Lars Quad­fa­sel - Wenn Post­fa­schis­tIn­nen zu sehr lie­ben (Vortrag)

ID 30800
 
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Im Rahmen der Vortragsreihe "Wann hört Macht auf? Hier fängt Macht an. Lass uns nicht von Sex reden." sprach Lars Quad­fa­sel am 16.11. im Café Wagner in Jena zum Thema: "Wenn Post­fa­schis­tIn­nen zu sehr lie­ben"
Audio
57:37 min, 13 MB, mp3
mp3, 32 kbit/s, Mono (22050 kHz)
Upload vom 21.11.2009 / 22:45

Dateizugriffe: 1281

Klassifizierung

Beitragsart: Rohmaterial
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Andere, Frauen/Lesben, Schwul, Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: marie
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 21.11.2009
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Zur Aus­trei­bung des Se­xu­el­len aus der Se­xua­li­tät:
Ador­nos Dik­tum über die Kul­tur­in­dus­trie, sie sei »por­no­gra­phisch und prüde«, ist längst zum Kenn­zei­chen des fal­schen Gan­zen ge­wor­den. Ob in Tratsch­spal­ten, auf Re­kla­me­ta­feln oder im Ge­sund­heits­be­trieb, in der öf­fent­li­chen Sorge um Schutz, Schwan­ger­schaft und Ge­bur­ten­zah­len oder im ge­mein­sa­men Ha­la­li auf »Kin­der­schän­der« und »Tä­ter­schüt­zer« (und nicht zu­letzt in der all­ge­gen­wär­ti­gen Fas­zi­na­ti­on fürs is­la­mis­ti­sche Schlei­er­spek­ta­kel) – so be­gie­rig wie miss­trau­isch wid­met sich die Ge­sell­schaft dem Be­geh­ren ihrer Sub­jek­te. Der er­reg­te Blick auf die frem­de wie die ei­ge­ne Geil­heit hat dabei am al­ler­we­nigs­ten luxe, calme et vo­lupté im Vi­sier. Ge­ra­de dort, wo – schein­bar ganz un­ver­klemmt – der selbst­be­wuss­te, sou­ve­rä­ne Um­gang mit der Ge­schlecht­lich­keit ein­ge­for­dert, gar das Be­kennt­nis zur ur­ei­ge­nen se­xu­el­len Iden­ti­tät pro­pa­giert wird, wird of­fen­bar, was ab­ge­wehrt wer­den muss, weil es sich kei­ner mehr leis­ten kann: der Trieb als das an­de­re in mir, der macht, das ich nicht ganz bei mir sel­ber bin.
Diese Ent­se­xua­li­sie­rung der Ge­schlecht­lich­keit ist Kon­se­quenz einer Ver­ge­sell­schaf­tung, die den Men­schen zum ge­knech­te­ten und ver­ächt­li­chen, also weder lie­bens­wer­ten noch zur Liebe fä­hi­gen Wesen macht. Sie tri­um­phiert daher ins­be­son­de­re unter jenen Ver­hält­nis­sen, die den – nicht nur me­ta­pho­risch – häss­li­chen Deut­schen her­vor­ge­bracht hat. Die Nach­fol­ge­staa­ten des »Drit­ten Rei­ches«, wel­ches die Strö­me des Eros er­folg­reich auf Volk und Va­ter­land lenk­te, wis­sen das Res­sen­ti­ment gegen Liebe & Li­ber­ti­na­ge wei­ter­hin in Dienst zu neh­men. Galt es in der Nach­kriegs­zeit noch, den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus sel­ber als einen per­ver­sen Ex­zess zu brand­mar­ken, dem­ge­gen­über frei­lich der »klei­ne Mann« seine li­bi­di­nö­se Un­schuld be­wahrt habe, so ver­schob sich in der Fol­ge­zeit, zahl­rei­cher se­xu­el­ler Re­vo­lu­tio­nen sei dank, das Wunsch­bild der de­mo­kra­ti­sier­ten Volks­ge­nos­sIn­nen auf die Po­si­ti­on des un­be­fleck­ten Ver­füh­rers: auf den des sou­ve­rä­nen (männ­li­chen oder weib­li­chen) Her­ren, der sich seine Quan­ten Kraft durch se­xu­el­le Freu­de selbst­be­wusst zu­teilt. Gütig un­ter­stützt wird er dabei von einem pa­trio­tisch-kul­tur­in­dus­tri­el­len Kom­plex, des­sen jüngs­tes Meis­ter­stück in Sa­chen Ero­ti­sie­rung der Na­ti­on an­läss­lich der Män­ner-Fuß­ball­welt­meis­ter­schaft 2006 zu be­wun­dern war: ein na­tio­na­ler Sum­mer of Love, der die Ge­bur­ten­ra­ten neun Mo­na­te spä­ter in un­ge­ahn­te Höhen schie­ßen ließ.

Lars Quad­fa­sel, ehe­ma­li­ger Kin­der­gärt­ner, ist as­so­zi­iert in der Ham­bur­ger Stu­di­en­bi­blio­thek und ist Teil der Grup­pe Kitt­kri­tik sowie der Grup­pe Ratio Rausch Re­vo­lu­ti­on. Er stu­dier­te Ger­ma­nis­tik und pu­bli­ziert in ver­schie­de­nen Zeit­schrif­ten (u.a. kon­kret, Jung­le World, pha­se2, taz) und Sam­mel­bän­den. Seine The­men­schwer­punk­te sind: Post­fa­schis­mus, psy­cho­ana­ly­ti­sche und Kri­ti­sche Theo­rie, Kri­tik der Kul­tur­in­dus­trie und Buffy Stu­dies.

Weiter Informationen zur Vortragsreihe: www.koerpermacht.blogsport.de