Die Abzockmaschine stockt

ID 25110
 
AnhörenDownload
Passend zum Chaos an den Börsen und Finanzplätzen im Oktober 2008 erschien im Papyrossa Verlag ein kleines Büchlein mit dem Titel Ende der Party. Der Autor, Lucas Zeise, kann als Insider gelten. Als Finanzjournalist war er an der Gründung der Financial Times Deutschland mitbeteiligt. Die jetzige Finanzkrise ist nicht die erste und wird auch nicht die letzte bleiben. Aber sie ist erklärungsbeürftig und hierzu trägt sein Buch bei. Es ist so aktuell, wie ein Buch nur sein kann. Kurz nach Redaktionsschluß brach im Oktober die Panik so richtig aus.

Auf 196 Seiten beschreibt Lucas Zeise auch für ökonomische Laien verständlich das Innenleben und die Funktionsweise der Spekulationsblase, die sich nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes im Jahr 2000 neu gebildet hat. Doch wer könnte den Inhalt seines Buches besser zusammenfassen als der Autor selbst? Praktischerweise kam er am vergangenen Dienstag auf Einladung der DKP zu einem Vortrag in den Linkstreff Georg Fröba nach Darmstadt. In der folgenden Stunde hört ihr deshalb den Vortrag von Lucas Zeise, den er über das Ende der Party gehalten hat.
Audio
01:00:00 h, 27 MB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 25.11.2008 / 16:34

Dateizugriffe: 355

Klassifizierung

Beitragsart: Anderes
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Walter Kuhl
Kontakt: info4(at)waltpolitik.de
Radio: dissent, Darmstadt im www
Produktionsdatum: 24.11.2008
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Eine Stunde nur Wort!

Die einstündige Sendung kann den lokalen Radiogegebenheiten entsprechend angepaßt werden. Hier die möglichen Schnittflächen:

00:00 Jingle
00:14 Anmoderation
01:45 Vortrag Lucas Zeise
49:51 Zwischenmoderation
50:04 Nachschlag Lucas Zeise
54:28 Jingle
54:42 Abmoderation
60:00 Ende


Die Sendung wurde bei Radio Darmstadt aufgrund des schon seit Monaten grassierenden "Minute 34-Syndroms" nur unvollständig ausgestrahlt.


Sendemanuskript:

Passend zum Chaos an den Börsen und Finanzplätzen im Oktober 2008 erschien im Papyrossa Verlag ein kleines Büchlein mit dem Titel Ende der Party. Der Autor, Lucas Zeise, kann als Insider gelten. Als Finanzjournalist war er an der Gründung der Financial Times Deutschland mitbeteiligt. Die jetzige Finanzkrise ist nicht die erste und wird auch nicht die letzte bleiben. Aber sie ist erklärungsbeürftig und hierzu trägt sein Buch bei. Es ist so aktuell, wie ein Buch nur sein kann. Kurz nach Redaktionsschluß brach im Oktober die Panik so richtig aus.

Auf 196 Seiten beschreibt Lucas Zeise auch für ökonomische Laien verständlich das Innenleben und die Funktionsweise der Spekulationsblase, die sich nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes im Jahr 2000 neu gebildet hat. Doch wer könnte den Inhalt seines Buches besser zusammenfassen als der Autor selbst? Praktischerweise kam er am vergangenen Dienstag auf Einladung der DKP zu einem Vortrag in den Linkstreff Georg Fröba nach Darmstadt. In der folgenden Stunde hört ihr deshalb den Vortrag von Lucas Zeise, den er über das Ende der Party gehalten hat.

Am Mikrofon ist Walter Kuhl von der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt.

Vortrag 48:05

Veranstaltungen dieser Art enden in der Regel in einer Diskussionsrunde. So auch hier. Einige Ausführungen veranlaßten den Finanzjournalisten Lucas Zeise zu heftigem Widerspruch.

Nachtrag 5:24

In der vergangenen Stunde hörtet ihr einen Vortrag von Lucas Zeise über das Ende der Party, gehalten auf Einladung der DKP am 18. November im Linkstreff Georg Fröba in Darmstadt.

Die Frage nach der Revolution verweist uns an den Anfang des Vortrags von Lucas Zeise: die Verhältnisse sind reif für eine Veränderung, aber wir sind nicht bereit. Lucas Zeises Buch Ende der Party endet deshalb auch mit recht pragmatischen, ja geradezu handzahmen Positionen. Selbstverständlich muß das Finanzsystem wieder einer demokratischen Kontrolle unterworfen werden. Schon die durchaus löchtigen Regeln anzuwenden, die sich das internationale Finanzsystem selbst gegeben hat, also die beiden Abkommen von Basel, würde sicherlich die eine oder andere Spekulationsblase verhindern können.

Andererseits teile ich die Position von Lucas Zeise nicht, wenn er den Zentralbanken und den Institutionen der Finanzaufsicht Versagen vorwirft. Zwar sagt auch er, daß diese Institutionen gar nicht in der Lage waren, das Finanzsystem zu kontrollieren. Entscheidend ist jedoch, daß der aufgeblähte Finanzsektor Ausdruck derselben neoliberalen Blase ist wie seine Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und eben auch Finanzaufsicht. Das Besondere am neoliberalen Wahnsinn ist doch, althergebrachte Strukturen aufzubrechen und hierdurch neue Möglichkeiten zur Steigerung der Profitrate des Gesamtsystems zu eröffnen.

Die Mechanismen sind vielfältig: Deregulierung, Armutsgesetzgebung, Korruptionsbekämpfung gehören dazu genauso wie Hedge-Fonds. Gerade die Heuschrecken wirbeln nicht nur den Kapitalmarkt, sondern auch ganze Konzerne durcheinander. Die verbrannte Erde ist die Saat für neue Profite. Und genau darum geht es. Die sozialen Kosten haben das Kapital und seine Helfershelfer in Regierungen und Parlamenten noch nie interessiert.

Insofern habe ich auch Zweifel, was die Schwäche der herrschenden Klasse betrifft. Es ist richtig: das Finanzkapital hat sich auf Kosten der Realwirtschaft aufgebläht und wird jetzt eingedampft. Aber das, was wie Schwäche aussieht, ist etwas anderes. Es gibt Zusammenarbeit zwischen den Regierungen nur, wo sie allen Beteiligten nützt oder wo Verluste abgewendet werden können. Ansonsten schaut auch hier jede und jeder, die eigenen Schäfchen ins Trockene zu holen und den Rest absaufen zu lassen. Nach mir die Sintflut.

Doch zurück zum Buch. Lucas Zeise zeigt uns recht genau, wie die globale Party organisiert worden ist, welche Tricks sich Banker haben einfallen lassen, wie das Finanzsystem funktioniert, und wir sind vielleicht gar nicht mehr so erstaunt, daß die Krise nach Redaktionsschluß des Buches fast schon so offen zutage trat, wie der Autor es beschrieben hat. Vor allem aber können wir die Sprechblasen von Frau Merkel nun genausogut einschätzen wie die des neuen Hoffnungsträgers in den USA, Barack Obama.

Die Revolution steht in der Tat nicht vor der Tür. Deshalb plädiert Lucas Zeise für vernünftige Lösungen, ohne das Kapital grundsätzlich in Frage zu stellen. Natürlich weiß er, wem es nützt, und er weiß auch, wer bluten muß. Nur mit gehörigem gesellschaftlichem Druck läßt sich aus der Krise die Korrektur von schwarz-gelb-rot-grüner Politik erreichen. Konjunkturprogramme mögen hier eine nützliche Sache sein. Doch die Frage bleibt: wem nutzen sie? Demokratische politische Kontrolle des Finanzwesens inklusive der Zentralbanken ist sicherlich nützlich und vor allem machbar. Aber wer kontrolliert diese Kontrolleure, die doch demselben politischen Personal und denselben wirtschaftlichen Verbindungen entstammen wie diejenigen, die kontrolliert werden sollen? Und eine weitere Frage bleibt völlig ausgeklammert: Geht auch diese Runde globalen Wahns zu Lasten der Milliarden Menschen in der Dritten Welt?

Das Kurieren von Krisensymptomen läßt das Monster weiter leben. Das ist nicht dem Autor anzulasten, sondern uns. Insofern kommt das Buch von Lucas Zeise zum richtigen Zeitpunkt. Es ist als Basisinformation wichtig und aufgrund seiner Anatomie des Finanzsektors lesenswert. Es erfordert jedoch – wie ich finde – andere und radikalere Schlußfolgerungen. Das Buch trägt den Titel Ende der Party und ist vor kurzem für 14 Euro 90 im Papyrossa Verlag erschienen.

Am Mikrofon war Walter Kuhl von der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt.

Kommentare
26.11.2008 / 12:14 Hagen, LORA München
Danke!
Läuft heute (26.11.2008) 21-21:58 Uhr, nur leicht um ca. 2 Min aus dem Nachtrag gekürzt.
 
27.11.2008 / 10:10 theo,
gesendet am 26.11.2008 / 22.02 in "Denkbaustelle Gesellschaft"
danke, die letzten 2.30 min nicht mehr, weil sich ab 23 Uhr Apollo-Radio aufschaltet, vorher etwas Orga-Chaos, deshalb verspäteter Beginn, schade.