Antifaschist und Gewerkschafter Angelo Lucifero geschasst

ID 20459
 
ANMOD:

Angelo Lucifero war bis vor kurzem Thüringer Gewerkschaftssekretärs bei ver.di. Doch Mitte Dezember wurde er suspendiert. Verdi begründet das damit, dass Lucifero „persönliche politische Arbeit auf Kosten und mit Mitteln der Gewerkschaft ver.di betrieben“ habe.
Über die außerordentliche Kündigung freuen sich insbesondere die NPD und andere Rechtsextreme. Denn Lucifero ist engagierter Antifaschist, ein Feinbild der NPD und wird seit Jahren massiv bedroht.
Eine Welle der Solidarität schlägt dem geschassten Lucifero dagegen aus Gewerkschaftskreisen entgegen.
Heike Demmel hat sich auf die Suche nach den Hintergründen für die drastische arbeitsrechtliche Maßnahme ausgerechnet einer Gewerkschaft gemacht:


ABMOD:
Ob Lucifero tatsächlich von seinem Posten als Gewerkschaftssekretär fliegt wird Ende dieser Woche klar sein, hat verdi-Bezirksleiter Voss angekündigt, der für die Kündigung zuständig ist.
Der Prozess wegen der Schüsse Luciferos beginnt am kommenden Mittwoch
vor dem Erfurter Amtsgericht um 8 Uhr. Fortgesetzt wird er dann eine Woche später. Und wer sich weiter informieren will: auf der homepage der Gewerkschaftslinken, auf labournet, sind jede Menge Informationen zur Kündigung zusammengestellt:
www.labournet.de
Audio
07:06 min, 4161 kB, mp3
mp3, 80 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 08.01.2008 / 19:20

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Arbeitswelt, Politik/Info
Serie: zip-fm - Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: Heike Demmel
Radio: RadioZ, Nürnberg im www
Produktionsdatum: 08.01.2008
keine Linzenz
Skript
Skript:

Sie waren sich schon lange nicht mehr grün, die Führung von ver.di Thüringen und der Gewerkschaftssekretär Angelo Lucifero. Doch nun will ver.di den engagierten Antifaschisten und streitbaren Gewerkschafter ganz loswerden: das Kündigungsverfahren gegen Lucifero ist eingeleitet, Ende dieser Woche soll alles über die Bühne sein. Hausverbot hat er schon, die Schlösser zu seinem Büro sind ausgetauscht. Die konkreten Vorwürfe gegen Lucifero formuliert Thomas Voss, Landesbezirksleiter von ver.di Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, so:

O-Ton Voss

Lucifero soll also mit ver.di-Mitteln seine eigene politische Arbeit finanziert und gefördert haben. Und dabei Portozähler und Adressen, die er aus seiner Gewerkschaftsarbeit hatte, genutzt haben. Ohne Billigung der Dienstleistungsgewerkschaft.
All dies war durchaus Teil von Luciferos gewerkschaftlichen Arbeit, meinen dagegen die „GewerkschafterInnen gegen Rechts“, Steffen Dittes ist empört über den drohenden Rausschmiss Luciferos und die Anschuldigungen:

O-Ton Dittes

Vorgeschobene und haltlose Gründe sind es nach Ansicht der „GewerkschafterInnen gegen Rechts“, die ver.di da jetzt vorbringt. Gegen den Linksaußen und dezidiert antifaschistisch auftretenden Lucifero. Doch ver.di spricht auch von einer Beleidigung in einem Personalgespräch und einem insgesamt unmöglichen Miteinander arbeiten:

O-Ton Voss

Doch ob das wirklich die wahren Gründe sind? Viele glauben: nein. Tatsächlich schwelt in Thüringen schon seit vielen Jahren ein Konflikt innerhalb von ver.di. Entscheidend dabei: die Frage, wie man mit Rechtsextremismus umgeht, gegen ihn angeht. Schon 1997 wurde in dortigen Gewerkschaftskreisen heftigst diskutiert über das Motto einer antifaschistischen Demonstration in Saalfeld, das da hieß „Den rechten Konsens durchbrechen!“ und um die Art und Weise der Antifaarbeit.

O-Ton Dittes

Der Konflikt um unterschiedliche Linien eskalierte immer mehr, während Lucifero zum Feindbild der NPD wurde und auch mehrfach niedergeschlagen wurde.
Im März 2007 dann der Höhepunkt der Auseinandersetzungen: Lucifero wurde während einer Demonstration von Rechtsextremisten angegriffen – und zückte eine Schreckschusspistole, drückte mehrmals ab.
Notwehr, wie Lucifero meint? Oder eine völlig überzogene, unzulässige Reaktion? Das meinte ver.di dazu, sprach eine Abmahnung gegen Lucifero aus und Bezirksleiter Voss schrieb damals: „Wir können und wollen uns nicht der gleichen Mittel bedienen, wie man sie auch dem rechtsradikalen Raum kennt.“
In einer Woche wird es vor Gericht in Erfurt um die Schüsse gehen.
Doch mit all dem hat die jetzige Kündigung nichts zu tun, sagt Voss:

O-Ton Voss

O-Ton Dittes

Doch genau das passiert nicht. Im Gegenteil: Reihenweise erklären sich KollegInnen mit Lucifero solidarisch, es hagelt Protestbriefe gegen ver.di.
Unterstützung kann Lucifero gut brauchen: Nicht nur bei der außerordentlichen Kündigung durch ver.di. Sondern auch in dem Prozess um die Schüsse vom März 2007, wegen derer Lucifero nächste Woche vor Gericht stehen wird. Was von solchen Mittel zu halten ist, darum kann man sich natürlich streiten, meint Dittes von den „GewerkschafterInnen gegen Rechts“. Doch dabei muss zwingend berücksichtigt werden, in welcher Bedrohung Lucifero seit vielen Jahren lebt, meint er:

O-Ton Dittes

Doch zurück zum Kündigungsverfahren durch ver.di. Der Betriebsrat hat sich ausdrücklich gegen die außerordentliche Kündigung Luciferos ausgesprochen, doch ein Vetorecht hat er nicht. Weil Lucifero wegen Tinnitus als schwerbehindert gilt, muss das Integrationsamt zustimmen. Die Anhörung dort war am gestrigen Montag, bis zum Donnerstag dort entschieden werden. Nicht unwahrscheinlich, dass sich alle Beteiligten demnächst vor dem Arbeitsgericht wieder treffen.
Egal wie es ausgeht: Beifall hat ver.di jedenfalls schon mal von ungewollter Seite: die NPD jubelt und hat ihre Mitglieder dazu aufgefordert bei ver.di einzutreten, angesichts des, so wörtlich „einsetzenden Tauwetters“. ver.di hat das zwar ausdrücklich zurückgewiesen. Dennoch hat sie, wenn sie Lucifero tatsächlich kündigt, einen kompromisslosen, oft polarisierenden Antifaschisten weniger in ihren Reihen.

Kommentare
08.01.2008 / 20:58 Ralf, Radio Corax, Halle
im Morgenmagazin am 9.1. gesendet
Thanks Kollegas, aber eine etwas hoehere bitrate ware wirklich gut, unterhalb von 128 kbps klirrts ganz ordentlich im Radio
 
10.01.2008 / 17:40 Manu, Radio Z, Nürnberg
gesendet...
...in zip FM am Donnerstag, den 10.01.2008