Über unbegründete Islamphobie und die Beschneidung unserer Freiheit

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Ein Kommentar über die Anti-Terrormaßnahmen seit 9/11, dem stetig wachsenden Hass gegenüber dem Islam, der auch durch unsere Medien geschürt wird. All das schlägt sich nun in Form von Stigmatisierung der Muslime in Europa, Fremdenhass in Form von PEGIDA und in Folge dessen in Radikalisierung junger Muslime (Islamischer Staat) nieder. Ein Kommentar über die Erschaffung des Feindbildes "Moslem" und einer nicht enden wollenden Gewaltspirale in Europa und dem Mittleren Osten.
Audio
14:27 min, 13 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 27.02.2015 / 12:58

Dateizugriffe: 796

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Religion, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Emanuel
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 27.02.2015
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Komplettes Transkript:

[YouTube: „President Bush - War on Terror Speech“ (00:00 – 00:31)]

Über unbegründete Islamphobie und die Beschneidung unserer Freiheit

Seit dem 11. September 2001 wissen wir alle, dass wir einer scheinbar ständigen Gefahr durch islamistischem Terrorismus ausgesetzt sind. Bereits am 20. September 2001 stimmte der damalige President der USA, George W. Bush, die Welt auf eine langwierige Kampagne gegen einen Feind ohne Flagge ein. Bereits im Oktober 2001 wurden etliche Anti-Terror-Gesetze verabschiedet. Jedoch nicht nur in den USA. Der Bevölkerung wurde durch Politik und Massenmedien eingetrichtert, dass diese Gesetze zu unserer eigenen Sicherheit und wegen ständiger Bedrohung nötig sind. Doch stimmt das denn? Könnte es nicht sein, dass dies nur eine Realität ist, die von den Medien durch fehlerhafte Einschätzung der Gefahren entstanden ist? Vielleicht sogar Kalkül ala „Terror Sells“? Denkbar, blickt man zurück auf den teils reißerischen Umgang der Mainstream-Medien mit dem Thema. Doch was sagt uns die Geschichte der letzten 14 Jahre über die tatsächliche Bedrohung durch den (islamistischen) Terrorismus? Blicken wir zurück...

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Wir schreiben den 11. September 2001: Vier Flugzeuge wurden von islamistischen Terroristen entführt und...

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Gleich vorweg: Nein! Dieser Beitrag wird nicht erneut das Thema 9/11 aufwirbeln und ihm neue Fakten oder Theorien hinzufügen. Wir alle sollten die offizielle Theorie zu den Geschehnissen vom 11. September 2001 kennen. Sie ist ja zur Genüge medial verbreitet und sogar im offiziellen 9/11 Commission Report niedergeschrieben worden. Diese Version gilt noch heute als das Alpha und Omega der Wahrheiten zu den Ereignissen an diesem denkwürdigen Tag, der die Welt veränderte. Alle anderen Theorien, seien sie noch so schlüssig und fundiert, wurden als völlig abstrus und haltlos abgetan oder wurden erst gar nicht ernsthaft diskutiert. Ob dieser Umgang mit diesen sogenannten Verschwörungstheorien nun zu Recht geschah, sei einmal dahin gestellt. Bis heute fordern viele Menschen eine erneute Untersuchung, die bisher jedoch verweigert wird. Wieso eigentlich? Was hätte man zu verlieren?

Dennoch: Nein! In diesem Beitrag wird es nicht wieder darum gehen, welche Fraktion der Theoretiker nun tatsächlich Recht hat. Hier sollen tatsächlich nur die politischen Folgen für uns alle bilanziert werden. Denn ob wir nun an eine Verschwörung glauben oder nicht, die Folgen dieses Datums betreffen uns alle. Und DAS ist keine Theorie. Eine nicht sehr gewagte Theorie wäre die Annahme, dass viele nicht einmal wissen, was im Eilverfahren nach den Geschehnissen vom 11. September 2001 entschieden wurde und ob das überhaupt Einfluss auf Deutschland hatte. Waren diese Maßnahmen vielleicht ebenso wenig gerechtfertigt und unverhältnismäßig, wie der Irakkrieg von 2003? Für diesen Krieg wurden bereits etliche Beweise vorgelegt, dass die Rechtfertigungen falsch waren und die gesamte Operation ein Desaster wurde. Allerdings erst hunderttausend tote Zivilisten und ein mit Uranmunition verseuchter Irak später. Auch der Krieg in Afghanistan, mit deutscher Beteiligung, brachte mehr Leid als Nutzen. War es das alles wert?

Riskieren wir einen Blick und analysieren fast 14 Jahre „Krieg gegen den Terror“.

[YouTube: George Bush Signs "USA Patriot Act" (00:16 – 00:37)]

Es hatte nicht sehr lange gedauert, bis die US-Regierung auf den Angriff gegen ihr Land reagierten. Bereits am 26. Oktober 2001 unterzeichnete der damalige Präsident George W. Bush den sogenannten PATRIOT Act als direkte Reaktion auf 9/11. Etwas mehr als sechs Wochen später hatte man also neue Gesetze geplant, darüber abgestimmt und diese schließlich unterzeichnet. Wo man für andere wichtige Entscheidungen Monate oder gar Jahre brauchte, wurde hier im Eilverfahren entschieden. Verständlich, war doch eine ganze Nation geschockt und im Angstzustand. Das US-amerikanische Volk verlangte nach einer möglichst schnellen und entschlossenen Lösung. Auch Bushs Nachfolger, Barack Obama, setzte den Kurs der strengen und umstrittenen Überwachungsmaßnahmen mithilfe des PATRIOT Acts fort.

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Nur mal so nebenbei: Ich frage mich, ob Regierungen einige Leute einfach nur dafür einstellen, damit sie sich für neue Gesetzestexte kreative Namen ausdenken. Der Name USA PATRIOT Act ist nicht nur eine wohlklingende Bezeichnung, wie aus einem Hollywood-Film. Es ist auch die Abkürzung für „Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act of 2001“. Wow! Wie lange es wohl alleine gedauert haben muss, sich sowas auszudenken? Aber das ist ein anderes, wenn auch nicht uninteressantes Thema. Ich bitte die Redaktion von ProSiebens Galileo der Sache nachzugehen. Immernoch besser als eine Suche nach der geilsten Bratwurst. Damit endet der sarkastische Abschnitt. Zurück zum eigentlichen Thema.

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Was genau waren eigentlich die folgenschweren Veränderungen, die in dem 132 Seiten starken Gesetz festgehalten wurden? Was unternahm die deutsche Regierung, um der vermeintlich erdrückenden Bedrohung durch den Terrorismus Herr zu werden?

Die wichtigsten Veränderungen in den USA durch den USA PATRIOT Act lauten wie folgt:

1. Wer keine amerikanische Staatsbürgerschaft hat und unter Terrorismusverdacht steht, kann für unbestimmte Zeit festgehalten werden.

2. Häuser und Wohnungen von Verdächtigen dürfen ohne Gerichtsurteil durchsucht werden.

3. Justiz- und Außenministerium dürfen alleine darüber entscheiden, ob eine
Organisation als terroristisch einzustufen ist.

4. Ausländer können ohne Probleme abgeschoben werden, wenn sie als Mitglied einer als terroristisch eingestuften Organisation gelten.

5. Bankkonten dürfen ohne den Beweis für eine Straftat überprüft werden.

6. Die Abhörrechte der Behörden wurden gestärkt, so dass man nur in wenigen Fällen einen Gerichtsbeschluss benötigt, um eine verdächtige Person abzuhören. Die Gerichte müssen zwar über solche Aktionen informiert werden, haben aber kaum noch einen Handlungsspielraum.

7. Die CIA (Geheimdienst für das Ausland mit wenig öffentlicher Kontrolle) erhält Vollmachten für Ermittlungen im Inland.

8. Stärkere Kontrollen und Informationsabfragen von Reisenden in die USA.


Und in Deutschland? Hier die wichtigsten Veränderungen durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz und Luftsicherheitsgesetz:

1. Allgemein wurden die Sicherheitsbestimmungen an deutschen Flughäfen verschärft.

2. Es wurden jährliche „Zuverlässigkeitschecks“ von Flughafenpersonal eingeführt.

3. Durch biometrische Merkmale in Ausweispapieren soll eine bessere Identifizierung möglich sein.

4. Als extremistisch eingestufte Religionsgemeinschaften können verboten werden.

5. Verschiedene Sicherheitsbehörden erhielten mehr Befugnisse bei der Überwachung.

6. Flugsicherheitsbegleiter sollen in Flugzeugen für mehr Sicherheit sorgen.

7. Eine gemeinsame Anti-Terror-Datei wurde angelegt, auf die alle Sicherheitsdienste zugreifen können.

Man könnte nun vermuten, dass es sich hier um sinnvolle Einschnitte in unsere Freiheit handelt. Schließlich kann man nun schnell und ohne viel Bürokratie, bei bloßem Verdacht auf Terrorismus, handeln. Rein präventiv. Dass diese Herangehensweise allerdings Fehler aufweist, dürften einschlägige Recherchen und Analysen anerkannter Journalisten belegen. Der rechtsextreme Terror der NSU konnte in Deutschland, seltsamer Weise, fast schon mühelos agieren, wenn man der Darstellungsweise unserer Medienberichterstattung glauben kann. Konzentrierte man sich vielleicht zu sehr auf den islamistischen Terror? Zu Recht! Schließlich gab es ja etliche Terrorakte in Europa, die von radikalen Islamisten ausgeführt wurden. Oder nicht? Hierzu lassen sich die aktuellsten veröffentlichten Untersuchungen des europäischen Polizeiamtes Europol heranziehen. Überraschend: Islamistischer Terror fand, laut Europol in den Jahren 2006 - 2014, nur in einer verschwindend geringen Anzahl statt. Ohne etwas verharmlosen zu wollen, aber Islamisten tragen nicht einmal 2% zur Terrorstatistik bei. Waren das einfach nur gute Jahre für uns alle und schlechte für den islamistischen Terror?

Unterscheiden muss man auch zwischen tatsächlich verübten Anschlägen, die bewegen sich im unteren einstelligen Bereich, und vermeintlichen Verdachtsfällen. Zwar wurden viele Terrorverdächtige verhaftet und damit von der Terrorstatistik erfasst, dennoch zählen auch sogenannte „islamistische Ehrenmorde“ zu Terrorakten. Terror-Verdachtsfälle fließen zwar in die Statistik ein, aber längst nicht alle verdächtigen Personen sind schuldig und werden verurteilt. Seit 2006 geht die Zahl der Verhaftungen von vermeintlichen Islamisten zurück. Denkbar, dass dieser Umstand den Anti-Terror-Gesetzen und der Möglichkeit, Telefone und Computer ohne Probleme ausspähen zu können, zu verdanken ist. Doch auch hier sagen die Zahlen etwas anderes, da es nur eine geringe Anzahl von Anlässen gab, wegen Terrorismus Gespräche überhaupt „mitzuhören“. Zumindest laut dem Bundesamt für Justiz. Zur Freude der rechtsextremen Szene, muss man wohl einschränkend und mit Bedauern hinzufügen, blickt man zurück auf den NSU-Skandal. Nochmal: Hier soll nichts verharmlost werden, jedoch handelt es sich hier um offizielle Zahlen. Warum sollten diese von offizieller Seite beschönigt werden?






Wir sollten uns nicht beschweren! Wir scheinen in Europa relativ sicher zu sein. Zu hinterfragen wäre, ob diese Sicherheit den Anti-Terror-Maßnahmen zu verdanken ist. Jedoch auch, ob mit dem Entstehen des „islamischen Staats“, der vor allem im Irak und Syrien wütet, bald eine Welle des Terrors über Europa hereinbricht. Jedenfalls war und ist der islamistische Terror, kaum eine Gefahr für uns. Wo ist also der Zündstoff für die weltweite Islamphobie, die seit 9/11 angeheizt wurde? Wegen der teils unschuldige Menschen in Gefangenenlager gesteckt werden? Wegen der Menschen nur aufgrund ihrer Herkunft von ihren Mitmenschen stigmatisiert werden? Unsere Medien gießen regelmäßig Öl in das Feuer, so dass Muslime in Generalverdacht geraten. Sie werden generell zu Sozialschmarotzern, Unterdrückern von Frauenrechten, Dieben von Arbeitsplätzen, Zerstörern unserer „Kultur“ und sind beim geringsten Verdacht Extremisten. Muslime sind die Nummer Eins unter den meist gehassten Einwanderern in Deutschland geworden. Tragen sie dazu etwas bei? Nicht auszuschließen! Rechtfertigt dieser Beitrag den aktuellen Umgang mit dem Islam oder Zuwanderern allgemein? Nein! Hauptinformationsquelle der breiten Masse ist das Fernsehen. Hier, aber auch bei der Politik, gilt es nach Fehlern zu suchen.

Ob es nun paranoide und hetzerische Artikel der Printmedien sind, Filme und Serien, das Fernsehen allgemein oder Buchautoren. Viele mimen den teils verkappten Hassprediger. In Filmen und Serien werden verstärkt hinterhältige und skrupellose Islamisten als Feindbild verwendet, Verbrechen von Menschen mit arabischer Abstammung werden von allen Medien in den Fokus genommen und für eine Aufklärung für ein besseres Zusammenleben mit Muslimen wird wenig bis gar nichts unternommen. Kein Wunder also, dass unsere Gesellschaft von latentem Fremdenhass geprägt ist, der eigentlich ausschließlich Hass auf Politik und Medien sein müsste. Doch auf welchen Tatsachen beruht dieses Verhalten? Die Vernunft und Moral jedenfalls scheint abgeschaltet zu sein, in den Köpfen der Bevölkerung. Tatsächlich finden sich in allen Religionen radikale Lager, die ihre Religion an ihre radikale Weltanschauung anpassen und danach auslegen. Den ganzen Islam und seine Anhänger deshalb als potenziell gefährlich zu brandmarken ähnelt stark anderen, dunklen Kapiteln in der Menschheitsgeschichte. Müssten sich nicht Religion und Terrorismus per se ausschließen?

Menschen werden teils unschuldig nach Guantanamo Bay verfrachtet, gefoltert und ihrer Würde beraubt. Etliche solcher Fälle sind mittlerweile an das Licht der Öffentlichkeit geraten. Oft sogar ausgerechnet durch jene Medien, die ihren Teil zur großen Islamphobie beigetragen haben. Dies sind keine Einzelfälle mehr und längst Grund genug unsere Einstellung zu ändern und unsere Stimme zu erheben. Wird wirklich unsere Sicherheit am Hindukusch verteidigt? Nein! Sind wir wirklich dermaßen bedroht, dass man jeden Bürger als potentiellen Terroristen behandeln muss? Nein! Ist der Islam wirklich gefährlicher als andere Religionen? Nein! Besteht tatsächlich die Gefahr, dass sich in Europa ein islamistischer Gottesstaat entwickeln kann? Dieser These möchte ich nicht mal ein „Nein“ widmen.

Fest steht und das ist traurig genug: Menschen nutzen Religionen, um ihre Gewalttaten an anderen Menschen und Religionen zu rechtfertigen. Da sollte man sich schon fragen, ob unsere Probleme nicht die Religion an sich sind, sondern der Mensch, der sie auslebt. Fast schon selbstverständlich denkt die jeweils andere Religion, sie sei besser als die andere. Genau wie viele Deutsche denken, sie seien etwas besseres als ausländische Zuwanderer. Dabei haben alle denselben Ursprung und etliche Gemeinsamkeiten. Es gibt nicht wirklich ein Gut und Böse. Die Welt ist zu kompliziert, als dass wir sie in Schwarz und Weiß betrachten könnten. Meist scheitert es am Verständnis gegenüber dem Fremden, beschränkten Horizonten, Angst vor einem Identitätsverlust, Sozialneid und dem Unwillen aufeinander zu zugehen. Dabei sitzen wir alle in einem Boot.




Wir sollten wirklich in vielen Bereichen kritischer konsumieren. Das gilt nicht nur für Handelsgüter, sondern auch für Informationen. Das journalistische Agenda-Setting unserer Leitmedien zum islamistischen Terrorismus und der Bedrohung für die westliche Welt kann nicht über die vorhandenen Tatsachen hinwegtäuschen. Und die kann jeder finden, wenn er sich nur ein wenig Zeit dafür nimmt, selbst nachforscht und aufhört blind auf die Darstellungsweise der Mainstreammedien zu vertrauen. Vor allem ist Toleranz in diesen Zeiten wichtiger denn je. Angst darf keine Rolle spielen. Oder um es mit Meister Yoda auszudrücken:

[Yoda Zitat, entweder Originalton oder selbst zitieren.]




Quellen:

Artikel über geringe Anzahl von islamistischem Terror in Europa:

http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/euro...

Terrorstatistiken von Europol von 2006 – 2013:

Übersicht: https://www.europol.europa.eu/latest_pub...

https://www.europol.europa.eu/sites/defa...
https://www.europol.europa.eu/sites/defa...
https://www.europol.europa.eu/sites/defa...
http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cm...
https://www.europol.europa.eu/sites/defa...
https://www.europol.europa.eu/content/pu...
https://www.europol.europa.eu/content/te...
https://www.europol.europa.eu/content/te...

Hetzerische Cover von deutschen Printmedien:

https://www.google.de/search?q=Islam+Cov...

Kommentare
27.02.2015 / 13:55 Emanuel, Radio Unerhört Marburg (RUM)
Gesendet am...
...19.01.2015 und am 18.02.2015 bei "Radio Unerhört Marburg" in der Sendung "Gleis 16".
 
27.02.2015 / 17:32 Thorsten, Querfunk, Karlsruhe
Querfunk
Wird am 01.03. gesendet. Danke.
 
02.03.2015 / 08:36 hikE, Radio Unerhört Marburg (RUM)
in Frühschicht 2.3.2015
gesendet. Danke!