Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern

ID 69211
 
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Alle Jahre wieder im März wird der Themenkomplex ‚Entgelt-gleichheit‘ auf die Tagesordnung gebracht:
Zum einen wird am 08. März schon seit über 100 Jahren der Internationale Frauentag zelebriert, zum anderen wird seit einigen Jahren der Equal Pay Day, dieses Jahr am 20. März bundesweit veranstaltet.
Trotz über einhundert jährigem Kampf für die Rechte der Frauen, sieht es bei der Bezahlung von Frauen immer noch recht düster aus. Auch 2015 liegen die Frauengehälter im Durchschnitt 22 % unter den Gehältern der Männer. Anders ausgedrückt: Frauen müssen 2015 bis zum 20. März arbeiten, um dasselbe zu verdienen wie Männer im Jahr 2014.
In der heutigen Sendung möchte ich hinterfragen, woran es hapert, die Entgeltgleichheit flächendeckend durchzusetzen.

Anmerkung: Es sind 3 Sendekennungen enthalten, geeignet für Musikpausen. Bei ca. 09:22, 22:55, 36:25 Minuten.
Audio
46:01 min, 42 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 04.03.2015 / 21:42

Dateizugriffe: 1496

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Arbeitswelt, Frauen/Lesben
Serie: Arbeitswelt im Wandel
Entstehung

AutorInnen: Karin Bergs
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 04.03.2015
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
es gilt das gesprochene Wort.

Herzlich willkommen bei „Arbeitswelt im Wandel“,
Die heutige Sendung befasst sich mit "Entgeltgleichheit". Dazu begrüße ich sehr herzlich am Telefon: Die Politikwissenschaftlerin Marie Kristin Fischer aus Bonn.

Am Mikrophon begleitet Sie die, für diese Sendung verantwort-liche Redakteurin Karin Bergs. Die Musikauswahl ist von Tanja und Gerd Geißler.

Alle Jahre wieder im März wird der Themenkomplex ‚Entgelt-gleichheit‘ auf die Tagesordnung gebracht:
 Zum einen wird am 08. März schon seit über 100 Jahren der Internationale Frauentag zelebriert,
 zum anderen wird seit einigen Jahren der Equal Pay Day, dieses Jahr am 20. März bundesweit veranstaltet.
Trotz über einhundert jährigem Kampf für die Rechte der Frau-en, sieht es bei der Bezahlung von Frauen immer noch recht düster aus. Auch 2015 liegen die Frauengehälter im Durch-schnitt 22 % unter den Gehältern der Männer. Anders ausge-drückt: Frauen müssen 2015 bis zum 20. März arbeiten, um dasselbe zu verdienen wie Männer im Jahr 2014.
In der heutigen Sendung möchte ich hinterfragen, woran es hapert, die Entgeltgleichheit flächendeckend durchzusetzen. Warum gibt es überhaupt eine EntgeltUNgleichheit zwischen Männern und Frauen? Warum tut der Gesetzgeber nichts dagegen?


Gästin:

 Zunächst differenzieren zwischen Entgeltungleichheit und Entgeltdiskriminierung!!
 Über drei Ursachenkomplexe sind sich Wissenschaft und Politik weitestgehend einig:
1. Bildung und horizontale und vertikale Segregation
2. familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und –reduzierungen
3. Lohnfindung

Ein Problem bzw. eine Schwierigkeit die sich in dem ganzen Zusammenhang zeigt, ist, dass zum Beispiel die Definition, aufgrund derer das Statistische Bundesamt und auch einige Forschungsinstitute die Lohnlücke messen eine andere ist, als diejenige die EU-rechtlich vorgegeben ist!


Warum tut der Gesetzgeber nichts dagegen?

- An- bzw. Abwesenheit des politischen (wirtschaftlichen) Umsetzungswillen>> Klientelpolitik
- Bei der Implementierung einer Norm kann vor allem der Einfluss der Parteien beschleunigend oder verzögernd wirken
- Desinteresse und Uninformiertheit

Moderatorin (wiederholen, bzw, nachfragen)
An mangelnden Gesetzen liegt es nicht, denn es gibt genug Gesetze und Richtlinien, die EntgeltUNgleichheit oder Entgeltdiskriminierung verbieten würden. Da verwundert es aber, dass nahezu unverändert in Deutschland der geschlechts-spezifische Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen sich zwischen 22 und 23 % bewegt. Und das seit über 10 Jahren! Gibt es denn Überwachungsfunktionen, oder Kontrollen, ob die bestehenden Gesetze auch angewendet werden?


Gästin:
- Zuerst: im AGG gibt es noch nicht einmal konkrete Sanktionen geschweige denn eine Sanktionsinstanz>> die Antwort lautet also nein!
- Bisher ist das Entgeltgleichheitsprinzip eher ein „law in the books“ ein Gesetz in den Büchern, quasi ein Prinzip ohne Praxis wie es die Fachwelt ausdrückt

>> das ist auch genau der Punkt, der mich so interessiert hat, an dem ich mich gestoßen habe und der den Anlass für meine Untersuchung gab

- Es gibt die betreffenden Gesetze sowohl in D als auch in der EU, die Gesetze, die Basis quasi ist vorhanden!

Warum also erfolgt in Deutschland keine rechtliche Durchsetzung der existierenden Gesetze zur Verhinderung von Entgeltungleichheit?

Weitere Fragen, die ich mir gestellt habe und aus denen ich meine Hypothese aufgestellt habe, sind:

 warum die bestehenden Gesetze von Arbeitgebern oder Unternehmen übertreten bzw. missachtet werden und
 warum der Gesetzgeber das Gesetz nicht wirkungsvoller durchsetzt.
 warum die Gewerkschaften sich nicht stärker für die Durchsetzung des Prinzips einsetzen und
 warum die Betroffenen ihr Recht nicht selber mobilisieren.


Moderatorin
Was sind denn die Gründe für die mangelnde Durchsetzung all dieser Gesetze?

Gästin:

Im Laufe meiner Untersuchung kam mir das Bild einer “Mauer” in den Sinn und ich finde es verdeutlicht die Situation sehr gut…
‘Blockade-Mauer‘ bei der Durchsetzung beruht meiner Ansicht nach auf vier Hauptfaktoren:
- die vorprogrammierte Unwirksamkeit eines Gesetzes,
- die Unwissenheit auf allen Ebenen ‒ in Bezug auf das Problem im Allgemeinen und zur Problemlösung im Speziellen,
- den Unwillen zu handeln, welcher sich insbesondere als fehlender politischer Wille bei den verantwortlichen Akteuren äußert
- sowie das Unvermögen zu handeln, im Sinne eines unzureichenden Durchsetzungsvermögens.

 Daher gehe ich davon aus, dass die Gründe für die mangelnde Durchsetzung des Entgeltgleichheitsprinzips in Deutschland in einem vielschichtigen Geflecht zu finden sind – irgendwo zwischen: ‘schlafendem‘ Recht,
 konkurrierenden Interessen,
 egoistischer Klientelpolitik,
 ängstlicher Handlungsstarre,
 asymmetrischen Machtstrukturen
 und politischem Desinteresse

Moderatorin
Also das volle Spektrum: Ja nichts ändern, wir wollen alles beim alten lassen?

Gästin:
Leider ja

Moderatorin
‚Blockade Mauer‘ klingt ja noch schlimmer als die ‚gläserne Decke‘, von der immer berichtet wird, wenn es um Führungs-posten geht, die für Frauen nicht erreichbar sind. Durch eine gläserne Decke kann man wenigstens durchschauen, so wie im Märchen und man sieht, was einem fehlt!

Gästin:

Moderatorin: (Zusammenfassung)
Die Gesetzeslandschaft, sowohl in Europa, als auch in Deutsch-land ist reich bestückt mit Paragraphen, die die gleiche Bezah-lung von Männern und Frauen regeln. Regeln sollten, denn die Realität sieht anders aus: In Deutschland verdienen Frauen seit über 10 Jahren unverändert 22-23 % weniger als die Männer. Es gibt zwar viele Gesetze, aber keinerlei Kontrollen, ob unsere Gesetze angewendet werden. Unsere Gesetze sind reines ‚law in the books‘, also reine Paragraphen in den Gesetzbüchern, deren Anwendung weder überwacht, noch bei Überschreitung sanktioniert werden.

Nach der Pause hören wir von Marie Kristin Fischer, welche Ursachen und Gründe es für die Unterbewertung von frauentypischen Tätigkeiten gibt.

09:22 LORA-JINGLE

Moderatorin:
Weiter geht’s bei 'Arbeitswelt im Wandel' mit der Sendung Entgeltgleichheit. Meine Interviewpartnerin ist die Politikwissenschaftlerin Marie Kristin Fischer. Wir haben gehört, dass wir zwar zig Gesetze in Deutschland haben, aber bei diesen Gesetzen ist die Unwirksamkeit vorprogrammiert. Es besteht ein Geflecht von Ursachen und vielfach fehlt leider der Wille zu handeln.
Im Folgenden wollen wir uns ansehen, warum frauentypische Tätigkeiten unterbewertet sind. Wenn man bei Gehaltsunter-schieden zwischen Männern und Frauen Differenzen von über 20 % anspricht, dann bekommt man stereotyp die Antwort: Frauen machen ja gaaanz andere Arbeiten als Männer. Das mag ja vielleicht sogar stimmen, nur, wer „bewertet“ denn die Arbeiten und die Arbeitsplätze und warum werden sogenannte ‚frauentypische‘ Tätigkeiten generell unterbewertet?


Gästin:

- Wer bewertet? Meiner Ansicht nach ist das eine Aufg. der Tarifparteien (Arbeitgeber/ BR/PR/ Gewerkschaften)
- Problem/ Schwierigkeit: Ein breiter Teil der Bevölkerung ist von der Geschlechtsneutralität tariflicher und betrieblicher Entgeltregelungen überzeugt>> deshalb fällt es der breiten Öffentlichkeit auch so schwer mittelbare Diskriminierung zu erkennen und anzuerkennen
- Zweiter Punkt: ganz klar, dass Frauen öfter in Branchen und Betrieben arbeiten, in denen es keine TV gibt oder in denen Niedriglöhne gezahlt werden>> das führt dann in der Konsequenz zu einer systematischen Unterbewertung von Frauenarbeit!
- Das führt dazu, dass personenbezogene, fürsorgende Dienstleistungen, die wegen ihrer Nähe zur „mütterlichen“ Familienarbeit als „weiblich“ verstanden werden, aber auch kundenorientierte Tätigkeiten, wie Beratung, Vermittlung und Verkauf in dieses Schema fallen (ebenso wie haushaltsnahe/ erzieherische Tätigkeiten)
- Häufig auftretendes Bsp.: Unterbewertung von Arbeits- und Tätigkeitsprofilen>> wesentliche Bewertungsmerkmale von frauendominierten Tätigkeiten (wie psycho-soziale, nervliche oder emotionale Belastungen) werden oft nicht in die Entlohnung (z.B. über Zulagen) miteinbezogen (Bsp.: NL 12 Tondorf, Wäscherei-Fahrer/ Altenpflegerin)



Moderatorin:
WARUM werden oftmals psycho-soziale oder nervliche Belastungen nicht als Merkmale bzw. Faktoren in die Arbeitsplatzbewertung und somit auch in die Entlohnung miteinbezogen?

Körperliche Arbeit, Muskelarbeit oder auch Lärm-/Geruchsbelästigung usw. werden hingegen miteinbezogen und höher bewertet als „Arbeit am Menschen“? Muskel braucht man heute nicht mehr, dafür gibt es Maschinen.

Gästin:

- Muskelkraft wird schon bewertet, nur anders als bei Männern oder bei „typisch“ männlichen Jobs

- Wertigkeit/ Gleich-Wertigkeit von Tätigkeiten, dass ist einer der Knackpunkte, wenn es um Entgeltungleichheit und Arbeitsbewertung geht
- Be-Wertung/ Be-Urteilung! >>das geht nur über den Vergleich!
- Aber wer will oder soll das entscheiden? Und wie?
- Meiner Meinung nach, sollten psycho-soziale bzw. nervliche Belastungen auf jeden Fall honoriert werden, dass heißt auch über Entgelt/ Zuschläge usw. wertgeschätzt werden (auch gesell. aber das ist ein anderes Thema)
- >> nicht ohne Grund steigen die Fälle von Burnout und Depressionen, weil die Belastungen in bestimmten Berufen da ist (Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen, Altenpflege etc.)
- Hier sind wir jetzt mitten in der Frage der Arbeitsbewertung/ der Arbeitsbewertungssysteme


Moderator:
Nun gibt es bestimmt in jeder Branche Systeme, wie die Arbeit bewertet wird. Welche Rolle nehmen diese Arbeitsbewertungssysteme ein?


Gästin:

- Arbeitsbewertungssysteme>> Bewertung subjektiv, wir können nur versuchen nach und nach Probleme bzw. Veränderung in der Arbeitswirklichkeit auch in die Bewertungssysteme zu übertragen, TV einzubauen, manche TV noch aus den 1950er Jahren…mit deren stereotypen Rollenbildern usw.

 In diesem Zusammenhang spielen natürlich die Gewerkschaften eine besondere Rolle
>> trad. männl. dominierend besetzt, durchschnittliche schwächere Repräsentation weiblicher Beschäftigter in BR und Gewerkschaften>> Gewerkschaften treten keineswegs selbstverständlich für Gleichstellungsthemen und Gleichberechtigung ein! (Unterschiede, je nachdem welche Gewerkschaft!)

- Die Sache mit der Gleichwertigkeit ist immer noch eine großes Herausforderung, die sich letztendlich nur durch Vergleiche von bestimmten Arbeitstätigkeiten (durch analytische oder summarische) Arbeitsbewertungsverfahren lösen lässt

- Wenn sich etwas ändern soll (und da geht es dann wieder um den Willen zur Veränderung/ politische Wille/ Welche/ Wessen Interessen werden vertreten? Klientelpolitik? Handlungsstarre?? Beharrungsvermögen?
- >> wenn man da nämlich an einer Ecke anfängt, hängen da vllt fünf andere Dinge mit dran usw. usw. >> Geflecht, was schwer zu durchblicken und zu verändern ist!

Moderatorin:

Gibt es überhaupt objektive und neutrale Bewertungssysteme?

Gästin:

- NEIN die Bewertungssysteme können gar nicht objektiv sein; es sind immer Wertungen
- wir können immer nur versuchen Stück für Stück an das Ideal der „Objektivität“ heranzukommen, uns immer wieder zu überlegen, in welche Gesellschaft wir arbeiten, zu aktualisieren, was ist zeitgemäß, was stört uns vielleicht an dem alten System, „permanente Evaluierung“
- ABER: da müsste MANN sich bewegen, denn Veränderungen erfordern Aufwand, Umdenken, Kreativität >>“Umparken im Kopf“

Moderatorin:
Gibt es denn schon Ansätze für neue, moderne Arbeitsbewertungssysteme?

Gästin:
- Beispiele: Belgien/ Skandinavien

Moderatorin
Frauen arbeiten aber nicht nur in frauentypischen Berufen, sondern durchaus auch in hochqualifizierten Männerberufen. Aber auch da gibt es EntgeltUNgleichheiten. Wie kann es dazu kommen?

Gästin:

 Grundsätzlich lässt sich zwischen “Entgeltdiskriminierung” und “Beschäftigungsdiskriminierung“ unterscheiden
 Nicht jede geschlechtsbezogene Diskriminierung ist gleichzeitig eine Entgeltdiskriminierung




Moderatorin
Sie unterscheiden zwischen „Entgeltdiskriminierung“ und „Beschäftigungsdiskriminierung“. Was ist denn da der Unterschied?

Gästin:
- Beschäftigungsdiskriminierung greift sehr viel weiter, sie umfasst beispielsweise die Diskriminierung von Frauen bei Beförderungen (beruflicher Aufstieg), bei beruflicher Weiterbildung oder bei der Arbeitszuteilung
>> das Ziel bei der Bekämpfung von Beschäftigungsdiskriminierung ist die Herstellung von Chancengleichheit!

- Bei der Bekämpfung der Entgeltdiskriminierung ist das Ziel die Entgeltgleichheit!

- Entgeltdiskriminierung liegt dann vor, wenn Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit, im Sinne von Grundentgelt, Zeitentgelt, Leistungsentgelt sowie Entgeltbestandteilen, wie Prämien oder Zulagen benachteiligt werden



Moderatorin:
Während ich bei einer Beschäftigungsdiskriminierung noch eher individuell intervenieren kann, wenn ich keine interessanten Aufgaben bekommt und sehe, dass die anderen die spannderen Arbeiten zugeteilt bekommen, kann man bei einer Entgeltdiskriminierung sicherlich als Individuum eher weniger unternehmen. Man weiß ja schlicht nicht, was ein anderer für seine Arbeit als Entgelt bekommt. Wie kann ich rausbekommen, was der Kollege verdient, der meiner Meinung nach ähnliche oder sogar vergleichbare Arbeiten macht wie ich?

Gast:
Schwierig

- Ich würde zunächst versuchen, mit der oder dem Betreffenden zu reden und durch verschiedene Unterhaltungen mit Kolleginnen und Kollegen versuchen so viele Infos wie möglich zu bekommen
- Problem dabei ist: „Typisch deutsch“ >> immer noch existierende Tabuisierung des Themas Entgelt in den Unternehmen „Über Geld spricht man nicht!“ Und außerdem denken Viele, dass sie das auch gar nicht dürfen
- ABER: Verschwiegenheitsklausel in Arbeitsverträgen ungültig!!
- LAG Meck.-Pomm. Urteil 2009, 2 Sa 183/09: hat diese Klauseln für nichtig erklärt, mit der Begründung, dass sie „den Arbeitnehmer daran hindert, Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen der Lohngestaltung gegenüber dem Arbeitgeber erfolgreich geltend zu machen“
- >>damit sind wir auch wieder beim Thema Unwissenheit!! Wir sind oftmals immer noch im Stadium Aufklären, Informieren, Sensibilisieren usw.
- GB/ BR/PR/ Vorgesetzte/….bei einem fundierten Verdacht oder wenn ich vllt tatsächlich Unterlagen habe>> Anwälte etc.
- Verschiedene Instrumente: eg-check gerade aktualisiert/ logib-D/ (die auf unterschiedlichen Ebenen ansetzten, Betrieb oder Einzelne)



Moderatorin:
Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen haben eine lange Tradition, die auch jahrzehntelang in unseren Gesetzen abgebildet war. Jahrzehntelang wurde daran nicht gerüttelt. Erst mit zunehmender Erwerbstätigkeit von Frauen wird erkannt, dass Lohnunterschiede zu einer Entgeltdiskriminierung führen. Arbeiten, die Frauen verrichten werden anders bewertet, als Arbeiten die Männer verrichten. Mittlerweile, fordern Expertinnen und Verbände sogar, ein (effektives) Gesetz zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit.

Welche Möglichkeiten es gibt, Rechte einzuklagen, darüber sprechen wir nach der Pause mit Marie Kristin Fischer.

22:55 Minuten LORA-Förderverein-JINGLE

Moderatorin:
Wir sind zurück bei Arbeitswelt im Wandel, heute mit dem Thema: Entgeltgleichheit. Meine Interviewpartnerin ist die Politikwissenschaftlerin Marie Kristin Fischer aus Bonn.
Das Streben nach Entgeltgleichheit ist eine der ältesten und bisher immer noch unzureichend gelösten Herausforderungen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten. Schon vor über fünfzig Jahren wurde das Problem erkannt, inzwischen wäre also genug Zeit vergangen, um nach Gründen und Ursachen zu forschen, Theorien aufzustellen und Erklärungen zu finden um das abzustellen. Doch geschehen ist wenig.
Welche Gründe werden denn heute vermutet, warum sich so ausdauernd nichts an der Situation der EntgeltUNgleichheit ändert?

Gästin:
 Nicht-Wissen
 Nicht-Wollen
 Nicht-Können
>> Nicht-Wissen-Wollen



Moderatorin:
Dass unsere Arbeitgeber nix unternehmen, ich denke dafür haben wir alle Verständnis. Die Arbeitgeber hätten ja massive Nachteile, wenn sie plötzlich an ihr weibliches Personal mehr Geld zahlen müssten, als bisher. Also von dieser Seite wird niemals ein Vorstoß kommen. Es geht also nur, wenn frau ihre Rechte einfordert. Warum klagen die betroffenen Frauen nicht?

Gästin:
b) Betroffene nicht einklagen
Persönliche Faktoren bilden sich häufig in psychischen und psychologischen Hemmschwellen aus.

Auch hier: Großes Unwissen und Unsicherheit!
Diese zeigen sich zum Beispiel als
 Ängste in Bezug auf den Umgang mit Rechtsanwälten und dem Gericht,
 häufig Vorurteile, Vorbehalte oder sogar Misstrauen entgegengebracht werden.
 sprachliche Defizite,
 Unkenntnisse der Rechtssituation, des Verfahrensablaufs,
 sowie Unwissen über rechtliche Beratungs- und Handlungsmöglichkeiten. Dazu zählt vor allem die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe, die vom Staat für Betroffenen, welche die Kosten für Beratung und Gerichtsverfahren nicht selber tragen können, übernommen wird. (ACHTUNG! Nur in den wenigsten Fällen!!)

- Mehr Frauen sollten klagen! Auch auf Grundlage des EU-Rechts, denn die momentane Rechtswirklichkeit sieht so aus, dass wir ein Individualklagerecht haben, das heißt jede einzelne Betroffene muss im Zweifelsfall selber klagen!
- Ich würde aber keiner Frau blindlinks raten zu klagen! Frau sollte sich vorher sehr bewusst machen, was auf sie zukommen kann und wahrscheinlich auch wird (Risiken& Konsequenzen) >>Rückhalt insbesondere durch Familie und Freundeskreis sehr wichtig! Denn in den meisten Fällen muss Frau da alleine durch!
Warnung! In D gibt es so gut wie gar keinen Viktimisierungsschutz! (Mobbing, Repressalien etc.)

Moderatorin:
Jemand, der vermutet, dass er ‚ungleich‘ bezahlt wird, muss immer selbst individuell klagen. Warum können solche Klagen nicht irgendwelche Verbände, Gruppierungen, z.B. Betriebsräte, oder vielleicht sogar mehrere Frauen aus einer Firma machen?

Gästin:
Zum zweiten Teil: Bisher sieht das AGG kein Sammel- oder Verbandsklagerecht vor!

- Das wird, zurecht wie ich finde, von vielen Seiten als großes Hindernis bzw. als Barriere gesehen, selber das Recht zu mobilisieren, weil man bzw. Frau dies dann immer alleine tun müsste
- Deshalb ist dies auch eine der Forderungen für ein immer mal wieder im Raum stehendes Entgeltgleichheitsdurchsetzungsgesetz

Anmerkung: bislang gab es kaum Klagen auf der Grundlage des AGGs zur Entgeltungleichheit
>>wäre eine wichtige Forderung bzw. ein wichtiger Aspekt für ein Durchsetzungsgesetz, gerade auch in Bezug darauf, was ich eben erläutert habe


Moderatorin:
Ist es nicht erstaunlich, dass es ein Gesetz wie das AGG, (also das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) gibt, aber keiner wendet es an, wenn es um Geld geht? Und wenn eine Frau den Verdacht hat, dass Männer für vergleichbare Tätigkeiten mehr bekommen, muss sie immer individuell klagen!

Gastin:
Wenn sie wirklich was erreichen möchte, die Kraft dafür hat und sich der Konsequenzen bewusst ist, dann Ja, bei der momentanen Gesetzeslage, ja. Ich möchte hier niemandem leichtfertig zu einer Klage raten…

Moderatorin:
Im BetrVG unter § 80 heißt es: Der Betriebsrat hat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden.
Betriebsräte sind per Gesetz verpflichtet, darüber zu wachen, dass Gesetze eingehalten werden. Wie sieht das in der Realität aus?

Gästin:
- Auch die PR/BR sind traditionell männlich geprägt, dass bricht jetzt erst mit der Zeit ein wenig auf. Aber es bedeutet nicht, dass eine Betriebs- oder Personalrätin nur weil sie eine Frau ist, sich automatisch für das Thema Entgeltgleichheit und dann noch dafür stark macht
- Der „Kampf“ um Entgeltgleichheit ist nicht immer angenehm, genau wie Gleichstellungsarbeit generell
- Aber auch hier: Unwissenheit und Desinteresse>> Machtverlust, „Stück vom Kuchen“ abgeben zu müssen
- Andere Themen sind „wichtiger“

Moderatorin:
Also die Arbeitgeber tun nix. Die Betriebsräte tun nix und die betroffenen Frauen trauen sich nicht zu klagen. Wird sich also nie was an der Situation der EntgeltUNgleichheit ändern?

Gast:
Meiner Ansicht nach wird sich nur etwas ändern, wenn alle Beteiligten sich bewegen! Den schwarzen Peter jetzt dem einen oder der anderen zu zuschieben führt zu nichts.


- In diesem Fall ganz konkret, sehe ich die größte Herausforderung in dem was ich in meiner Untersuchung mit der „vorprogrammierten Unwirksamkeit des Gesetzes“ beschreibe
- Bei diesem konkreten Punkt ist der Gesetzgeber in der Pflicht
- Aber direkt dahinter, daneben, dabei: Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, PR&BR, Gewerkschaften>> dem Ganzen eine höhere Priorität zugestehen>>Druck durch Gesetz! (kein „zahnloser Tiger“)
- Frauen selber! Sollen klagen!
- Der viel beschworene gesellschaftliche Wandel (sozial/ gesell. Sanktioniertes Verhalten>> Gesellschaft zu verändern kann Jahrzehnte und Jahrhunderte dauern! Wir dürfen nicht nachlassen und uns auf dem ausruhen, was bisher erreicht wurde
- (Ich denke, eines der nächsten großen Themen wird die „Entgeltungleichheit“ werden)



Moderatorin:
Recht haben und Recht kriegen, das ist hier die Frage. Es gibt zwar seit 2006 ein Allgemeines Gleichbehandlungs Gesetz (AGG), das sicherstellen soll, dass alle gleich behandelt werden. Aber wer definiert ‚gleich‘? Wenn man ein Recht anwenden will, dann muss man es vor Gericht einklagen. Doch bislang gab es kaum individualrechtliche Klagen auf der Grundlage des AGGs zur EntgeltUNgleichheit. Ein Verbandsklagerecht zur Entgeltgleichheit gibt es nicht und somit sieht es momentan so aus, als würde alles beim alten bleiben.

Über Visionen sprechen wir mit Marie Kristin Fischer nach der Pause

36:25 Minuten LORA-JINGLE

Weiter geht’s bei Arbeitswelt im Wandel mit der Sendung Entgeltgleichheit. Am Telefon spreche ich mit der Politikwissenschaftlerin Marie Kristin Fischer. Es gibt sie, die EntgeltUNgleichheit zwischen Männern und Frauen, ein Mal im Jahr, am Equal Pay Day im März, wird sie angesprochen, aber das wars auch schon. Die Arbeitgeber haben kein Interesse etwas dagegen zu unternehmen, warum auch, würde ja Geld kosten. Billige Arbeitskräfte sind schließlich willkommen. Die Betroffenen, also die Frauen müssten individualrechtlich gegen eine EntgeltUNgleichheit vorgehen, denn das geht nur über eine Klage. Und vor Gericht und auf hoher See ist man in ‚Gottes Hand‘, der Ausgang einer Klage ist ungewiss, mit Kosten verbunden und nervenbelastend. Auch wenn so eine Klage gewonnen würde, wie wird sich der Arbeitgeber danach verhalten? In der Realität wird also nicht geklagt.

Wer ‚schiebt‘ bei der Thematik ‚Entgeltgleichheit‘? Reicht es, ein Mal im Jahr über Equal Pay zu reden?

Gästin:
Wer schiebt? Frauen! Die vielen, engagierten und interessierten Frauen!
Reicht es über EPD zu reden? NEIN!


Moderatorin:
Bisher schieben lediglich die Frauen. Tarifverhandler, darüber haben wir bereits gesprochen sind aber nach wie vor Männer. Von dieser Ecke wird sich eher nichts ändern. Was halten Sie von der Quoten Diskussion. Würden Quoten in den Führungs-etagen auch die Gehälter in den unteren Rängen verändern?

Gästin:


Moderatorin:
Haben Sie irgendwelche Visionen, was könnte die EntgeltUN-gleichheit zwischen Männern und Frauen in unserer Arbeitswelt abschaffen?


Gästin:


Moderatorin:
Wie lange wird es dauern, bis in Deutschland flächendeckend eine gleiche Bezahlung realisiert wird?

Gästin:
Ich habe mal irgendwo gelesen, dass eine Professorin ausgerechnet hat, dass wenn wir mit der Gleichstellung so weiter machen wie bisher, wir es in 450 Jahren geschafft hätten…

Moderatorin:
Also, wenn nichts dazwischen kommt, dann hätten wir es so ca. im Jahr 2500 geschafft!

Gästin:
Vielleicht …


Moderatorin:
Zum Abschluss wollen wir noch etwas Positives hören. Was können Sie denn da erzählen?

Gästin:
...


Moderator:
Damit sind wir am Ende mit der Sendung "Entgeltgleichheit", vielen Dank für Ihr Interesse, und vielen Dank an meine Interviewpartnerin, Marie Kristin Fischer. Am Mikrophon verabschiedet sich die verantwortliche Redakteurin Karin Bergs.