Razzia gegen Zwiebelfreunde in Augsburg, Dresden, Berlin und Jena

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Etwa zeitgleich, als in Dortmund der Lange August durchsucht worden ist, gab es die besagte Razzia gegen die Zwiebelfreunde.
Wir wollen an dieser Stelle aufmerksam machen auf die Kampagnen gegen die Rote Flora, das JUZ in Mannheim, das Klapperfeld in Frankfurt/Main u.a. sowie Hausdurchsuchungen in Greifswald und in Berlin bei dem Kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit. Vermutlich gibt es weitere Fälle ...
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Upload vom 27.07.2018 / 23:32

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Entstehung

AutorInnen: Nachmittagsmagazin für subversive Unternehmungen; nfsu
Radio: FSK, Hamburg im www
Produktionsdatum: 27.07.2018
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Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Razzia gegen Zwiebelfreunde


O-Ton 1 Bartl
Und hier ist unser Lager-Regal. Da haben verschiedene Mitglieder...

Moritz Bartl steht im Openlab in Augsburg, einem Treffpunkt für Hacker. Es ist ein großer Raum mit viel Computerzubehör in Regalen. Hier war Bartl am 20. Juni mit der Polizei, um seinen Computer zu holen. Der Informatiker gehört dem Vorstand des bundesweiten Vereins Zwiebelfreunde an, bei dem gleichzeitig auch in Dresden, Berlin und Jena Durchsuchungen stattfanden. Als Bartl mit seiner Kiste nach draußen wollte, nahm der Fall eine neue Wendung.

O-Ton 2 Bartl
Und im Rausgehen ist einer der Beamten aufgefallen, wir haben da so'n Whiteboard hier, dass auf dem Whiteboard ne chemische Formel stand.

Wegen der chemischen Formel und einiger Chemikalien, die in dem Bastelverein herumstanden, verbrachte Bartl den Großteil des Tages im Polizeigewahrsam. Im Openlab brach die Polizei die Schränke auf, ohne nach einem Schlüssel zu fragen, erzählt er. Eine Liste der beschlagnahmten Gegenstände fehle bis heute. Das ursprüngliche Verfahren richtet sich gegen die Internetseite „Augsburg für Krawalltouristen“, die zu gewalttätigen Protesten gegen den AfD-Bundesparteitag aufrief, der zehn Tage nach der Razzia stattfand. In Sachen Openlab ermittelt die Polizei in diesem Zusammenhang immer noch wegen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion. Doch schon der Ursprung der bundesweiten Razzia war seltsam, denn der Verein Zwiebelfreunde hat mit dem Gewaltaufruf nichts zu tun.

O-Ton 3 Bartl
Wir als Verein, als Zwiebelfreunde, verwalten Projektgelder aus verschiedenen Quellen und für verschiedene Projekte aus dem Bereich Anonymität im Internet. Das bekannteste Projekt ist das Tor-Projekt.

Für das in den USA beheimatete Kollektiv Riseup führt der Verein das offizielle europäische Spendenkonto und wickelt ein paar Zahlungen ab. Riseup bietet kostenlose E-Mail-Postfächer an, ohne Daten zu erheben. Und eine Riseup-E-Mail-Adresse stand als Kontakt in dem Internetauftritt, gegen den sich das Verfahren richtet. Deshalb der Schlag gegen die Zwiebelfreunde. Verantwortlich ist die Generalstaatsanwaltschaft München, denn bei ihr ist die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus angesiedelt. Die Auszüge des Spendenkontos hat sie sich von der Bank geholt. In dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts München gegen Moritz Bartl geht es darüber hinaus um, Zitat, Nutzerdaten von Personen, die Riseup in Anspruch nehmen. Damit haben die Zwiebelfreunde aber offensichtlich nichts zu tun. Doch das ist nicht alles.

O-Ton 4 Bartl
D ie haben alle unsere Unterlagen beschlagnahmt. Also da sind Mitgliederlisten, Konten, die für andere Projekte genutzt werden, Quittungen, undsoweiter. Wir haben momentan gar nichts.

Der Durchsuchungsbeschluss hält aber klar fest, dass nur Gegenstände mit Bezug auf das laufende Jahr mitgenommen werden sollen. Deshalb bezeichnet der Anwalt der Zwiebelfreunde die Beschlagnahmungen in einem Fax an die Staatsanwaltschaft vom 3. Juli als offensichtlich grob rechtswidrig. Die Behörde teilte dennoch am Donnerstag auf Anfrage mit, Zitat: Es gibt keine Anhaltspunkte für rechtswidriges Verhalten der Polizei bei den Durchsuchungen. Sie hat aber immerhin einen Stopp der Auswertung angeordnet, bis ein Gericht darüber entschieden hat. Es geht nicht zuletzt auch um Daten von Menschen, die an Anonymisierungssoftwares wie Tails arbeiten und das über die Zwiebelfreunde abrechnen, hält Moritz Bartl fest.

O-Ton 5 Bartl
Und diese ganzen Quittungen waren in nem feuerfesten Safe, den die Polizei geöffnet hätte, wenn wir nicht kooperiert hätten und des rausgerückt hätten. Und das sind natürlich hochsensible Aktivistendaten. Das betrifft Leute aus verschiedenen Ländern: aus den USA, aus Spanien, aus Italien, aus Deutschland, die jetzt sozusagen davon ausgehen müssen, dass ihre Identität polizeibekannt ist.

Bartl kann sich vorstellen, dass es von vornherein um diese Daten ging. Eine ähnlich seltsame Polizeiaktion gab es am 4. Juli in Dortmund. Dort ging es um einen Server eines kleinen Anbieters, der in einem Projekthaus ein Büro hat, wie Constanze Kurz erzählt, Sprecherin des Chaos Computer Club.

O-Ton 6 Kurz
Da hat man quasi wegen eines bestimmten Rechners, den man beschlagnahmen wollte, das gesamte Haus durchsucht, alle anderen Vereine, dazu gehörte auch der Chaos Computer Club. Man ist mit brachialer Gewalt da vorgegangen. Man hat da sich ne halbe Stunde lang an Stahltüren abgearbeitet, hat die Feuerwehr gerufen.

Laut dem Wissenschaftsladen Dortmund, gegen den sich die Durchsuchung richtete, brach die mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizei fünf Türen auf und nahm statt eines Servers vier mit. Menschen in anderen, eigentlich nicht betroffenen Büros seien festgehalten worden, ohne nach außen kommunizieren zu dürfen. Zudem sei die zuständige Anwältin zunächst nicht ins Gebäude gelassen worden. Gehörte der Server der Telekom, würde so etwas nicht passieren, sagt Constanze Kurz. Sie sieht eine lange Tradition solcher Repressionsmaßnahmen gegen politische Projekte.

O-Ton 7 Kurz
Ick glaube schon, dass et ne Form von struktureller Repression gibt, die man thematisieren muss.

Kurz und Bartl berichten, dass sich viele politisch aktive Menschen nun Gedanken über ihre Rechte machen, ihre Daten besser verschlüsseln und sich Telefonnummern von Anwältinnen und Anwälten zurechtlegen. Einige zeigen sich demnach eingeschüchtert und fahren ihr Engagement zurück, um ihre Familien und ihre berufliche Tätigkeit zu schützen. Viele andere lassen sich aber nicht abschrecken.
(Beitrag von Ralf Hutter)

Kommentare
30.07.2018 / 11:53 Radio Aktiv Berlin, Free-Mumia-Bündnis
Übernahme
wird am Mi. 1. August im Piradio-Verbund in Berlin (88,4) und Potsdam (90,7) laufen - vielen Dank für den Beitrag
 
31.07.2018 / 08:55 hikE, Radio Unerhört Marburg (RUM)
in Frühschicht 31.7.2018
gesendet. Danke!