zu viel Begeisterung (oder "innerem Reichsparteitag", wie die Alltagsdeutschen zu sagen pflegen) im Anblick des brennenden Heimes der Vietnamesen in Lichtenhagen die automatische Armerhebung vollzog und in seine Jogginghose pisste, die er unter dem Schwarz-Rot-Gold-T-Shirt trug.
Dort mobilisieren jetzt sowohl die Neo-Nazis als auch die linken Gegner des G8-Gipfels. Somit entsteht eine bilderbuchmäßige Situation, wo die begehrte Braut (rassistischer Mob) von beiden Lager für Heiligendamm (neben Bad Doberan) umworben wird. "Die Gemeinde Bad Doberan in Mecklenburg-Vorpommern hat Adolf Hitler nach 75 Jahren die Ehrenbürgerschaft aberkannt. Der Bürgermeister hofft nun auf ein Ende der Diskussionen vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm". Nun können die Linksdeutschen auch dort bedenkenlos mit den regionalen Neo-Führern mobilisieren bzw. ihren Gottesdienst am 3.6. abhalten.
Die Linke trommelt mit rührseligen Parolen, die bis vor einigen Jahren jeden Linksradikalen den Kopf schütteln ließen (heute wird mitgemacht): "Für einen schnellen und radikalen Wechsel zu den erneuerbaren Energien. Zusammen mit einer deutlichen Erhöhung der Energieeffizienz und der Umstellung auf ein nachhaltiges Wirtschaften können nur so ein gefährlicher Klimawandel und weitere Kriege um Öl- und Gasreserven verhindert werden". (aus: Zentraler Aufruf, 26.2.2007)
"Eine Einladung an alle, die sagen: "Ya basta! Es reicht! Eine andere Welt ist möglich!" Eine Welt der sozialen und ökologischen Gerechtigkeit, der gleichen Rechte aller, des Friedens. Heiligendamm wird ein Anfang sein. Unser Anfang." (aus: www-heiligendamm2007.de, Rostock, 15. April 2007) Diese Drohung, dass dies erst ihr gemeinsamer Anfang ist, ist durchaus erst zu nehmen.
Sie wollen die Statistiken der antisemitischen und rassistischen Angriffe nicht kennen, aber die apokalyptischen Reiter der Biologie-Statistik beten sie herunter:
"Wir alle kennen die erschreckenden Statistiken: eine Million Arten werden bis 2050 ausgestorben sein, seit 1980 wurden 19 der 20 wärmsten Jahre registriert, Grönland und die Antarktis schmelzen, Dürre, Überschwemmungen, Hungersnöte." (aus: dissent!). Bekanntlich schmelzen bei solchen Botschaften die Gefühle der deutschen Arten- und Naturliebhaber schneller als Antarktis und Grönland zusammen. Dabei wird das starke, mobilisierende Gefühl vermittelt, eine Schicksalsgemeinschaft anzugehören, die umzingelt wird - und zwar global (wie immer) - von Industrie-Abgasen, Jahrhundertflut und Ozonloch, die die heimische Artenvielfalt und die deutsche Wälder zerstören. exakt bis zum Nostradamus-light-Jahr 2050. Eine krude Endzeitstimmung (Klimawandel, Hühnerwahn und Rindergrippe oder Busverspätungen).
Und damit niemand übersehen kann, dass all das in Deutschland stattfindet, werden die üblichen gruppentherapeutischen Maßnahmen ergriffen:
"Seminarreihe März bis Mai 2007: ".Was ist überhaupt unter dem Begriff Globalisierung alles zu verstehen? Wer profitiert bisher und wer sind die Verlierer? Kann es jeden treffen - also auch mich? Oder ist jeder seines eigenen Glückes Schmied? Was kann ich schon tun? . Wir freuen uns auf jeden kritischen Seminarteilnehmerin, entweder zu einem speziellen Abend oder als interessierte Begleiterin. Intensiv-Workshop + Aktionstraining" (Attac Dresden)
oder die Simultan-Prügel-Variante: "...Dafür ist es wichtig, dass sie verschiedene Aktionsformen kennen lernen, darüber reflektieren und sie durchführen können. Ein Aktionstraining, um verschiedene Blockadeformen zu üben, sowie hilfreiche praktische Tipps und juristische Infos runden diesen Workshop ab." (www.blockaid.org)
Während die außerparlamentarische Bewegung sich in den jeweils geeigneten Protestformen für den großen Showdown übt, "entlarvt" die parlamentarische Linke ihren antikommunistischen und antikapitalistischen Reflex, um das Ost-Klientel zu bedienen:
"Im Namen der Sicherheit der >freien Welt< ausgerechnet in der ehemaligen DDR ein solches Sperrwerk zu errichten, ist entlarvend" (Ulla Jelpke, Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag).
Andere wiederum üben sich in obskurer Logik, um ideologische Bauchschmerzen zu verdrängen und den Drang nach Mitmachen zu rechtfertigen: "Den Deutschlandgipfel der G8 zum Anlass für radikale Gesellschaftskritik zu nehmen, bedarf der zweifachen Rechtfertigung. Gegen die kritischen Kritiker allen globalisierungsbewegten Protestes gilt es den bürgerlichen Standpunkt stark zu machen: Gerade weil die Regierungschefs, die in Heiligendamm zusammenkommen, sich selber als Repräsentanten einer Volkssouveränität begreifen, ist folglich der Protest des "Volkes" gegen solche Treffen eine völlig legitime Angelegenheit. Rein formell ist er weder a priori reaktionär noch latent antisemitisch sondern vollzieht sich in Gänze innerhalb eines bürgerlichen Paradigmas." (autonome antifa (f), Dez. 2006).
"Rein formell" ist das Ganze "weder a priori reaktionär noch latent antisemitisch sondern vollzieht sich in Gänze innerhalb eines" volksgemeinschaftlichen Urinstinkts. Sie müssen von Glück reden, dass die Regierungschefs, sich nicht als Repräsentanten einer Nazisouveränität begreifen, sonst hätten sie sich - nach dieser Logik - als Nazis outen müssen.
Das Schicksal der Flüchtlinge bleibt für sie eine Fußnote im globalen Kampf gegen staatliche Standortfragen, damit sie kein einziges Wort über die unmittelbare Lebensbedrohung der Flüchtlinge, dem Objekt der Begierde (deutsche Bevölkerung) verlieren müssen: "Und wir werden unsere Anwesenheit in Mecklenburg Vorpommern nutzen für Aktionen gegen menschenunwürdige Flüchtlingslager, Nazistrukturen, Gentechnik-Felder und Militärstandorte. Alles für Alle! Make capitalism history!" (ak internationalismus (münchen), radikale linke (nürnberg), revolutionäre aktion (stuttgart), libertad!süd)
Der inzwischen inflationäre Populismus braucht das Hantieren mit faschistischem Gedankengut zwangsläufig: "Das gesamte Gipfeltreffen wird etwa 40 Millionen Euro kosten, alleine der Zaun dürfte mit zehn bis 14 Millionen Euro zu Buche schlagen. Den Landespolitikern Mecklenburg-Vorpommerns stehen wahrscheinlich jetzt schon die Haare zu Berge: Sie befürchten, dass das arme Bundesland auf Kosten von etwa 30 Millionen Euro für das Spektakel von Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzen bleibt." (aus: dissent!).
Wobei die NPD-Variante erfrischender ist: "Bekloppt! 116.000 Euro für Gipfel-Logo", heißt es auf der NPD-Sonderwebsite "gib8". Bereits im vergangenen November war die NPD-Fraktion im Schweriner Landtag ihren Linken zuvor gekommen und hatte den Antrag gestellt, den Gipfel vom 6. bis 8. Juni aus Kostengründen abzusagen.
Nicht nur die Kritik an den Kosten einigt rechts und links, sondern auch Antisemitismus und Rassismus werden diskursiv verhandelt:
"Eine 'deutsche Volksgemeinschaft', antisemitische Verschwörungstheorien und rassistische Ausgrenzung sind keine Lösungen, sondern Teil des Problems!" (aus: Gemeinsame Erklärung gegen Nazis, www-heiligendamm2007.de). Die Frage, ob Auschwitz damals oder die Verbrennungen von Flüchtlingen heute, eine Lösung sein könnte, ob dies nach Erwägung aller Pro und Kontras eine Alternative wäre, zeigt die moralische Verkommenheit der Verfasser.
Das "Problem" der sozialen Frage und Vernichtung wurde schon einmal zugunsten des national-sozialen Volksstaates gelöst. (Götz Aly: Hitlers Volksstaat)
Diese Dialogangebote wirken: Während man früher die Nazis gesucht und gejagt hatte, ist man heute froh, wenn sie einem nicht direkt in die Arme fallen: "Wie können wir praktisch verhindern, dass die Neonazis sich an den Protesten beteiligen?" (aus red side, Veranstalterinnen: Autonome Jugendantifa, organisierte autonomie (OA), ['solid] Nürnberg) oder "Die Neonazis müssen dort, wo sie versuchen sich Protesten gegen den G8-Gipfel anzuschließen, ausgeschlossen werden" (aus: Gemeinsame Erklärung gegen Nazis, www-heiligendamm2007.de)
All das in einer Gesellschaft, deren Ursprung der Vollzug eines unvorstellbaren Verbrechens war, wo praktische Vernunft, Humanität, Moral oder Hemmungen keine Tradition haben, wo diese Bändigungsinstrumente sich in einem aussichtslosen Konkurrenzkampf gegen den deutschen Instinkt befinden.
Was sich da bewegt und aufbauscht ist nichts anders als nationalrevolutionäres Getue, ist nichts als die von der Entstehungsgeschichte dieser Gesellschaft befreiten und normalisierten Linke, eine die diese lästige Vergangenheit wörtlich links liegen ließ, um sich (endlich wieder) den großen Problemen der Menschheit widmen zu können.
Es ist die Wiedererweckung der Begegnungslinken, eine Mischung aus Friedens- und Ökologie-Innerlichkeiten, eine Paarung aus Esoterik und Weltuntergangsstimmung, eine Synergie aus nationalem Sumpf und deutsch-revolutionärer Romantik. Zusammengeschweißt durch Antisemitismus, Antizionismus und Antiamerikanismus.
Das ganze stramm organisierte Spektakel der Gefühlsduselei ist die WM der Linksdeutschen, manches abgeguckt, manches selber kreiert. Ob sie dabei auch organisatorische Maßnahmen ergriffen haben wie ihre Vorbilder, die zum Schutz der ausländischen Mannschaften diese im Westen (mit einer Ausnahme) einquartieren ließen, wissen wir nicht, empfehlen wir aber unbedingt.
Sie wittern ihre große Chance, der Welt ihre ganzen Fähigkeiten und ihre avantgardistische Rolle zu zeigen: Beste Organisation, beste Vorbereitung, beste... alles vom Feinsten (made in germany).
Und weil bekanntlich am deutschen Wesen die Welt genesen soll, reisen zahlreiche linksdeutsche Delegationen aller Couleur ins Ausland, um für die Antiglob-Mobilisierung zu werben. Ohne nur ein Wort über die Zustände, in denen sich ihre Gäste bewegen werden zu verlieren. Ohne auch nur die allseits bekannten Fakten über die Taten der mitdemonstrierenden Masse anzudeuten, weil wohl ähnliche Reaktionen zu befürchten sind, wie die "imageschädigende" Diskussion, die kurz vor dem WM-Start über die "national befreiten Zonen" stattgefunden hatte. Ohne sich ein Dreck darum zu kümmern, dass in den meisten Ländern, wo sie ihre Mobilisierungsveranstaltungen abhalten, Mobilmachungen von ihren Vorfahren stattgefunden haben - mit heute noch unvergesslichen Spuren.
Es handelt sich eben um die linke Variante der Globalisierer, die die regionalen, besonderen politischen Gegebenheiten ignorieren, ob Genua, Petersburg oder Heiligendamm - ganz egal. Im Ausland vollziehen sie den internationalen Akt, damit sie zu hause umso mehr ihrem nationalen Alltag nachgehen können. Deswegen interessiert es sie nicht, dass sie hier mitten im Mörderstück stehen und einen weiteren Akt mit inszenieren.
Und die "Kritiker"? Ein Blick auf manche Verlautbarungen (z.B. aus dem antiislamischen Lager), zeigt das Ausmaß der Abstumpfung dieses Milieus: Die antiislamische Linke spart in ihrer Kritik an dem Anti-G8-Protest die rassistischen Verhältnisse komplett aus. Ganze Text