Eingelesen: Lampedusa in Hamburg zu einigen Argumentationen

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Die Gruppe Lampedusa in Hamburg mit einer Veröffentlichung aus dieser Woche. (Eingelesener Text)
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mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 06.12.2013 / 20:20

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Entstehung

AutorInnen: Nachmittagsmagazin für subversive Unternehmungen; nfsu
Radio: FSK, Hamburg im www
Produktionsdatum: 04.12.2013
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Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Kommentar zum Angebot des Senats
Publiziert am 2.12.2013 von lampedusa-in-hh

Wir wollen hiermit noch einmal den „Vorschlag des Senats“ aus rechtlicher und menschlicher Sicht kommentieren, da es viel Verwirrung darum gab, dass dieser annehmbar sei.

In der jetzigen Form bietet der Vorschlag, entgegen den Aussagen der Senatsmitglieder und der Abgeordneten der SPD, keinerlei rechtliche Sicherheit und auch keine Lebensperspektive für die Gruppe Lampedusa in Hamburg.

Der Senatsvorschlag beinhaltet, dass wir Flüchtlinge der Gruppe Lampedusa in Hamburg einzeln Anträge auf Aufenthalt stellen und dann eine Duldung für die Dauer des Verfahrens erhalten sollen. Das Verfahren kann durch sämtliche gerichtliche Instanzen und den Eingabeausschuss bis zu drei Jahren dauern.

Eine gemeinsame Grundlage für die Entscheidung soll es in diesem Verfahren nicht geben, d.h: es wurden keine die gemeinsame Fluchtgeschichte der Gruppenmitglieder betreffenden Kriterien benannt, bei deren Erfüllung ein Bleiberecht erteilt werden soll. Vielmehr wurde durch Behördenvertreter sowie Senatsmitglieder und Oberbürgermeister Scholz immer wieder darauf hingewiesen, dass gemäß der alle Mitglieder der Gruppe betreffenden gemeinsamen Fluchtgeschichte kein Recht auf Aufenthalt erteilt werden soll und die Anträge dem entsprechend negativ beschieden werden würden.

Was also bleibt, ist das Angebot einer Duldung für die Dauer des Verfahrens. Eine Duldung bedeutet jedoch nichts weiter als einen befristeten Schutz vor Abschiebung. Eine Duldung kann jederzeit widerrufen werden und beinhaltet keine Arbeitserlaubnis (bzw. frühestens nach 1 Jahr) oder weitere Rechte. Viele Flüchtlinge leben seit bis zu zwischen 10 und 20 Jahren mit einer Duldung in bundesdeutschen Flüchtlingseinrichtungen. Sie verzweifeln, da sie keine Lebensperspektive haben und nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Durch eine am 1. Dezember 2013 in Kraft tretende Neuregelung des Asylverfahrensgesetzes besteht zudem die Gefahr, dass die behördliche Zuständigkeit für die Mitglieder der Gruppe zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg wechselt. Dadurch könnten dann sämtliche Versprechungen aus Hamburg hinfällig werden.

Während des Verfahrens, das der Senat vorschlägt, sollen wir als Antragsteller vermeintlich vor Abschiebung geschützt sein und nach neun Monaten eine Arbeitserlaubnis erhalten können. Eine Arbeitserlaubnis wird aber nur dann erteilt, wenn für die jeweilige Arbeitsstelle keine bevorrechtigten Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Das bedeutet, dass wir mit einer Duldung faktisch keine Chance auf eine Arbeitserlaubnis haben.

Für die Zusagen, insbesondere einer Duldung für die Dauer des Verfahrens – durch die parlamentarische bzw. Senatsebene wollten die Behördenvertreter in Gesprächen jedoch keine rechtsverbindliche Sicherheit geben. Da es in diesem Rahmen dazu schlicht und einfach keine rechtliche Möglichkeit gibt. Zudem haben sowohl Behördenvertreter als auch Senatsmitglieder und Oberbürgermeister Olaf Scholz immer wieder betont, dass letztendlich für uns nur eine Abschiebung nach Italien oder sogar in unsere Heimatländer beabsichtigt ist. Auch unsere AnwältInnen sagen, dass der vom Senat vorgeschlagene Weg für die meisten von uns früher oder später zu einer Abschiebung führt.

Rechtlich besteht die Gefahr, dass unsere italienischen Papiere ihre Gültigkeit verlieren, wenn wir uns auf das vorgeschlagene Verfahren einlassen. Mit den italienischen Papieren haben wir allerdings einen humanitären oder politischen Schutzstatus innerhalb der Europäischen Union erhalten. Wir sind als Kriegsflüchtlinge anerkannt. In Italien besteht jedoch keine Möglichkeit zu überleben, da der „EU Hilfsfonds für Libysche Kriegsflüchtlinge“ im Dezember 2012 auslief – und wir darauf folgend genötigt wurden das Land zu verlassen.

Wir fragen uns warum die politisch „Verantwortlichen“ versuchen mit faktisch nicht durchführbaren Vorschlägen bzw. nicht umsetzbaren Zusicherungen Verwirrung zu stiften.Der Senat kann sich nicht über die Gesetze stellen. Der Vorschlag beinhaltet Aspekte die den rechtlichen Regulierungen widersprechen. Der Gesetzgeber hat der Politik aber ein Gesetz an die Hand gegeben, um für bestimmte Gruppen und Situationen, ein vereinfachtes Verfahren für eine Gruppenlösung anzuwenden – das ist der §23 Aufenthaltsgesetz.

Gemäß Paragraph 23 des Aufenthaltsgesetzes kann uns ein Aufenthaltsrecht gegeben werden. Dieser Paragraph ist für Kriegsflüchtlinge gemacht und wurde in einer Vielzahl von Fällen bereits angewandt. Aufgrund humanitärer oder völkerrechtlicher Gründe kann demgemäß Gruppen mit einem gemeinsamen Schicksal ein Aufenthaltsrecht erteilt werden. Diese Regelung ist der rechtsstaatlich vorgesehene Weg für Menschen in unserer Situation. In einem Verfahren gemäß § 23 werden natürlich auch die Identitäten offengelegt. Dem Senat fehlt lediglich der politische Wille ihn auch bei uns anzuwenden.

Auch 111 AnwältInnen aus Hamburg haben auf einer Pressekonferenz und in einer Erklärung zum Ausdruck gebracht: „Wir fordern den Senat auf, hierfür (für die Gruppe Lampedusa in Hamburg) das vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Instrument des § 23 Aufenthaltsgesetz zu nutzen. Dies ist der einzige Weg, um den Betroffenen Gewissheit über ihr aufenthaltsrechtliches Schicksal zu verschaffen und klarzumachen, ob ein politischer Wille besteht, die humanitäre Notlage zu beenden.“

Die AnwältInnen stützen unsere Argumentation, große Teile der HamburgerInnen unsere Forderungen. Deshalb setzen wir uns weiter für eine Gruppenlösung gemäß § 23 Aufenthaltsgesetz ein und fordern den Senat auf sich auf einen ernstgemeinten Dialog einzulassen, anstatt Angebote zu machen, die nicht annehmbar und in der dargebotenen Form gar nicht umsetzbar sind.

Unsere Traumatisierung durch Krieg und Flucht und unser Recht auf Aufenthalt und Arbeit sowie ein menschenwürdiges Leben werden ignoriert. Eine Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben, hat uns der Senat zu keinem Zeitpunkt angeboten. Deshalb gibt es für uns nur die Möglichkeit das zweifelhafte Angebot des Senates abzulehnen.

Jeder von uns sehnt sich nach Ruhe, nach einer Normalisierung, nach etwas Stabilität und vor allem einer Perspektive und dem Ende der Unsicherheit. Wir stützen uns weiterhin gegenseitig und auf die Herzlichkeit und Aufrichtigkeit großer Teile der Hamburger Bevölkerung.