Buchtipp: "Der bewaffnette Freund"

ID 18374
 
Raul Zeliks Roman ist ein Buch über Freundschaft, ein Buch über die baskische Sprache und Literatur, ein durchweg politisches Buch aber auch eine sehr spannende Road-Novel.
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Upload vom 10.08.2007 / 22:06

Dateizugriffe: 15

Klassifizierung

Beitragsart: Rezension
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur
Serie: Radio Palmares - Magazin
Entstehung

AutorInnen: mk
Kontakt: tomschrott(at)yahoo.com
Radio: PalmaresPB, Paderborn im www
Produktionsdatum: 10.08.2007
keine Linzenz
Skript
Anmoderationsvorschlag:
Raul Zelik sorgte zuletzt mit seinem Roman „Berliner Verhältnise“ für aufsehen. Daneben ist er als Kenner Südamerikas unter anderem Autor von „Made in Venezuela“, einem Buch über die bolivarische Revolution. Im neuen Roman von Zelik, geht es ums Baskenland.

SPRECHER 1:
Für den Roman "Der gefrorene Mann“ erhielt der baskische Schriftsteller Joseba Sarrionandia 2001 einen renommierten Preis der Literaturkritik Spaniens. Das besondere an dieser Preisverleihung:
Der Autor lebt schon seit mehr als 20 Jahren im Untergrund.
Der in Berlin lebende Autor Raul Zelik hat diesen Roman vor kurzem ins Deutsch übersetzt, im Oktober wird er erscheinen.
Das "Eingefroren-sein" wird hierin als eine Metapher für die Flucht verwendet, für einen bleiernen, sprachlosen Zustand.
Raul Zelik bricht genau wie Sarrionandia diese Sprachlosigkeit und hat nun auch seinen eigenen Roman zum Konflikt und zum Schicksal der illegalen baskischen Widerständler vorgelegt.
Es ist ein Buch über Freundschaft, ein Buch über die baskische Sprache und Literatur, ein durchweg politisches Buch aber auch eine sehr spannende Road-Novel. Die Geschichte:

SPRECHER 2:
alex, Mitte dreißig, kehrt im Rahmen eines Forschungsprojekts nach Bilbao zurück, wo er früher regelmäßig seine Ferien verbrachte. Kurz nach seiner Ankunft erfährt er, dass auch sein alter Freund Zubieta zurückgekommen ist. Zubieta hatte einem befreundeten Schriftsteller vor zwanzig Jahren zur Flucht aus dem Gefängnis verholfen und lebt seitdem im Untergrund. Als Alex eine Nachricht von Zubieta zugespielt wird, ist er hin- und hergerissen. Die Freundschaft zwischen den beiden reicht weit zurück, doch das Risiko, sich mit Zubieta zu treffen, ist groß. Im Baskenland herrscht Ausnahmezustand, nicht nur Anschläge von Zubietas Organisation, sondern auch Folterungen durch die Polizei gehören zum Alltag in der Region.

Schließlich begleitet Alex den Freund auf eine Reise über die iberische Halbinsel - eine 600 Kilometer lange Fahrt zwischen Angst und Zweifeln.

Sprecher 1:
Der reale Hintergrund auf den sich Raul Zelik bezieht, führt wiederum zum Autor Joseba Sarrionandia. Der 1958 in Iurreta im Baskenland geborene Schriftsteller wurde 1980 als ETA-Aktivist zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt und lebt seit seiner spektakulären Flucht aus dem Gefängnis 1985 im Untergrund. Der bewaffnete Freund, den Raul Zelik hier als zweite Hauptfigur skizziert, ist der Befreier des Literaten, so wird es Alex jedenfalls erzählt und davor hat dieser besonderen Respekt.

Ein reales Vorbild für die Figur des Zubieta war sicher unter anderem ETA-Führer Mikel Albizu. Im südfranzösischen Béarn wurde er 2004 in Begleitung seiner Frau und seines Sohnes verhaftet.
Auch Albizu, der zuvor 1985 untertauchte, hat, wie die Figur Zubieta im Roman, all die Jahre geschrieben. Sogar während seiner Zeit in der Illegalität: Theaterstücke, Prosa, Songtexte. So schrieb er auch einige Lieder der legendären Punkrock-Band Kortatu, deren Sänger Fermin Muguruza gerade seine neueste Soloplatte präsentiert. Der spätere ETA-Führer Albizu tauchte 1985 unter, weil er als Fluchthelfer agierte.

Diesen Hergang übernimmt Zelik auch in die Biographie der Romanfigur Zubieta: Bei einem Konzert hatte er sich, so heißt es, als Tontechniker ins Gefängnis von Martutene eingeschlichen und in Musikboxen zwei verurteilte ETA-Mitglieder aus der Haftanstalt geschafft.
Einer der beiden Flüchtigen war Joseba Sarrionandia.

Raul Zeliks Reise geht ins innere eines Konflikts:
Dabei beschreibt er die Sichtweise der baskischen Befreiungsbewegung, aber auch die rechtmäßige Kritik an Terrorismus und identitärer nationalistischer Politik. Das gute an dem Buch: Die Konflikte und Diskussionen die auf dieser Reise zwischen Alex und Zubieta ausgetragen werden sind nicht aufgesetzt, sondern berühren den Leser und involvieren ihn in die Fragestellungen zwischen Freundschaft, Sympathie und der Abscheu vor der terroristischen Gewaltanwendung.

SPRECHER 2:
S. 199, Zubieta drückt den Kopf... irgendwelche Gemeinderäte?“

SPRECHER 1:
Während Alex Aufenthalt im Baskenland und insbesondere während seiner geheimen Irrfahrt mit dem gesuchten Zubieta werden die schwierigen Verhältnisse des heutigen Spanien an die Oberfläche gespült: Das Buch zeigt das auf, was ein Stück Realität ist Mitten in Europa: Neben den Opfer der ETA Attentate sind da auch die

ehemaligen Mitglieder des Franco-Regimes, heute noch hohe politische Posten einnehmen,
es gibt Folter auf Polizeiwachen
und Hunderte von politischen Häftlingen sitzen im Gefängnis.
Baskische Aktivisten sprechen von 7000 Menschen, die im Baskenland seit Beginn der Demokratisierung gefoltert wurden. Raul Zeliks Buch ist aber auch ein Roman über die baskische Sprache und die baskische Literatur. Der Autor Raul Zelik schrieb selbst dazu in einem Artikel in der Zeitschrift FREITAG:

SPRECHER 2:
Das Baskische gilt immer noch als Ort des Experiments und der Widerständigkeit. Seine Aneignung nach der Franco-Diktatur war für eine ganze Generation Ausdruck politischer Gesinnung, und trotz des Autonomiestatuts ist die Verwendung des Euskera, das in Spanien und Frankreich nach wie vor nicht gleichberechtigt behandelt wird, bis heute ein Politikum.

SPRECHER 1:
Das der Autor die kulturellen Hintergründe des Konflikts so gekonnt einbindet macht dieses Buch umso lesenswerter. Daneben ist es aber auch einfach spannende Lektüre, die gleichzeitig politisches Bewusstsein weckt und nebenbei auch die Flüchtlingskatastrophe vor den Spanischen Küsten und die Situation der Landlosen in Brasilien in die Story einspinnt, dabei aber nur selten platt daher kommt.

Während Joseba Sarrionandias Anfangs erwähnter Roman vom Zustand des Eingefroren-seins handelt, geht es bei Zelik aber am Ende ein wenig aufgetauter zu : Bei allen Widersprüchen und Problemen, scheint für Zubieta doch ein anderes, privates Glück möglich. Das bleibt am Ende zumindest offen, soviel sei hier schon verraten.


Abmoderationsvorschlag:
Der Roman „Der bewaffnete Freund“ ist erschienen beim Münchner Verlag Blumenbar und ist für 18 Euro zu haben.



Kommentare
13.08.2007 / 12:21 RDL, Radio Dreyeckland, Freiburg
gesendet
Infomagazin vom 14. August
 
13.08.2007 / 12:36 alex, Radio Corax, Halle
gespielt
im mittagsmagazin.
 
09.09.2007 / 20:38 theo,
gesendet am 8.9.2007 zwischen 18.00-18.35 in "Bücher und Texte"
danke