Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte für Alle - Euromarsch und grenzüberschreitende Demo in Basel

ID 17101
 
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Am Samstag überquerten 1500 Menschen symbolisch die Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland. Sie forderten Bewegungsfreiheit und Bleiberecht für alle Menschen in Europa. Die Demo war Teil des Schweizer Arms des Euromarschs zum G8-Gipfel.
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12:46 min, 12 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 06.03.2008 / 19:37

Dateizugriffe: 831

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Politik/Info
Serie: MoRa3X
Entstehung

AutorInnen: Anna
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 29.05.2007
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Am Samstag, 26. Mai in Basel. Euromarsch und grenzüberschreitende Demonstration steht auf dem Flugblatt. Ca. 1500 Menschen sind dem Aufruf gefolgt, aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich. Im Zentrum des Anti-G8 und des heutigen Protests steht das Thema Prekarisierung und Migration.

Die Euromärsche, als Sternmarsch aus verschiedenen Teilen Europas kommend, werden alle heute die Grenzen nach Deutschland überschreiten. Der Schweizer Arm der Euromärsche ist am 19. Mai in Genf gestartet, war in Nyon, Renens, Lausanne, Freiburg, Bern und erreicht heute die Grenzstadt Basel. Die Schweizer Euromarschierenden haben demonstriert gegen die Politik der WTO und prekäre Beschäftigung, debattiert über Armut, Grundeinkommen und vieles andere. Heute in Basel steht im Vordergrund die Forderung: Bewegungsfreiheit und gleich Rechte für alle!

Die Utopie noch im Mund hin- und herschaukelnd erreichen die Reden bald wieder den Boden der Wirklichkeit: Illegalisierung, Prekarisierung und Abschottung werden unter die Lupe genommen und angeprangert. Freiheit – was für ein schönes Wort! Nur für wen gilt sie, fragen sich die Demonstrierenden.

Die Freiheit des Kapitals – der freie Handel, Freiheit der Finanzmärkte (das natürlich vergisst Attac nicht zu erwähnen) auf der einen Seite, auf der anderen: Unfreiheit der von dieser Freiheit in Armut, Verelendung und Unterdrückung gezwungenen. Frei zwar wie alle anderen unter der Brücke zu schlafen, aber bitte nicht unter den Brücken Europas. Frei, sich an den Ufern des Südens in ein Boot zu klemmen, nicht frei aber, an den nördlichen Küsten Europas wieder auszusteigen, wenn nicht schon der Ozean so frei war, sie in seine schützenden Tiefen zu zwingen. Nicht ganz freiwillig, ist zu vermuten.

Und die irgendwie ankommen...

Aber manche bleiben. Und das ist auch gewollt. Aber wie bleiben sie und wo? Wie bleibt ein Mensch, der gar nicht ist, nicht sein darf, jedenfalls nicht hier.

Prekarität aber existiert nicht nur unter Illegalisierten und auf dem Arbeitsmarkt, prekär, so die Ansicht Walter Schlechts von Aktion Bleiberecht, ist die gesamte Lebenssituation von Flüchtlingen in Deutschland und in Europa.

Die Demonstration macht ihrem Namen „ Euromarsch“ alle Ehre. Die Demo zur Demo befördert die aus Deutschland teilnehmenden von Weil über die Grenze in die Innenstadt von Basel. Auch Flüchtlinge sind darunter. Erst am Morgen hat die Polizei zugesagt, keine Identitätskontrollen durchzuführen. Um für ihre Rechte auf die Straße gehen zu dürfen, müssen zahlreiche bürokratische Hürden genommen werden. Nach der Kundgebung in Basel geht es dann weiter zum Ausschaffungsgefängnis Bösslergut, die in Stein, Zäune und Stacheldraht gegossene europäische Migrationspolitik.

Scheinbar ja. Hier sitzen all diejenigen, die den Mut hatten an die Tore des europäischen Reichtums anzuklopfen. Doch kaum drin verschwanden sie schon wieder hinter den Toren des Abschiebeknastes. In Deutschland in herrlichem Euphemismus Ausreisezentrum genannt, wagen sich die Schweizer schon näher heran an die Wahrheit: Ausschaffungsgefängnis also.

Eines Verbrechens meinen die Demonstrierenden, haben sich die Gefängnisinsassen jedenfalls nicht schuldig gemacht:

Neben den demotypischen allgemeinen Platzhaltern, wird vor dem Bässlergut auch die Forderung aufgestellt, die rechtlichen Schritte zur Abschiebung von Mehmet Esiyok und Zeynep Yesil aufzuheben. Die beiden Kurden suchten in der Schweiz Asyl, sollen jedoch jetzt in ihren Verfolgerstaat Türkei abgeschoben werden.

Die Türkei ist dafür bekannt, politisch Oppositionelle über Interpol als Kriminelle suchen zu lassen. Doch für die Schweiz- und solche Fälle sind auch aus Deutschland bekannt- ist dies immer ein willkommener Grund zur Abschiebung. Denn: Sicherheit geht vor. Sicherheit wird hoch geschätzt in Europa. Doch auch hier wieder: wessen Sicherheit meinen sie denn eigentlich?

Im Gegenteil meint ein Redner der Straßburger Initiative „Alternative Liberté“.

Bevor wir die Grenze ein zweites Mal überqueren, werden noch ein paar Grußworte an die Insassen des Ausschaffungsgefängnis gerichtet. Ein paar Vorhänge wehen vor den Fenstern weit hinter den hohen Zäunen, an denen zum Abschied ein einsames schwarzes Tuch hängen bleibt. Einige Inhaftierte winken, aber es wirkt weniger wie ein Gruß, als wie ein Hilferuf.
Die Kundgebung grüßt zweimal und in verschiedenen Sprachen, aber auch von der Seite diesseits des Zaunes bleibt es ein trauriger und hilfloser Gruß.

Nach über vier Stunden endet die Demo auf einem menschenleeren Parkplatz in Weil-Otterbach. Ein Gewitter zieht auf, alle sind erschöpft von den anderen Welten, die angeblich möglich sein sollen und zum Glück gibt es einen Bus von Verdi zurück ins traute Freiburg. Manchmal ist die Gewerkschaft halt doch zu was gut. Noch fern in den Augen klingen die pathetischen Worte aus Frankreich zum Abschied...