Der große Testballon des Geheimdienstkoordinators - zur Landesverrats-Affäre um netzpolitik.org

ID 72002
 
Kommentar zur Rolle des Geheimdienstkoordinators der Bundesregierung, Klaus Dieter Fritsche, in der Affäre um die Landesverratsermittlungen gegen Netzpolitik.org
Audio
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Upload vom 04.04.2022 / 10:42

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Arbeitswelt, Jugend, Politik/Info
Serie: mikro.FM
Entstehung

AutorInnen: mikro.fm
Radio: FRBB, Berlin und Brandenburg im www
Produktionsdatum: 12.08.2015
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
SCRIPT:

Neues aus dem Bundessicherheitshauptamt -, heute: ein Landesverrat oder: der Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung laesst die Puppen tanzen

In die Affaere um den angeblichen 'Landesverrat' von netzpolitik.org,
in diesem Sommermaerchen des demokratischen Reststaats,
waren immer wieder dieselben Namen und dieselben Gesichter zu sehen.
natuerlich die Gesichter und Namen der beiden betroffenen Blogger, Markus Beckedahl und Andre Meister,
und, scheinbar ebenso natuerlich, in der Rolle Rueckwaerts:
der Justizminister Heiko Maas,
der Generalbundesanwalt Harald Range,
der Praesident des Bundesamtes fuer Inlandsgeheimdienste (besser bekannt als Verfassungsschutz)
Hans Georg Maaszen
soweit das in den meisten Medien breitgetretene Personal
einer posse des bundesdeutschen Justizapparats.

Aber - einer fehlt in diesem Quartett des gepflegten oeffentlichen Grusel:

Nein, nicht die Bundeskanzlerin, Angela Merkel, die Anfang August,
oeffentlich, nach der Beseitigung einer Personalie aus der schwarz gelben Zeit,
also, seit der politische Beamte der F.D.P.,
der Generalbundesanwalt, Harald Range, gehen musste,

- nein, da wo die F.D.P. grad ist, will keine/r hin,
aber "Bundeskanzleramt" ist nahe dran.

Wer naemlich in dem Quartett aus Bundesanwalt, Justizminister und Inlandsgeheimdienst fehlt ist
der Koordinator der Bundesregierung fuer Geheimdienste im Bundeskanzleramt, Klaus Dieter Fritsche.

Nie gehoert? Fritsche? Klaus Dieter Fritsche? Wer soll das sein?

Er sieht aus wie eine Mischung aus Roman Herzog und Uli Hoeness,
und tatsaechlich kommt auch Klaus Dieter Fritsche aus Bayern, ebenso
wie der Nachfolger von Harald Range im Amt des Generalbundesanwalts,
Peter Frank, der, lt. Wikipedia uebrigens Mitglied einer katholischen, nicht schlagenden Verbindung ist;
also, aus Bayern kommt der Klaus Dieter Fritsche und aehnlich wie Roman Herzog und Uli Hoeness
ist er bis ins Despotische von seiner Rolle ueberzeugt und garantiert und zu 100 Prozent CSU.

Fuer die Zeitschrift 'stern' ist Klaus Dieter Fritsche der 'maechtigste Beamte der Republik',
fuer 'die Presse' ist er aber im uebrigen meistens unsichtbar,
fuer die Regierung ist er der Springer zwischen Bundeskanzleramt und Innenministerium,
wo er wahlweise als Staatssekretaer der Polizeien und Dienste oder als Geheimdienstkoordinator fungiert,
aber immer in der zweiten Reihe bleibt, im Hintergrund, im toten Winkel
einer von Konzernmedien desorganisierten Oeffentlichkeit,
nicht nur darin ist Klaus Dieter Fritsche ein Meister.

Er war einmal, Jahre bevor er seinen Ministerialdirigenten Hans Georg Maaszen auf den Stuhl des Praesidenten vom Bundesamt fuer Verfassungsschutz katapultierte, selbst Vizepraesident dieses Inlandsgeheimdienstes

als der NSU-Komplex implodierte, war er Staatssekretaer im Innenministerium
und initierte ein Personalkarussel der Fuehrungsspitzen aller dem Bundesinnenministerium unterstehenden Bundesaemter - Bundeskriminalamt, Bundesamt fuer Verfassungsschutz, und Bundespolizei
die letzeren, nicht gerade kleinen Behoerden, wurden mit Kadern aus der dritten Reihe
des Bundesministeriums des Inneren versehen.
fuer das BKA war der SPD-nahe Holger Muench vorgesehen,
https://de.wikipedia.org/wiki/Holger_M%C...
"Münch will", weisz die Wikipedia, zitat "als Präsident des BKA einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der digitalen Kriminalität setzen"<zitatende>

Zurueck zum Meister des verschwiegenen Staates und der ministerialen Intrigen, Klaus Dieter Fritsche,
er war es, der, seinerzeit, im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages
'das Staatswohl' ueber das Aufklaerungsrecht des Parlamentes gestellt hatte.

»Es dürfen keine Staatsgeheimnisse bekannt werden, die ein Regierungshandeln unterminieren.«

Derselbe Klaus Dieter Fritsche war es, der, neben Roland Pofalla,
im NSU-Untersuchungsausschuss fuer die Eklats gegen den Sebastian Edathy zustaendig war,
der, kurz nach der Vorlage des Abschlussberichtes des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages
wegen seiner strafrechtlich nicht fassbaren sexuellen Vorlieben
aus allen Aemtern und auszer Landes gejagt werden sollte.

Die f.a.z. und 'die Welt' berichteten hierzu im Juni 2015, jeweils
gleichlautend aus dem Edathy-Untersuchungsauschuss des Bundestages,
von der Vernehmung des damaligen Innenministers,
Hans-Peter Friedrich.

"Sein ehemaliger Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche (CSU) habe ihm im Oktober 2013 nicht nur von dem Verdacht der Polizei gegen den SPD-Bundestagsabgeordneten Edathy berichtet, sagte Friedrich. Der Staatssekretär habe ihm damals auch geraten, SPD-Chef Sigmar Gabriel sofort darüber zu informieren, so Friedrich am Donnerstag im Ausschuss des Bundestages."
http://www.welt.de/politik/deutschland/a...

Und wie im Fall Edathy wurden die Faeden offenbar im Hintergrund gezogen.
Eine Stille Post aus Vor-Schicken, Vor-Fuehren - schauen was passiert, und den naechsten Schritt vorbereiten.

Von Klaus Dieter Fritsche wird
Hans Georg Maaszen vorgeschickt,
Harald Range vorgefuehrt,
und der der Justizminister aus der Reserve gelockt.

Wuerde das ganze nicht im Pressedeutsch, sondern in der Reimform vor sich gehen,
waeren wir spaetestens jetzt irgendwo im elisabethanischen Koenigsdrama.
beim englischen Hofstaat um 1600.
Aber wir sind in Berlin, Koeln und Karlsruhe und
somit im bundesdeutschen Beamtenstadl.

Der Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung, Fritsche, der, als Stab, dem Bundeskanzleramt zugehoert,
schickt also seinen frueheren Untergebenen vor,
(den frueheren Ministerialdirgenten, Maaszen,
der inzwischen Praesident des Bundesamtes fuer Verfassungsschutz ist)
der wiederum setzt den Generalbundesanwalt in Bewegung
und damit den Bundesjustizminister unter Zugzwang.

Vor diesem Hintergrund ist und war der Angriff auf netzpolitik.org,
mehr als nur eine Warnung an alle moeglichen, erdenklichen Whistleblower,
wie vielerorts vermutet wurde.

Vor diesem Hintergrund ist nur zu wahrscheinlich, dass
"der Vorwurf des Landesverrats" gegen einen
der groeszten deutschsprachigen politischen blogs
dessen Macher/innen auch fuer das Festival 're:publica' zeichnen,
der grosze Testballon des Geheimdienstkoordinators beim Bundeskanzleramt war.

Denn mit das ganz grosze Geschuetz, die anzeige wegen landesverrats
erfolgte, wie Markus Kompa bloggte:
Zitat:
... nur pro forma mit einem ganz anderen strategischen Ziel. ... Wo die Blogger tatsächlich bedroht werden, haben sie ausgerechnet in den betroffenen Artikel aufgezeigt: Online.
http://www.heise.de/-2766909
Zitatende.

Bei dem in der FAZ bloggenden Don Alfonso liest sich etwas konkreter:
zitat
Wie Justizminister Heiko Maas mit dieser Machtdemonstration gegenüber einem von der Verfassung geschützten, aber hier vom Verfassungsschutz angezeigten Medium umgeht, wird sich zeigen. Es ist ein Skandal, und es ist leider erst ein Vorgeschmack auf die Möglichkeiten, zu denen Maas genau diese Ämter ermächtigen will.
http://blogs.faz.net/deus/2015/07/31/hei...
zitatende

Die Landesverratsaffaere bleibt auf jeden Fall
ein bemerkenswerter Vorgang im Jahre 2 nach Snowden.

ENDE

vorab hatten wir im programm von mikro.fm folgenden beitrag gebracht: http://www.freie-radios.net/71988

im anschluss an diesen beitrag haben wir bei mikro.fm im programm von colaboradio (senderberlin.org) dann den folgenden beitrag gespielt:
http://dogmatic-podcast.info/de/download...


Kommentare
18.08.2015 / 08:13 hikE, Radio Unerhört Marburg (RUM)
in der Frühschicht 18.8.2015
gesendet. Danke!