Kommentar zum Klimagipfel in Kopenhagen

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Der Kommentar zeigt die Unfähigkeit der Gipfelteilnehmer zu ernsten Konsequenzen aus dem durch den Menschen verursachten Klimawandel sowie die Notwendigkeit einschneidender Maßnahmen.
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Upload vom 29.12.2009 / 19:48

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Arbeitswelt, Wirtschaft/Soziales
Entstehung

AutorInnen: Peter Lehmann
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 23.12.2009
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Kommentar zum Klimagipfel

45 000 akkreditierte Teilnehmer in Kopenhagen bei einer Weltklimakonferenz, der ganz normale Wahnsinn!
Berücksichtigt man, daß die bisher verantwortungslos agierenden Entscheidungsträger schon im Vorfeld Stellungnahmen zuhauf abgaben, die von ihrer Uneinsichtigkeit in die Dimension des verharmlosend als Klimawandels bezeichneten Phänomens zeugen, hätte man den Gipfel absagen können.
Es ist gut, daß kein Beschluß gefaßt wurde, denn so ist die Pleite wenigstens nicht kaschiert worden.
Der letzte Klimagipfel in Kyoto war schon eine Schauveranstaltung.
In Kyoto hatten sich die Teilnehmer verpflichtet, ihre Emissionen um bestimmte Beträge zu senken.
Leider hatte das zur Stabilisierung des Weltklimas keine Relevanz.
Zum einen wurde der Zeitpunkt, der für die Berechnung maßgeblich war, nämlich das Jahr 1990, geschickt gewählt. Denn dadurch wurde durch den Zusammenbruch der energieintensiven Industrieproduktionen der DDR und der Ostblockstaaten ein rechnerischer Rückgang der Emissionen erreicht.
Dabei bleibt unberücksichtigt, daß jetzt beispielsweise ein energieintensives Produkt wie Baustahl eben in China und nicht in Polen produziert und dann importiert wird.
Zum anderen sind die Emissionszahlen rechnerische Konstrukte mit erheblichen Unsicherheiten und keine Meßungen.
Denn – obwohl sich die Industriestaaten im Kyotoabkommen zu einer Evaluierung der Menge von Treibhausgasemissionen durch Messungen verpflichtet haben - gibt es bis jetzt nur sehr wenige und bei weitem nicht ausreichende Erfassungen der tatsächlichen Mengen.
Bei SF6, einem Gas mit dem stärksten bekannten Treibhauseffekt, das zur Isolation in Hochspannungsanlagen Verwendung findet, wurden beispielsweise nur 30% der tatsächlich global gemessenen Werte von den produzierenden Industriestaaten als Emmissionen gemeldet.
Da läßt sich natürlich gut über Prozentzahlen verhandeln, wenn bei den Angaben der Emissionen dann die Freiheit der rechnerischen Methode den Ausschlag gibt.
Wenn Schweinegrippe ausbricht, herrscht berechnende weil für bestimmte Kreise profitable Panikmache, die zu völlig überzogenen Reaktionen der Entscheidungsträger führt.
Wenn die Erde hohes Fieber bekommt, wird Beamtenmikado gespielt. Es herrscht die Auffassung, wer sich als erstes bewegt, der hat verloren.
Nur wird das schon hohe und sich weiter steigernde Erdfieber zwangsläufig dazu führen, daß die Bewohner ihrer Kruste am Erdfieber sterben.
Nicht unbedingt diejenigen, die die Auslöser der Infektion sind.
Die Menschen aus dem Inselstaat Tuvalu sind nur ein kleiner Teil derer, die als Vorreiter der Betroffenen für den Erhalt Ihrer Lebenswelt kämpfen.
Selbst wenn das schon so gut wie verfehlte Ziel erreicht würde, die Erwärmung des globalen Temperaturanstiegs auf zwei Grad zu begrenzen, ist die Existenz des Inselstaates Tuvalu und etlicher weiterer so gut wie beendet.
Genauso ist an der Zunahme von Hungerkatastropen nicht zu zweifeln.
Man könnte von vorsätzlichem Entzug menschlicher Lebensbedingungen für die Mehrheit der Menschheit aus niedrigen materiellen Beweggründen sprechen.
Man könnte? Nein – man muß das tun.
Wer Ideologien über das Wohl und die Existenz von Menschen stellt, als verantwortungsloser Entscheidungsträger Vorfahrt für Wachstum und Arbeitsplätze vor allem anderen fordert, sollte sich an heute völlig unverständliche Ideologien aus der Historie der letzten zweitausend Jahre erinnern, die zu ihrer Zeit als völlig selbstverständlich betrachtet wurden.
Egal ob bei den Römern das Kreuzigen von Christen, im Mittelalter das Verbrennen von Hexen oder die Haltung von Sklaven in Nordamerika als Produktivkapital, zu ihrer Zeit wurden derartige Exzesse als Folge ideologischer Verblendung von der Mehrheit der Gesellschaft zumindest als unabänderlich hingenommen, verdrängt oder ignoriert.
So hat jede Zeit und Gesellschaft ihre blinden Flecken.
Aber noch nie in der Geschichte – außer von regional eher kleinräumigen Klimaveränderungen im Zweistromland und Mittelmeerraum aufgrund der Abholzung und Bodenerosion durch den Ackerbau – gab es die Situation, daß sich durch Ignoranz der Handelnden auf Jahrhunderte die Lebensbedingungen der Menschen weltweit massiv verschlechtern werden.
Es geht in Kopenhagen um ein Klimaschutzabkommen, mit dem eine Reduzierung der Emission von Treibhausgasen erreicht werden soll.
Dies, um den weltweiten Anstieg der Temperatur um zwei Grad zu verhindern.
Selbst wenn man es ernsthaft versucht hätte, mit einem solchen Gipfel wäre das nicht zu schaffen.
Denn das würde eine völlige Restrukturierung der Gesellschaft voraussetzen.
Es ist nicht mit ein paar Korrekturen hier oder da möglich, die in der Struktur unserer Industriegesellschaft liegenden Ressourcenverschwendung zu verhindern, eine wirksame Kur wäre das Ende der Industriegesellschaft.
So hat die sogenannte Wirtschaftskrise mehr zum Rückgang der Treibhausgasemissionen beigetragen, als das bislang irgendeine Konferenz oder ein Abkommen tun konnte.
Biosprit ist nicht die Lösung, um weiter tonnenweise Blech durch die Gegend zu karren, um sich zu bewegen.
Die industrielle Güterproduktion muß in der Menge reduziert werden, es gilt, mit weniger aber dafür besserem auszukommen.
Das wird auch Verzicht bedeuten, denn die Entscheidungen für ein Umsteuern kommen zu spät, so sie denn überhaupt und im notwendigen Umfang kommen.
Und es wird nicht von den Entscheidungsträgern abhängen, sondern von jedem einzelnen, ob eine Neuorientierung der Weltgesellschaft auf wirklich nachhaltige Lebensweise gelingt.
Nicht einfach nur Müll zu trennen, sondern grundsätzliche Entscheidungen zu treffen ist notwendig.
Schon so eine einfache Entscheidung wie die Frage: „Brauche ich ein Auto, darf ich einen Wochenendtrip nach Irland buchen oder ist es noch legitim, alle Räume meiner Wohnung im Winter auf t-shirttaugliche Temperaturen zu halten, muß ich gar Verzicht üben?“ - von vielen wird schon diese Frage immer noch als Zumutung betrachtet.
Aber was wird dann mit den Arbeitsplätzen, die beispielsweise an der massenhaften Produktion von Autos hängen?
Die gibt es dann nicht mehr, ganz einfach.
Es gibt genügend Arbeit für den Menschen, die nicht im ausreichendem Maße getan wird, etwa in der Bildung oder in der Pflege.
Wenn wir weiter menschenwürdig existieren wollen – was einem Großteil der Menschheit weltweit unter anderem aufgrund der übermäßigen Inanspruchnahme von Ressourcen durch die Industriestaaten nicht gegeben ist – wird es vieles nicht mehr geben.
Wenn wir weiter so wie bisher die Ressourcen verschleudern und die Lebensgrundlagen vernichten , wird es keine nach unseren Maßstäben menschliche Zukunft über Jahrhunderte lang geben.
Wollen wir das?