Lichtenhagen im Diskurs 2: Wie wurde der BrandSatz gelegt?

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Vier Tage lang wütete im August 1992 der rassistische Mob vor dem Rostocker Sonnenblumenhaus: Molotov-Cocktails wurden geschmissen, rassistische Parolen gegrölt. Tausende Bürger und Bürgerinnen klatschten Beifall. Einige Wenige organisierten Protest dagegen. 2017 jährt sich das Pogrom zum 25. Mal.

Die Redaktion von "Lichtenhagen im Diskurs“ will Informationen geben, unterschiedliche Perspektiven darstellen, die z.T. bisher kaum Aufmerksamkeit erfahren haben und dadurch Diskussionen über das Pogrom von Lichtenhagen anstoßen.

Die zweite Sendung bildet ein Mitschnitt des Vortrags von Regina Wamper (Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung) zur Berichterstattung über Flucht und Asyl am 17.August im Peter-Weiss-Haus.
Audio
56:59 min, 78 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 18.08.2017 / 15:27

Dateizugriffe: 1959

Klassifizierung

Beitragsart: Anderes
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Serie: Lichtenhagen im Diskurs
Entstehung

AutorInnen: Tini Zimmermann
Radio: LOHRO, Rostock im www
Produktionsdatum: 17.08.2017
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
„Heiße Nächte“ kündigten die Norddeutsche Neuste Nachrichten im August 1992 an. In der lokalen Zeitung wurde der Inhalt eines anonymen Anrufs abgedruckt, in dem zu rassitischen Übergriffe auf die Asylsuchenden aufgerufen wurde, die vor der Zentralen Aufnahmestelle in Lichtenhagen leben mussten, weil die Aufnahmestelle überfüllt war.

Anstatt in der Berichterstattung zu fragen, warum die Menschen dort unter freiem Himmel übernachten mussten, warum das Ordnungsamt es nicht genehmigte Müll-und Toilettencontainer aufzustellen, warum die Lebenssituation der Geflüchteten nicht verbessert wurde, machten die lokalen Zeitungen Stimmung gegen sie. Die Ostseezeitung zitierte in einem Artikel Jugendliche, die ankünidgten „daß die rumänischen Roma ‚aufgeklatscht‘ werden“ sollten, und voraussagten: „die Leute, die hier wohnen, werden aus den Fenstern schauen und Beifall klatschen“.

Die lokalen Zeitungen haben ganz klar eine Mitverantwortung für das Pogrom, das in den Tagen darauf in Lichtenhagen stattfand. Sicherlich, das ist ein besonderes – ein besonders erschreckendes Beispiel. Aber der mediale Diskurs über Flucht und Asyl ist durchsetzt von Rassismen, das hat das Duisburger Institut für Sprach-und Sozialforschung seit den 1990er Jahren in zahlreichen Untersuchungen festgestellt. Und das gilt auch noch heute.

Regina Wamper vom Duisburger Institut für Sprach - und Sozialforschung setzt sich in ihrer Forschungsarbeit kritisch mit Rassismus, Anti-Feminismus und rechten Strukturen auseinander. Erst kürzlich hat sie gemeinsam mit Margarete Jäger einen Band über den Fluchtdiskurs in deutschen Medien 2015 und 2016 herausgegeben. In ihrem Vortrag spricht sie darüber, wie deutsche Leitmedien Bilder von Flucht und Migration nutzen, die Menschen als Massen darstellen.

Dabei erinnert die Thematisierung von Flucht und Migration 2015/2016 stark an die frühen 1990er Jahre. Auch damals wurde die Debatte durch Äußerungen der mediopolitischen Klasse rassistisch aufgeheizt; damals wie heute ist von ‚massenhaftem Asymissbrauch‘ die Rede. Damals wie heute wird durch eine Verschärfung der Asylgesetzgebung der Auffassung Vorschub geleistet, es seien die Geflüchteten selbst, die rassistische Ausschreitungen provozierten. Damals wie heute werden Flüchtlinge als Gefahr für den ‚inneren Frieden‘ angesehen. Und damals wie heute besteht ein Zusammenhang zwischen dem Fluchtdiskurs und rassischtischen Brandanschlägen.