Menschen von anderswo in Halle – eine Annäherung durch Radio

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Eindrücke und Ergebnisse eines Radio-Projekts von, mit und über Menschen von anderswo, die nun in Halle leben. Syrische SchülerInnen aus Halle-Neustadt und ihre Angehörigen erzählen von ihren Interessen, Wünschen und ihrer Lebenssituation und eröffnen einen Dialog, ob nun auf Deutsch oder in ihrer Muttersprache. Zusammen mit LehrerInnen, Elternvertretern, Studierenden und VertreterInnen verschiedener Institutionen zeigen sie, wie gegenseitiges Interesse und engagierte Zusammenarbeit zu einer erfolgreichen Integration beiträgt.
Audio
01:10:21 h, 56 MB, mp3
mp3, 112 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 23.10.2014 / 19:04

Dateizugriffe: 839

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Kultur, Jugend, in anderen Sprachen, Kinder, Wirtschaft/Soziales
Serie: andere Kulturen
Entstehung

AutorInnen: Beate Pfeiffer
Radio: corax, Halle im www
Produktionsdatum: 23.10.2014
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Etwa drei Millionen Menschen sind bislang vor dem Krieg in Syrien geflohen, die meisten in Nachbarländer. In Deutschland wurden bisher gut 25.000 syrische Kriegsflüchtlinge aufgenommen, einige Hundert von ihnen leben in Sachsen-Anhalt, viele von ihnen in Halle. Der Rückweg ist ihnen versperrt und so werden sie bei uns bleiben und Teil unserer Gesellschaft werden. Was aber wissen wir über diese Neuankömmlinge, abgesehen von einigen allgemeinen Informationen und etlichen Vorurteilen? Wenn überhaupt, begegnen wir den neuen Nachbarn eher auf der Straße, beim Einkauf, vielleicht auch im Hausflur. Aber wer fragt schon diese irgendwie „anderen“, „irgendwie fremden“ neuen Nachbarn danach, was sie in diese Stadt geführt hat, woher sie kommen und wie sie bisher gelebt haben, und was für Gedanken, Interessen und Fähigkeiten sie haben? Wie können wir letztlich die uns „fremden“ Neuankömmlinge als Leute „wie uns“ begreifen, die uns nicht fremder sind als all die anderen, unbekannten Leute, die mit uns in der Stadt leben? Wieviel trennt uns, was verbindet uns alles? Und: wie sollen wir Antworten darauf finden, wenn wir nicht die Möglichkeit oder die Zeit haben, selbst mit „den anderen“ ins Gespräch zu kommen?
Das Radio kann hier helfen, Anknüpfungspunkte zu schaffen, erste Antworten auf verschiedene Fragen zu geben oder Anlass zu neuen Fragen geben. Während eines Radio-Projekts trafen wir uns mit Kindern und Jugendlichen der Migrantenklasse an der Gesamtschule Kastanienallee in Halle-Neustadt. Die meisten von ihnen sind vor wenigen Monaten aus Syrien gekommen und sind ohne Vorbereitung in eine ungewohnte, fremde Umgebung mit fremder Sprache hineingeworfen worden. Wir begleiteten sie beim Deutschunterricht, bei einem Ausflug in den Zoo und bei ihren Vorbereitungen für einen Projekttag der Schule. Ihre Angehörigen nutzen Angebote Ehrenamtlicher, in den Räumen der Schule Deutsch zu lernen. Wir wollen aber auf Radio CORAX nicht nur „über“ andere Leute reden. Vielmehr nehmen diese „anderen“ Leute, diese unbekannten Hallenser, selbst das Mikro in die Hand und treten als Individuen in Erscheinung, die nicht nur von sich selbst erzählen, sondern zunehmend beginnen, an ihre Umgebung Fragen zu stellen. Eine Krankenschwester aus dem Irak erzählt von ihrem Leben, syrische Kinder und Jugendliche erzählen von ihren Zukunftsplänen, fragen neugierig andere Hallenser über Musik und Sport aus oder singen einfach ihre Lieblingslieder. Das Radio gibt ihnen eine Stimme und gibt vielleicht nicht nur ihnen erste Anreize für besseres Kennenlernen.
Deutlich wird: Nicht nur der Alltag oder das Interesse an Musik und Sport verbinden uns. Auch die Erfahrung des „Fremden“, des Fremd-Seins und der Umgang damit ist uns gemeinsam. Die uns Fremden sind im Gespräch untereinander selbst zunächst auch fremd, müssen einander kennenlernen, müssen das Gefühl des Fremdseins und Sprachbarrieren überwinden. So wie Berivan Y.* aus der Türkei und Amina F.* aus dem Irak. Die eine spricht Kurdisch und Türkisch, die andere Arabisch und Englisch. Mit Hilfe ihrer noch etwas mühsamen ersten Deutschkenntnisse gelingt ganz unspektakulär ein erstes Gespräch über gemeinsames.
Amina F.* (Irak): Mein Name ist Amina F. Ich komme aus dem Irak. Ich bin 2 Jahre in Deutschland.
Berivan Y.* (Türkei): Wieviel Kinder hast du?
AF: Ich habe sechs Kinder.
BY: Ich habe drei Kinder, drei Söhne.
[...]
BY: Ich bin Hausfrau von Beruf.
AF: Ich - Beruf ist Krankenschwester.
BY: Bei Irak?
AF: Ja, bei Irak. (fährt auf Arabisch fort) Also, ich werde jetzt ein bisschen über mich auf Arabisch reden. Ich komme aus dem Irak und bin geflüchtet, nachdem sie meinen Mann ermordet und das Auto meines Sohnes angezündet haben. Sie haben uns unser Haus genommen und mein Auto. Meine Tochter haben sie verhaftet, bis wir Lösegeld bezahlten und meine Tochter wieder zurückkehrte –
BY: (unterbricht sie lachend auf Deutsch): Ich verstehe nicht Arabisch!
[...]
Am Ende dieser kurzen Radiosendung werden nicht alle Fragen beantwortet sein. Im besten Fall wird es Anregungen zu neuen Fragen geben.
Eindrücke, Ausschnitte und Ergebnisse eines Radio-Projekts von, mit und über Menschen von anderswo, die nun in Halle leben. SchülerInnen der Gesamtschule Kastanienallee und ihre Angehörigen erzählen von ihren Interessen, Wünschen und ihrer Lebenssituation und eröffnen einen Dialog, ob nun auf Deutsch oder in ihrer Muttersprache. LehrerInnen, SchülerInnen und ihre Eltern, Elternvertreter und Studierende sowie VertreterInnen verschiedener Institutionen zeigen, wie engagierte Zusammenarbeit zu einer erfolgreichen Integration beiträgt.
*Namen wurden von der Redaktion geändert.