Ein Vorgeschmack auf den Ausgang des NSU-Prozesses + Auf nach Ochtendung!

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CM auf FSK 93.0 Megahetz(e) - Monatliche Kolumne des Café Morgenland - Mai 2014. Die heutige Kolumne des Café Morgenland ist ein Text aus dem Jahre 1995 mit einem aktuellen Vorwort.
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Entstehung

AutorInnen: Redaktion 3
Radio: FSK, Hamburg im www
Produktionsdatum: 05.05.2014
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Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Ein Vorgeschmack auf den Ausgang des NSU-Prozesses
Am letzten Freitag (am 2. Mai), wurde das Urteil im Prozess gegen neun Neonazis vor dem Landgericht Magdeburg gefällt. Sie hatten im September 2013 den „türkischstämmigen“ Betreiber eines Imbisses im Bahnhof von Bernburg überfallen und schwerverletzt (Er wurde ins künstliche Koma versetzt; über einen Monat kämpfte er im Krankenhaus um sein Leben). Sie traten mit ihren Stiefeln auf seinen Kopf ein und in sein Gesicht, auch dann, als er bereits reglos am Boden lag. Seine Freundin und ein „Inder“, der zur Hilfe kam, wurden ebenfalls angegriffen und verletzt.
Laut Urteil nun dürfen fünf der neun wie gehabt weiter morden: Sie wurden freigesprochen. Die restlichen vier bekamen vier bis acht Jahre Haft, was „bei guter Führung“ lediglich eine 3- bis 5-jährige Unterbrechung des Mordens bedeutet. Einen Mordversuch, gar aus rassistischen Gründen, erkannte – so die Urteilsbegründung – das Gericht nicht an; nur Körperverletzung. Und dies, obwohl es sich um stadtbekannte Neonazis handelt, die schon früher wegen ähnlicher Praktiken verurteilt worden waren.
Damit wird die Latte für eine als Mordversuch zu bewertende Tat so hoch gelegt, dass die Hinterbliebenen nur dann, wenn das Opfer restlos umgebracht worden ist, eine Chance auf juristische Gerechtigkeit haben. Aber selbst diese Chance ist gering. Denn weitere Entlastungsmerkmale – wesensbestimmend für Deutschland und seine Richter – kommen noch dazu: wie z.B. der Alkoholkonsum, wie ihn die Richter auch im vorliegenden Fall zu Gunsten der Angeklagten der Urteilsfindung maßgeblich zugrunde legten, und somit den Mördern zugleich eine überaus sinnvolle, zukunftsträchtige Handreichung leisteten, indem sie mit diesem Urteil deppensicher kundtaten, dass, wenn vor einem Mord bzw. Mordversuch ein Gelage begangen wird, ein Freispruch so gut wie sicher ist – die Unumgänglichkeit der strikten Einhaltung der Reihenfolge ist die alleinige Unbequemlichkeit.
Außerdem haben sie ja „nur“ versucht, einen „türkischstämmigen“ Imbissbetreiber zu ermorden und weitere Personen schwer zu verletzen. Das mit dem „nur“ meinen wir nicht mal ironisch. Gemessen an dem, was sie und Ihresgleichen sonst so veranstalten, damals wie heute, ist ihr Mordversuch an einen Kanaken fast eine Bagatelle.
Fast so harmlos also wie Beate Zschäpe´s Freizeitgestaltung in den Jahren 2000 bis 2007, für die sich zurzeit ihre Neonazi- und manche linksdeutsche Fans (http://www.redaktion-bahamas.org/auswahl...) ins Zeug legen, damit ein fairer Prozess für das NSU-Starlet sichergestellt wird.
Sie befürchten nämlich eine ungerechte, eine unangemessene Verurteilung, wobei sie sich wahrlich keine Sorgen diesbezüglich zu machen bräuchten: Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland kümmert sich die deutsche Justiz akribisch um faire Prozesse, Entlastungsindizien und milde Urteile (sollte es selbstverständlich ausnahmsweise überhaupt zu einer Verurteilung kommen), wenn es sich um Alt- oder Neonazis handelt. Daher braucht sie (Beate Zschäpe) weder die Unterstützung von Neonazis noch von linksdeutschen Advokaten, sie kommt auch ohne sie bestens aus, wie das aktuelle und fast alle vorangegangenen Urteile in solchen Fällen zeigen.
Ein Hinweis: Dieser, vom Magdeburger Landgericht am 2. Mai gefällte (Beinahe-) Freispruch ist nicht nur eine Ermunterung zu weiteren Morden, sondern auch ein Vorgeschmack, sozusagen das Entree zum Haupt- und Ausgang des NSU-Prozesses, der noch bevorsteht.
Was übrig bleibt, ist ein verstümmelter „Türke“, dessen linkes Auge irreparabell beschädigt ist, und der sein Leben lang an Kopf- und Schulterschmerzen leiden wird. Denn sein Kopf sei deformiert, da sein Schädeldach bei der Attacke gebrochen worden sei, schreiben die Berichterstatter hygienisch.
Es sieht so aus, dass die Zeit in Deutschland wiedermal stehen geblieben ist. Nur seine Richter und Henker sind im Durchschnitt vielleicht ein bisschen jünger, aber mit Sicherheit ideologiekritischer geworden.
Sonst hat sich nichts geändert. Daher ist es angebracht, einen 19 Jahre alten Text über die Postauschwitz-Justiz samt ihrem ländlichen und urbanen Umfeld in Erinnerung zu rufen:
http://www.cafemorgenland.net/archiv/199...
Café Morgenland, 4.5.2014

Auf nach Ochtendung!

Am 13. Oktober 1943, in der italienischen Kleinstadt Caiazzo, 80 Km nördlich von Neapel, haben deutsche Soldaten der Wehrmacht unter dem Kommando des Leutnants Wofgang Lehnigk-Emden 7 Zivilisten

(4 Männer, 2 Frauen und einen 14-jährigen Jungen) hingerichtet, weil sie angeblich versucht hatten, den herannahenden Amerikanern Lichtzeichen zu geben.

Wenig später metzelten sie weitere 15 Menschen - 5 Frauen und 10 Kinder - mit Handgranaten, Bajonetten und Pistolen nieder.

Das jüngste Opfer, die kleine Elena, war gerade 3, das älteste 77 Jahre alt.

Die Augenzeugen, die das Massaker damals entdeckten, berichten von zerstückelten Körperteilen, von vergewaltigten und anschließend mit Bajonetten verstümmelten Frauenkörpern.

Am 1. März 1995 erklärte der Karlsruher Bundesgerichtshof (BGH) die Greueltaten des Leutnants Wolfgang Lehnigk-Emden für verjährt.

Begründung - die Verjährungszeit läuft ab dem Zeitpunkt des Massakers und nicht erst ab dem Zeitpunkt der Konstituierung der BRD. Denn - laut BGH-Urteil - hätte die Wehrmacht dies gewußt, hätte sie das Massaker bestraft ! Mit anderen Worten, es wird der Wehrmacht Rechtstaatlichkeit, Humanität und Gerechtigkeit bescheinigt!

Somit wird von der höchsten Instanz der BRD wieder einmal die Revision der Geschichte und die gleichzeitige Reinwaschung der Vernichtungsfeldzüge der Wehrmacht gegen die Zivilbevölkerung in den eroberten Ländern vorangetrieben.

Zur Erinnerung: Dem Ex-Minister für Staatssicherheit der Ex-DDR und Politbüromitglied der SED, Erich Mielke, wurde wegen des ihm angelasteten Mordes an zwei Polizisten aus dem Jahr 1931 (!) keine Verjährung eingeräumt.

Der Kriegsverbrecher Wolfgang Lehnigk-Emden lebt als angesehener Architekt, als SPD-Kommunalpolitiker, als Aktiver der Arbeiterwohlfahrt, als Mitgründer des örtlichen Verbandes der Kriegsopfer und Hinterbliebenen und als Präsident der "Großen Ochtendunger Karnevalsgesellschaft" im rheinland-pfälzischen Ochtendung.

Er muß ganz zufrieden sein. Nicht nur wegen des Urteils. Das ganze Dorf - insbesonderes nach Bekanntgabe seines Verbreches - steht voll auf seiner Seite: ein sicheres Hinterland! Ein Fernsehteam, das im Dorf drehen wollte, ist von der dort ansässigen Volksgemeinschaft verjagt worden.

Hervorzuheben wäre seine Beliebtheit als Karnevalspräsident. Das einzige was sie deswegen bedauern und unverhüllt vor den Fernsehkameras äußern ist, daß er wegen dieser "Anschuldigungen" als Vereinspräsident zurücktreten mußte. Und daß ihr Dorf jetzt in die Schlagzeilen geraten ist. Sonst keine Probleme: "Es war schließlich Krieg" und "was wollen Sie denn?".

Sein Sohn wundert sich über die Reaktion der Angehörigen der Opfer:"Diese Itaker(= Schimpfwort für Italiener, d.V.) sind zu emotional". Er will damit sagen, daß sein Volk schon andere zahlenmäßig größere Verbrechen veranstaltet hat. Und jetzt wegen 22 Zivilisten so viel Wirbel !

Die SPD wollte ihre Entscheidung - ob er aus der Partei ausgeschlossen werden soll oder nicht - vom Urteil des BGH abhängig machen. Schließlich kann man verdiente Kommunalpolitiker nicht so einfach hängen lassen. Das Urteil ist gefällt, er kann bleiben.

Auch der Karnevalsverein kann aufatmen. Sein Organisationstalent und seine -erfahrung eignen sich für beides: für Vernichtungsfeldzüge und für Faschingsumzüge; beides für das Gemüt der deutschen Heiterkeit. Seine "Tapferkeit" hat sich wieder gelohnt ("Hätte ich gewußt, daß man mich später dafür einsperrt, hätte ich noch viel mehr Leute umgebracht", prahlte er vor seinen Mitgefangenen als er von den Amerikanern verhaftet wurde).

Für diese 14-tägige Gefangenschaft hat Wolfgang Lehnink-Emden beim BGH Haftentschädigung beantragt !

Nach der umfangreichen Berichterstattung des "BGH-Skandals" in der deutschen Presse herrscht wieder Ruhe im Land.

Wir können es ebenfalls ruhen lassen. Oder unbedingt dafür sorgen, daß das Verbrechen nie vergessen wird. Daß der glückliche Ochtendunger Mob nicht ohne weiteres zur Ruhe kommt.

Wir haben uns für das zweite entschieden.

Wir, u.a. MigrantInnen aus Ländern, in denen die deutsche Wehrmacht gewütet hat (in Griechenland z.B. wurden für jeden von den Partisanen getöteten deutschen Soldat 10 Zivilisten umgebracht, für jeden getöteten deutschen Offizier ALLE EinwohnerInnen des am nächstliegendes Ortes - meistens Frauen, Kinder und ältere Menschen, die nicht rechtzeitig fliehen konnten - umgebracht und der Ort dem Erdboden gleichgemacht), werden dafür sorgen müssen, daß das Verbrechen, der Verbrecher, seine BeschützerInnen und das Land, das sie beherbergt, vorgeführt werden.

Sie haben dafür gesorgt, daß es durch ihre Greueltaten keine Überlebenden gab. Die Annahme, daß sie dadurch in Ruhe gelassen werden, erweist sich als Trugschluß: Sie werden immer und immer wieder mit den Nachkommen ihrer Opfer konfrontiert.

Denn noch gibt es diese Chance der Offenlegung des Deutschtums und seiner Verbrechen. Noch können sie sich mit Kriegsverbrechern, die noch leben, identifizieren und somit ihre Vernichtungsbereitschaft artikulieren bzw. ihre "Normalität" bloßlegen.

Anläßlich des 8. Mai, 50 Jahre nach der Kapitulation Deutschlands und seiner Volksgemeinschaft (erbitterter Widerstand bis zum Ende), 50 Jahre nach der Befreiung der überlebenden KZ-Häftlinge und der besetzten Länder, wollen wir dorthin gehen zu demonstrieren, wo konkret der nachträgliche Sieg über die Geschichte dieser Population artikuliert wird.

Dort, wo die Zeit (immerhin 50 Jahre danach) keine Risse in der Kontinuität des völkischen Zusammenhalts erzeugt.

Daher wenden wir uns an alle, die das Ganze nicht einfach hinnehmen wollen mit der Aufforderung, gemeinsam am 7. Mai 1995, vor Ort (Ochtendung) zu demonstrieren.

Kein Verjähren, kein Vergeben, kein Vergessen!

MigrantInnengruppen in der BRD





Kommentare
08.05.2014 / 15:20 zip_red_dd,
gekürzt übernommen
fürs zip-fm am 8.mai