Pegida auf die Couch?

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Erst war Pegida für alle nur pfui, doch dann wird die CSU mit jedem Tag immer einfühlsamer mit Leuten, die andere verbieten wollen... Der Kommentar versucht einen kleinen Leidfaden zu geben, was mensch nach Meinung des Autors im Umgang mit dem Phänomen Pegida so alles falsch machen könnte. Es ist eine persönliche Meinungsäußerung.
Audio
06:50 min, 6412 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 20.12.2014 / 10:44

Dateizugriffe: 35

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Religion
Serie: Morgenradio
Entstehung

AutorInnen: Jan Keetman
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 20.12.2014
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Ist das nötig, dass nun auch noch jemand auf Radio Dreyeckland einen Kommentar zu Pegida abgibt? Ist es nicht eher das Problem, dass die Pegidaisten aufgewertet werden, weil alle von Ihnen sprechen? An beidem mag etwas dran sein, aber der Kollateralschaden einiger Anmerkungen auf diesem Sender mag auch überschaubar sein.



Montag für Montag schauen nun die Medien wie gebannt, was da kommt und es kommen immer mehr, vermutlich auch weil alle mit Grausen hinschauen. Für Leute, die wahrgenommen werden wollen, prickelt das doch geradezu.



Dabei ist dieser Massenauflauf gar nicht so überraschend. Wenn Fremdenfeindlichkeit in diesem Lande selten wäre, hätte das die CDU nicht jahrzehntelang so oder so in ihre Wahlkämpfe eingebaut. Thilo Sarrazins Bücher blieben einfach in den Regalen liegen. Die Pedigaistik und ihr Zulauf sind nicht in einer kalten Nacht vom Jupiter gefallen. Wahrscheinlich kommt jetzt noch mehr davon. Wir sollten denen nicht den Gefallen tun, jedes mal mit großem Plomb darüber zu erschrecken. Prädikat: wenig hilfreich.

Die etablierten Parteien haben zunächst unisono ablehnend reagiert. Ein wenig politische Reife hat das System doch oder ist es nur eben ein wenig träge? Doch da sich Pegida nicht einfach wegschelten lässt, kommen zur Ablehnung nun Ängste und Begehrlichkeiten. Schon beginnt man den Blauen Anton des Sozialarbeiters überzustreifen, um sich der Pegida-Masse doch noch mit Verständnis nähern zu können. Im Aggressor wird das Opfer gesucht: Die Leute werden ja von diffusen Ängsten getrieben. Wenn sie überhaupt etwas ausplaudern, dann nennen sie soziale Gründe, etwa Angst um die Rente oder politische Gründe, Angst vor einem Krieg mit Russland etc. Muss man da nicht Verständnis für haben? Überlässt man die berühmte Mitte der Gesellschaft da nicht Rattenfängern vom rechten Rand, indem man die Ängste der Leute nicht gebührend ernst nimmt?



Von solch einfühlender De-Maizieristik wird hier ebenfalls dringend abgeraten. Wer für seine Rechte demonstriert, mit dem kann Mensch sich auseinandersetzen, wer aber dafür demonstriert, dass anderen Rechte genommen werden, damit ihm etwas gegeben wird, hat Verständnis nicht verdient. Außerdem wetten wir, dass auf diese Weise die ganze Pegidaistik nicht geringer wird. Erfolg einer Methode schreckt nicht von ihrem Gebrauch ab. Wenn die Leute Probleme haben, dann sollen sie dafür auf die Straße gehen und nicht gegen andere.

Der nächste Fehler, den mensch begehen kann, ist zu glauben, der Spuk werde verschwinden, wenn man den Leuten nur den Unsinn ihrer Forderungen an Zahlen klar macht. Die Islamisierung Europas steht nicht vor der Türe, am wenigsten in Sachsen. Zuwanderung nützt der Volkswirtschaft unter dem Strich erheblich, der Luxus in den Asylbewerberheimen ist ein durchschaubares Ammenmärchen. Aber wollen die das überhaupt wissen? Es ist nichts dagegen einzuwenden, auch mal eine Statistik auszupacken, um den Demagogen nicht einfach das Feld zu überlassen, aber viel sollte man sich davon nicht erwarten. Am Ende besteht noch die Gefahr, dass man über den Zahlen wesentliches vergisst.



Ressentiments sind nicht die Folge falscher Informationen. Es gibt einfach eine Disponiertheit zu Ressentiments. Wenn man mit so Leuten diskutiert, merkt man rasch, dass es bei ihnen ans Eingemachte geht, dass sie aus ihren Ressentiments Selbstwertgefühl ziehen. Und wenn man mit den Ressentiments noch erfolgreich politischen Druck aufbauen kann, um so besser. Nachgeben macht das alles nur schlimmer. In vielen Fällen sollte mensch den „diffusen Ängsten“ mit dem christlichen 11. Gebot antworten: Du sollst keine diffusen Aussagen machen und zur Weihnachtszeit nicht Omas erfinden, die sich kein Stück Stollen leisten können, weil das Geld an syrische Flüchtlinge gegeben wurde. Das mit der Oma ist übrigens keine Erfindung von Radio Dreyeckland, sondern wurde auf einer Pegida-Demo tatsächlich vorgebracht. Dass manche ältere Menschen eine Aufbesserung ihrer Rente vertragen könnten, soll damit nicht bestritten werden.

Die Pegida-Versammlungen richten sich einfach gegen die schwächste Gruppe im Lande, gegen die Flüchtlinge. Es ist schäbig. Aber Flüchtlinge sind nicht alleine betroffen. Millionen von Menschen ohne deutschen Pass bzw. mit nichtdeutscher Abstammung wird außerdem exemplarisch vorgeführt, dass sie doch irgendwie Menschen minderen Rechts sein können. Kleine Kinder fragen entsetzt: wollen die eigentlich, dass wir hier wegziehen?



Soll man Leute, die so etwas veranstalten, noch auf die politische Couch legen, um herauszufinden, wie sie vielleicht von diffusen Ängsten zu heilen wären? Ja, vielleicht eine Rentenerhöhung? Oder eine kleine Verschärfung ins Auffenthaltsrecht? Was darf es denn sein? Ein Roma-Abschiebungskompromiss à la Kretschmann vielleicht? Ach ja und natürlich die Moschee um die Ecke, die sollte verschwinden.



Doch Religionsfreiheit gibt es nur für alle oder es gibt sie garnicht. Wer heute gegen eine bestimmte Religion hetzt, der wird Dir morgen etwas anderes verbieten. Den Taliban und dem Islamischen Staat schadet so etwas überhaupt nicht. Sie haben nämlich mit Pegida etwas gemeinsam, dass sie nach Gelegenheiten suchen, sich als unterdrückt darzustellen. Über jede Demonstration gegen einen Moscheebau in Deutschland herrscht bei den Anhänger*innen des Djihad mindestens so viel Freude, wie über einen Selbstmordanschlag in Kabul.

Über Kritik am Islam wird versucht, Ausländerhetze in den politischen Salon zurückzuholen. Soll man den Leuten wirklich abnehmen, sie gingen auf die Straße, weil sie ernsthaft die Einführung der Scharia in Deutschland befürchten? Der Politik wäre dringend empfohlen, ihnen nicht den kleinen Finger zu geben. Bei so Leuten sind dann rasch auch die Hand und der Arm weg.



Abwarten bis sich der Spuk hoffentlich aufgrund seiner Erfolglosigkeit wieder verläuft? Leider ist das mit der Erfolglosigkeit in diesem Land nicht ganz gesichert. Bisher agiert die Führung von Pegida auch politisch clever. Was mensch tun kann und ohnehin sollte, ist sich für eine aktive Willkommenskultur einzusetzen. Warum sich nicht mit Flüchtlingen treffen, Initiativen, Vereine gründen? Es gibt ja auch einiges schon, wo mensch mitmachen kann. Die Leute, die fremdenfeindliche Ressentiments nötig haben, wird es weiter geben, aber es kann verhindert werden, dass sie alleine den Ton angeben.

Kommentare
21.12.2014 / 18:09 Timo, Querfunk, Karlsruhe
wird gesendet
23.12.14