Kommentar zum Weltwirtschaftsforum in Davos

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Upload vom 30.01.2015 / 15:54

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: Gleis 16
Entstehung

AutorInnen: Torben
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 30.01.2015
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Allen Ortens lese ich etwas über die Kompliziertheit unserer Welt.
Über Abläufe, die immer schwere zu durschauen sind.
Ob Autohändler, Krankenschwester oder arbeitsloser Jugendlicher.
"Sie alle eint das Gefühl", so schreibt Betina Gaus in einem Kommentar über die Pegia-Demos in der taz vom 22.1.15, "wenig oder zumindest nicht genug zu gelten in einer immer schwerer durchschaubaren Welt. Das ist deprimierend, natürlich."
Gegenfrage: War die Welt jemals leichter zu verstehen? Gab es eine Zeit, in der alle Menschen das Gefühl hatten, für das, was sie leisten, eine angemessene Anerkennung zu finden?
Wie wohl die Industriearbeiter im ausgehenden 18 Jahrhundert über die Welt nachdachten?
Oder die Kleinbäuerin in der Zeit der Feudalherrschaft?
Oder die Sklaven in den Südstaaten der USA?
Ob sie die Welt wohl besser verstanden haben?

Zu oft wird bei solchen Fragen die Zeit in Europa nach dem 2. Weltkrieg zitiert. Das Wirtschaftswunder. Soziale Marktwirtschaft. Gerechte Löhne. Sozialleistungen.
Da ging es den Menschen hierzulande doch gut, oder nicht?
Mag sein. Doch diese 30 Jahre sind die Ausnahme.
Der Normalzustand sieht anders aus. Brutaler. Ungerechter. Und anscheinend auch Komplizierter.
Es wird Zeit diese "ach so komplizierte Welt" nicht als mehr faulen Vorwand gelten zu lassen.
Dass die Welt kompliziert ist, rechtfertigt keine fremdenfeindlichen Demonstration, keinen vom Zaun gebrochenen Krieg gegen den Terrorismus, keine Sparmaßnahmen und keine Verschärfung des Asylrechts.
Zu viele Menschen geraten in Panik, wenn ihr Herd brennt. Statt die Flamme zu ersticken, bearbeiten sie das Feuer mit Wasser und ergreifen dann, wenn das Chaos perfekt ist, die Flucht.
Wie würden Maßnahmen aussehen, die nicht darauf zielen, unsere Lebensgundlage zu zerstören?

Fragen wir doch zur Abwechslung mal die Feudalherren, die Sklaventreiber und Industrie-Eigentümer.
Die treffen sich jedes Jahr in Davos, auf dem Weltwirtschaftsforum und diskutieren darüber, wie diese komplizierte Welt für sie ein bisschen angenehmer werden kann.
Dieses Schaulaufen weißer, erfolgreicher Männer ist ein entzückendes Schauspiel.
Das Publikum bekommt alles geboten.
Und Die Mächtigen dieser Welt ließen sich nicht lumpen. Trotz aller Hinweise auf Klimaschutz und Nachhaltigekit, verstopften 1700 Privatjets im Vorfeld von Davos den Luftraum. Luxus hat eben seinen Preis. Und es ist doch beruhigend, dass selbst die Superreichen dieser Welt vor einem Event wie dem Weltwirtschaftsforum im Stau stehen bzw. in endlosen Warteschleifen über dem Zielflughafen kreisen.
Damit die Teilnehmer in Davos auch wirklich daran arbeiten können, unsere Welt besser zu machen, wurden rund 5000 Soldaten dazu eingesetzt, jene viel beschworenen chaotischen Zustände von Davos fernzuhalten.
So ein paar ruhige Tage in der Alpenidylle. Das muss doch mal drin sein, oder nicht?
Für die notwendige Unterhaltung sorgte dieses Jahr übrigens die NRO "OXFAM".
Sie bescheinigte dem Weltwirtschaftsforum, in den letzten Jahren überragende Leistungen erbracht zu haben. In dem Bericht von OXFAM heißt es, dass ein Prozent der Menschheit über fast die Hälfte des globalen Reichtums verfüge, während sich die übrigen 99 Prozent mit der anderen Hälfte begnügen müssen.
Für die Herrschenden in Davos, die beim Anblick solcher Zahlen heimlich zur Sektflasche greifen heißt das: Alles richtig gemacht. Weiter so!
Natürlich hat mitlerweile auch schon die deutsche Polit-Elite festgestellt, dass sie, um Europa weiterhin zu dominieren, auf einem solchen Treffen präsent sein muss. So ist es auch nicht verwunderlich, dass dieses Jahr mehr deutsche Kabinetts-Mitglieder als je zuvor nach Davos gereist sind.
Gesundheitsminister Gröhe, Wirtschaftsminister Gabriel, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Innenminister Thomas de Maiziére und Entwicklungsminister Müller durften sich im sogennanten Speed-Dating Verfahren mit den Chefs von Nestlé, Novartis oder mit Bild-Verlags-Chefin Friede Springer darüber austauschen, wie sie diese Welt verbessen können. Nur wie sie das genau anstellen wollen, das soll anscheinend geheim bleiben.
Von einem überzeugenden Kurs-Wechsel, Umverteilungsprogrammen, Klima-Regelungen, demokratischer Kontrolle etc. ist nichts zu lesen.
Das wäre auch verwunderlich. Schließlich machen diese Leute da in Davos genau das, was von ihnen erwartet wird. Sie sahnen ab. Sie beuten aus. Sie herrschen.
Nicht etwa in Paris, in Dresden, in Donezk oder in Baga findet die Barbarei ihren Ausdruck.
Die Kompliziertheit der Welt, die so viele Menschen plagt, gipfelt in der grotesk erscheinenden Idylle von Davos.
Doch auch hier besteht Hoffnung:
Wenn alles nach Plan läuft, dann fährt der neue Manager des Weltwirtschaftsforums, Philip Rösler, seinen neuen Arbeitgeber noch schneller gegen die Wand, als er die FDP fertig machte.

Möge die Macht mit Ihm sein!

Kommentare
03.02.2015 / 09:23 Luca und Zabine, Radio Dreyeckland, Freiburg
gespielt im MORA am 3.2.
merci vielmals !!!