7 - Dicke Mauern, schlanker Verbrauch – Wohnen im „Kleehaus“

ID 32091
 
Unsere eigenen vier Wände verschlingen gewaltige Mengen an Energie. Viel zu viel Wärme entweicht heute noch über undichte Fenster, schlecht isolierte Außenwände, Dachböden oder Keller. Es bleibt eine dringende gesellschaftliche Aufgabe, unseren gesamten Gebäudebestand so schnell wie möglich auf einen guten Energiestandard zu bringen. Dass der Energiebedarf für Häuser minimal sein kann, zeigen bereits über 13.000 Häuser im Passivhausstandard in Deutschland. Beheizt werden sie u.a. von der Sonne oder mit der eigenen Körperwärme. Wir haben uns eins davon angeschaut: ein „Kleehaus“.
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29:51 min, 27 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 11.02.2010 / 12:06

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Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Umwelt, Politik/Info
Serie: Dynamo Effect
Entstehung

AutorInnen: Dynamo effect
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 11.02.2010
CC BY-ND-NC
Creative Commons BY-ND-NC
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Dicke Mauern mit dünnem Verbrauch – Wohnen im Kleehaus

Moderation: Luciano Ibarra, Eva Gutensohn, Birgit Huber, Andreas Reimann
Interviews: Jörg Lange, Sophie Flückiger

Anmoderation:

Unsere eigenen vier Wände verschlingen gewaltige Mengen an Energie.

Rund ein Viertel der Primärenergie, die wir täglich verbrauchen, fließt in Häuser und Wohnungen.

Der Löwenanteil wird für das Heizen gebraucht - aber auch für die Aufbereitung von Warmwasser, für die Beleuchtung, für das Kochen oder das Fernsehschauen.

Viel zu viel Energie entweicht heute noch über undichte Fenster, schlecht isolierte Außenwände, Dachböden oder Keller. Besonders hier liegt ein gewaltiges Einsparpotenzial brach.

Angesichts der schwindenden fossilen Brennstoffe und der drohenden globalen Erwärmung, wäre es eine dringende gesellschaftliche Aufgabe, den gesamten Gebäudebestand so schnell wie nur möglich auf den besten Energiestandard zu bringen und damit den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen drastisch zu reduzieren.

Wie wir wohnen und wie wir von nun an Häuser bauen – wird für die Zukunft eine sehr entscheidende Rolle spielen.

Dass der Energiebedarf für Häuser minimal sein kann, zeigen bereits über 13.000 Passivhäuser in Deutschland.

Wir haben uns eins davon angeschaut.

Atmo Mauer klopfen

O-Ton Luciano:
„Wie dick ist die Mauer hier?“
O-Ton Sophie:
„Die ist dick. Die Räume sind sehr sehr dicht, dass die Wärme nicht flöten geht, dass es keine Kältebrücken gibt und dass die Luft nicht rauszieht durch irgendwelchen Ritzen.“

Moderation:
Die Wände, an die Sophie und Luciano klopfen, sind die Wände eines so genannten Kleehauses. Das hat nichts mit der Pflanze zu tun, der Name wurde schlicht gewählt, weil die Häuser in der Paul-Klee-Straße im Modelstadtteil Vauban in Freiburg stehen.

Aber was ist ein Kleehaus?
Es ist ganz einfach ein Haus, das nach Passivhaus-Standard gebaut wurde.
Das heisst, das Haus wird „passiv“ von der Sonne, von inneren Wärmequellen und von
zurückgewonnener Energie warm gehalten.

Im Vergleich zu einem durchschnittlichen Bestandsgebäude benötigt ein Passivhaus über 90% weniger an Heizenergie.

Diese Einsparung erreicht das Passivhaus allein durch seine Grundprinzipien:
Wärmeverluste vermeiden und Wärmegewinne optimieren.

Sophie lebt seit zweieinhalb Jahren mit ihrem Partner und zwei Kindern in solch einem Passivhaus auf 74 Quadratmetern. Bei ihnen läuft die Heizung nur noch selten.

O-Ton Sophie:
„Die Wohnung ist sehr sehr warm, wir heizen einfach dadurch, dass wir daheim sind - allein mit unserer Körperwärme, dass wir kochen, dass wir uns bewegen, dass wir backen, dass wir Kerzen anzünden merkt eigentlich man schon. Es ist einfach sehr gut gedämmt, und dadurch geht die Wärme nicht verloren, d.h., die bleibt in der Wohnung und je mehr Leute drin sind, desto mehr heizt sich die Wohnung auf. Selbst, wenn die Sonne nicht scheint, sonst heizt natürlich die Sonne die Wohnung auf durch die großen Fenster. Also wenn die Sonne scheint, können wir eigentlich immer das Fenster aufmachen. Auch im Winter weil es so schön warm ist.“

Moderation
Die Realisierung dieser Idee basiert u.a. auf dem Konzept der „2000-Watt-Gesellschaft“. Der Biologe Jörg Lange, einer der Initiatoren der Kleehäuser erklärt dieses Modell.

O-Ton Jörg:
„Die 2000 W Gesellschaft hat zunächst mal zum Ziel, den Leistungsbedarf aller Menschen auf der Erde auf maximal 2000 Watt im Durchschnitt zu halten. Und davon diese 2000 Watt zumindest 75% regenerativ zu erzeugen. Das kann man dann aufteilen in die verschiedenen Lebensbereiche – man kann so grob sagen ¼ ist Wohnen, ¼ ist Verkehr, ¼ ist alles, was mit Landwirtschaft und Essen zu tun hat und 1/4 ist der restliche Konsum. Zumindest im Bereich des Wohnen wäre das dann umgerechnet 1/4 von 2000 macht 500, maximal 500 Watt. Der Hintergrund ist einfach, dass wir sozial gerecht für alle Bewohner dieser Erde das gleiche Maß an Energiebedarf bzw. Energiekonsum bereitstellen wollten. Und die 2000 Watt bezieht sich auf Primärenergie, eh da steckt schon alle Energie drin, die auch für die Energieaufbereitung bis zur Steckdose drin sind.“

Moderation:
Warum eigentlich 2000 Watt?

O-Ton Lange:
„Das hat damit zu tun, dass Wissenschaftler ausgerechnet haben, dass wenn wir die 2°C Temperaturerhöhung bis zum Jahr 2100 einhalten wollen, dürfen es eben nur 2000W sein. Jetzt bezogen auf den Bereich Wohnen, also auf das Gebäude bezogen, alles was mit dem Gebäude zu tun hat wären das 500, und wir sind deswegen auch zu den Energiesparmeister 2008 gewählt worden in den Kleehäusern, weil wir nicht nur diese 500W einhalten, sondern wir haben sie deutlich unterschritten 2008 mit 370 Watt pro Einwohner.“

Moderation:
370 Watt – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Der aktuelle bundesweite Durchschnitt liegt rund viermal höher. Doch nicht nur im Energieverbrauch sieht Sophie einen himmelweiten Unterschied.

O-Ton Sophie:
„Vorher war die Wohnung recht dunkel und recht kalt auch. D.h., wir haben immer geheizt. Die Räume waren unterschiedlich warm. Dort wo man war hat man fett die Heizung aufgedreht. Jetzt ist die Wohnung sehr hell. Das ganze Haus ist nach Süden ausgerichtet. Wir haben nach Süden eine komplette Fensterfront, d.h., wir haben selbst wenn es draußen regnet ist die Wohnung noch hell, wir müssen tagsüber nie das Licht anmachen, was wir in der alten Wohnung oft machen mussten.
Bei uns wird es schon eher zu warm, weil wir einfach mit vielen Leute auf kleinem Raum wohnen und uns einfach auch viel bewegen und viel kochen, wir sind viel Daheim und leben hier viel - wenn man jetzt wenig daheim ist oder als Einzelperson auf größerem Raum lebt, ist natürlich die Heizleistung auch deutlich geringer und dann gibt es schon Heizkörper, die man dann auch anmachen kann.

Bei uns ist es eher so, dass wir im Winter mal die Marquise ausfahren, weil die Sonne irgendwie rein scheint und das Fenster aufmachen und eigentlich im Winter auch so wohnen wie man sonst im Sommer wohnt mit offener Balkontüre und ausgefahrener Marquise.“

Atmo Markise

O-Ton Sophie:
„Es gibt auch Marquisen, die kann man elektrisch bedienen. Wir haben uns jetzt für die manuelle Variante entschieden. Und die Marquise ist vor allem wichtig – im Winter fahren wir sie oft aus, weil die Sonne so schräg steht, dass man sie braucht um das Haus zu beschatten – im Sommer ist es schön weil man auf dem Balkon Schatten machen kann, aber zum Beschatten der Wohnung braucht man sie im Sommer eigentlich nicht, sondern eher, wenn wir draußen sitzen, aber im Winter ist es wirklich eigentlich mit ein System der Heizung, so dass wir dadurch regulieren können – wollen wir dass die Sonne unsere Wohnung grad aufheizt oder nicht.“

Moderation
Heizen mit der Sonne. Das Prinzip ist so einfach wie effektiv: im Sommer steht die Sonne senkrecht. Da das Haus nach Süden ausgerichtet ist und Dach, bzw. Balkons über den Frontfenstern sind, heizt sich die Wohnung nie zu sehr auf. Im Winter dagegen, wenn man die Wärme braucht, steht die Sonne schräg und wärmt die Wohnung auf. Die Heizung kann ausgeschaltet bleiben.


O-Ton Sophie:
„Früher hab ich z.B. immer im Winter im Schlafzimmer es immer kalt gehabt. Im Winter gerne mit offenem Fenster geschlafen. Und es war auch so meine Befürchtung, dass ich mich da umstellen muss, weil hier sind einfach alle Räume gleich warm. Man kann es nicht in der Küche warm haben und im Wohnzimmer und sonst mal durch kalte Räume gehen oder so. Sondern es ist wirklich alles gleich warm, aber ich finde, man gewöhnt sich recht schnell dran. Es ist am Anfang vielleicht wirklich eine Umstellung – aber dann ist es einfach schön, dass es überall warm ist.
Früher war es bei mir so, dass man denkt „ich will jetzt nicht alles hoch heizen“, weil, wenn ich nur zum Schlafen drin bin, nehme ich lieber eine dicke Decke – jetzt habe ich halt meine Sommerdecke auch im Winter und ich kann ja das Fenster aufmachen, wenn ich möchte was auch manchmal einfach angenehm ist zum einen, ja wegen den Geräuschen oder Luftfeuchtigkeit – dass man das über die Fenster regulieren kann - also gerade wenn es draußen regnet ist es einfach eine schöne Luft das Fenster aufmachen zu können und es auch im Winter aufmachen zu können ohne das Gefühl zu haben „oh, die Wohnung kühlt gleich super aus“, weil wenn ich weiß ich mach das Fenster wieder zu – wird’s gleich wieder warm.

Partymusik/ Stimmengewirr

Z.B. habe ich auch mal von anderen Leuten gehört, die eine größere Passivhauswohnung hatten – das war nicht hier im Haus – die hatten sogar keine Heizkörper, es gibt ein paar Wohnung oder Passivhäuser, die ohne Heizkörper gebaut haben. Sie sind nach einem Urlaub im Winter Heim gekommen und die Wohnung war total kalt und sie haben sie nicht warm gekriegt. Haben sie alle Nachbarn eingeladen und eine warming up Party gemacht – lacht – die Nachbarn waren eine Stunde da und haben sich alle schon gefreut und dann war die Wohnung einfach wieder aufgeheizt durch die Menschen.“


Moderation:
Eine optimal gedämmte Aussenhülle minimiert jeden Wärmeverlust. Aber wenn das Haus de facto luftdicht ist, wird es da nicht zu stickig? Wie kommt denn frische Luft ins Haus?

Im Passivhaus ist eine Lüftungsanlage von zentraler Bedeutung: “Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung“ lautet hier das Zauberwort. Diese Anlage sorgt für frische Luft und trotz des Luftaustauschs zwischen drinnen und draußen bleibt die Wärme sogar im Haus.
Bevor die verbrauchte Luft das Haus verlässt gibt sie nämlich ihre Wärme an die frische Zuluft ab.

Das Lüftungssystem saugt da die Luft ab, wo Feuchtigkeit und Gerüche entstehen, also in der Küche und im Bad. In den Aufenthaltsräumen und Schlafzimmern kommt dann die frische Luft mit 15 bis 20 Grad wieder rein. Im Sommer kann die kontrollierte Lüftungsanlage ganz ausgeschaltet werden.


O-Ton Sophie:
„Hier neben der Eingangstür haben wir den Schalter für die Lüftung, der ist dreistufig 0-1-2-3 und da kann ich einstellen wie viel Luft – also den Luftaustausch praktisch wieviel Luft abgesaugt wird und gleichzeitig reingepustet wird – Bei 3 ist es so um alles einmal durchzujagen um einen großen Luftaustausch hinzukriegen – 2 ist so eine gemäßigte Variante – 1 ist einfach, dass man in Räumen, die kein Fenster haben wie – wir haben ein Bad mit Fenster, aber wenn Leute ein Bad ohne Fenster haben, dass die Feuchtigkeit einfach abgesaugt wird und es einfach nicht schimmelt – und null ist ganz auf, z.B. wenn ich das Fenster auf mach – im Sommer haben wir immer auf Null stehen – dann ist bei uns alles offen.“


Moderation:
Doch: Wenn die Luft an kalten Tagen nachbeheizt wird, sinkt die Luftfeuchtigkeit und die Luft wird trocken. Dieses Problem ist noch nicht optimal gelöst und wird unter Passivhausbewohnern angeregt diskutiert.

Damit die Luft nicht zu trocken wird, sollte man möglichst mit Naturmaterialien arbeiten – also mit Holz oder Lehm – da diese Feuchtigkeit speichern und bei Bedarf wieder abgeben können. Mittlerweile gibt es auch Luftwärmetauscher mit Feuchtigkeitsrückgewinnung.

Die gute Wärmedämmung ist ein wichtiger Grundsatz. Doch eine intelligente Versorgung mit Energie – wenn möglich aus erneuerbaren Quellen – ist ebenfalls sehr entscheidend. Wohnhäuser können schon heute mehr Energie liefern als sie verbrauchen. Diese sogenannten Energieplushäuser muss man sich wie kleine Kraftwerke vorstellen.

Auch das Kleehaus, in dem Sophie lebt, versucht sich regenerativ zu versorgen. Die Hausgemeinschaft hat einen Anteil an einer Windkraftanlage im Schwarzwald erworben. Auf dem Dach des Hauses erzeugt eine Photovoltaikanlage Strom und eine große thermische Solaranlage sorgt für Warmwasser.


O-Ton Sophie:
„Also wir gehen jetzt mal aufs Dach und können mal die Solaranlage anschauen.“

Atmo Metalltreppe, Luke

„Dann schieb ich so ne Dachluke aus Stahl auf praktisch.“

Atmo Kies

O-Ton Sophie: „Das ist jetzt hier ein Kollektor für Warmwasser. Vorne dran sind die für den Strom. Eigentlich sollte man die mal regelmäßig putzen. Aber ich denke die stehen so schräg, dass die bei einem ordentlich Regen auch selber putzen - Schnee rutscht auch runter.“
O-Ton Luciano: „Die sind auch nach Süden gerichtet?“
O-Ton Sophie: „Die sind nach Süden gerichtet. Also das Haus ist komplett auch nach Süden ausgerichtet und eben auch die Kollektoren.“


Moderation:
Leider reicht die Sonne nicht ganz aus, um den Wärmebedarf über das ganze Jahr zu decken. Gerade im Winter entstehen Engpässe beim Heizen oder bei der Warmwasserversorgung.
Auch hierfür gibt es in den Kleehäusern eine kluge Lösung: ein Blockheizkraftwerk, kurz BHKW.

In diesem BHKW entsteht Wärme durch Gasverbrennung und sozusagen als Nebenprodukt Strom. Die Wärme bleibt im Haus, der Strom wird ins Netz eingespeist. Ein kleines Blockheizkraftwerk reicht für die 25 Wohneinheiten der Kleehäuser völlig aus.


O-Ton Sophie:
„So jetzt gehen wir mal in den Keller, uns mal das BHKW und die Lüftung anschauen.“

Atmo Treppen – Keller

„Also hier wird’s schon gleich warm.“

Atmo BHKW

„Hier wird’s gleich nochmal wärmer. Wir stehen jetzt neben dem BHKW. Das ist nochmal in einem Kasten eingepackt, der isoliert ist, dass die Wärme eben drin bleibt und auch gegen Geräusch isoliert ist.“

Atmo BHKW

„Also ich habe den Deckel jetzt mal aufgemacht. Ich mach den wieder zu, dass die Wärme drin bleibt. Man hat gesehen es ist ein normaler Verbrennungsmotor – ist eigentlich ein Dieselmotor der auf Gas umgebaut ist.“


Moderation:
Erdgas ist zwar auch ein fossiler Brennstoff, in diesem Fall lässt sich dessen Nutzung aber rechtfertigen. Solange der Anteil an erneuerbaren Energien im europäischen Stromnetz nicht deutlich über 50% liegt, sind dezentrale Blockheizkraftwerke die geeignete Brückentechnologie. Sie sind eine effiziente und flexible Ergänzung zum schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Einsparpotenziale durch den dezentralen Einsatz von kleinen BHKWs sind übrigens enorm.
Projektinitiator Jörg Lange:


O-Ton Jörg Lange:
„Warum überhaupt BHKW. In unserem großen zentralen Kraftwerken in Deutschland wird ungefähr 2/3 der Primärenergie, die dort eingesetzt wird einfach, verpufft dort. Weil sie als Wärme nicht genutzt wird. Deshalb ist die Hauptmaxime, die man umsetzen muss, in Zukunft, dort Strom zu produzieren wo auch die Wärme auch genutzt werden kann. Und das ist in unseren Häusern, sprich in unseren Kellern müssen BHKWs eingebaut werden. Das Potenzial ist da riesig. Es werden jedes Jahr ungefähr 500.000 Heizungen saniert in den Kellern, aber bisher nur ganz wenige 1000 BHKWs eingebaut und das muss sich dringend ändern.

Wir haben einfach mal umgerechnet, wenn alle so wohnen würden in Deutschland, wie in den Kleehäusern, was natürlich nicht in absehbarer Zeit machbar ist, aber was vielleicht über 20-30 Jahre schon realisierbar wäre. Dann würden wir nur noch die Hälfte des Gasverbrauchs in Deutschland haben für den Gebäudebereich und nur noch 20% des Strombedarfs haben für die privaten Haushalte – und da ist schon eingerechnet, dass ja bisher nur die Hälfte der Häuser mit Gas beheizt wird. Die andere Hälfte ungefähr mit Öl und anderen Energieträgern. Ich habe das sozusagen schon mit einberechnet, d.h. das würde alles wegfallen. Wenn alle Häuser mit BHKW, Erdgas geführt so betrieben würden wie die Kleehäuser mit einem sehr geringen Energieverbrauch, dann würde das bedeuten, dass wir nur 20% noch des Stromverbrauchs oder der Stromproduktion bräuchten für die privaten Haushalte – das ist Industrie jetzt nicht mit eingerechnet – und sogar nur um alle Häuser zu heizen 50% des Gasverbrauchs.“


Moderation
Dieses Energieeinsparpotenzial durch Kraft- Wärme-Kopplung wird zur Zeit leider nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft. Pro Jahr sind 500.000 Öl- oder Gasheizung sanierungsbedürftig. Davon werden gerade mal wenige Tausend durch BHKWs ersetzt oder ergänzt.

Musik: Buena Vista Social Club feat. Coldplay (Clocks)

Moderation:
Die höhere Bauqualität eines Hauses im Passivhausstandard hat natürlich ihren Preis. Doch die Mehrkosten halten sich mit 7 bis 10% in Grenzen. Und diese anfängliche Mehrinvestition macht sich gleich mehrfach bezahlt: Die Heizkosten bleiben dauerhaft gering und das Klima schützt man noch dazu.
Und schließlich können die Kosten noch weiter durch gemeinschaftliche Ansätze bedeutend gesenkt werden: durch das Bauen in Baugruppen und die gemeinsame Anschaffung und Nutzung von Geräten wie BHWK, Waschmaschinen mit Warmwasseranschluss oder effizienten Tiefkühltruhen.


O-Ton Sophie:
„Wir haben einen Gemeinschaftswaschraum mit drei Waschmaschinen für dieses Haus und das reicht vollkommen. Hab am Anfang gedacht „Ups ob das nicht viel zu wenig ist?“ - es gibt Sonntag Abend wenn viele am Wochenende weg waren gibt’s mal einen Stau oder so – (lacht) dann muss man bis Montag früh warten bis man wieder waschen kann. Aber ansonsten läuft das echt super.“

Atmo Keller

„Jetzt gehen wir in die Gemeinschaftswaschräume. Also hier stehen zum einen die beiden großen Kühltruhen mit der Effizienzklasse A++. Das ist so das energiesparendste was es zur Zeit auf dem Markt gibt. Die die es angemeldet haben und wollen – so Körbe haben zum einhängen und ihre Sachen dort einfrieren können – klappt auch erstaunlich gut – ich hab zuerst gedacht es gibt ein Chaos und findet seine eigenen Sachen nicht, aber es hat sich gut bewährt.

Hier stehen wir jetzt vor unseren drei Waschmaschinen – das sind 'all water' Maschinen – das warme Wasser das unsere BHKW und unsere Kollektoren produzieren kann hier schon gleich warm hier reinkommen muss nicht extra mit Strom aufbereitet werden. Die Maschine ist dann so schlau, selber warm und kalt aus der Leitung zu ziehen wie sie es braucht oder zu messen mit welcher Temperatur kommt's rein. Eventuell die Differenz noch aufzuheizen.“


O-Ton Jörg Lange:
„Die Waschmaschinen an sich sind natürlich super gute tolle Geräte, die sind natürlich deutlich teurer, als das was sich ein Haushalt normalerweise leistet. Aber auch das legt sich ja auf – in dem Fall drei Waschmaschinen auf ungefähr 12 oder 13 Parteien im größeren Haus um. Und auch dann sind sie wiederum finanzierbar und insgesamt ist es sowieso günstiger.“

O-Ton Luciano:
„Du meintest vorhin, solche Konzepte würden sich relativ leicht bundesweit in Europa umsetzen lassen. Was steht einer breiten Umsetzung dieser Konzepte noch im Wege?“

O-Ton Jörg Lange:
„Da fragt man den Falschen, ich weiß es nicht. Ich glaub, es ist nur eine Frage ob man will oder nicht. Und daran scheitern oft die Dinge, dass die Menschen aus welchen Gründen auch immer auf sogenannte Experimente nicht einsteigen wollen oder wollen damit nichts zu tun haben und sich darüber keine Gedanken machen und dann muss man sie eben langsam dahin führen, dass es für sie als auch für die Umwelt ein Nutzen bringt. Und dann hoffe ich, dass sie in ein/zwei jahren auch ein Blockheizkraftwerk dort einbauen.
Prinzipiell würde ich sagen, dass sich der Großteil der Maßnahmen in jedem Gebäude in der Bundesrepublik umsetzen lassen. In jedem Gebäude lässt sich heut ein BHKW unterbringen. In jedem Gebäude lassen sich Waschmaschinen gemeinschaftlich nutzen. Und gerade die sozial Schwachen leben ja in Häusern, die sehr dicht bewohnt sind und meistens eben nicht im Einfamilienhaus, sondern eben in Mehrgeschosswohnungsbauten. Und dort lassen sich die meisten der Maßnahmen, die wir getroffen haben ebenso umsetzen.


Moderation:
Das Ziel einer klimagerechten Wohnform verlangt nicht nur technologische Finesse. Der Energieverbrauch verschiedener Menschen innerhalb der Kleehäuser kann enorm variieren. Das Verbrauchsverhalten hat auch im Passivhaus einen hohen Einfluss. Wer zum Beispiel im Winter im Schlafzimmer die Lüftungsanlage einschaltet, aber mit offenem Fenster schläft, verschleudert kostbare Energie.


O-Ton Sophie:
„Es ist ja auch die Lebenseinstellung, wie man sich verhält so. Da gibt es auch gerade im Passivhaus ganz große Unterschiede – eben z.B. benutzt man ständig den Aufzug – unser Haus ist barrierefrei, d.h. wir haben einen Aufzug, breite Türen. Muss ich jetzt den Aufzug nehmen oder lauf ich jetzt die Treppe, so. Oder hab ich einen elektrischen Wasserkocher oder mach ich's auf dem Gasherd mit einem klassischen Pfeifenkessel mein Wasser warm – da kann man natürlich viele Sachen machen – für mich ist es trotzdem auch höhere Lebensqualität da drauf zu achten – ich habe auch im Vergleich zu vorher habe ich das Gefühl, meine Lebensqualität im Passivhaus ist deutlich höher; also gerade ständig Licht und Helligkeit zu haben finde ich – oder diese Wärme zu haben und im T-Shirt rumlaufen zu können ist für mich wirklich Lebensqualität, ne. Aber für mich ist es auch keine Einbuße zu sagen, ich laufe ne Treppe hoch, sondern es ist für mich stimmig und es gehört zusammen.“


Moderation:
Es ist seit langem bekannt, dass sich der Energieverbrauch im Wohnbereich ohne Komfortverlust mindestens zur Hälfte reduzieren lässt.
Viele dieser vorgestellten Modernisierungsmaßnahmen ließen sich im Prinzip auch auf den Altbau übertragen und leicht umsetzen. Die existierenden Anreize und Förderprogramme die dafür notwendig wären, sind jedoch derart mickrig, dass es beim gegenwärtigen Tempo 50 Jahre dauern würde, bis alle Häuser modernisiert wären.

Doch die Zeit läuft gegen uns: fossile Brennstoffe schwinden, die Erde erwärmt sich unaufhaltsam. Es bleibt eine dringende gesellschaftliche Aufgabe, unseren gesamten Gebäudebestand so schnell wie möglich auf solch einen guten Energiestandard zu bringen wie bei dem vorgestellten Kleehaus.

Denn: Wohnneubauten von heute werden die Altbauten der kommenden Jahrzehnte sein.
Auf dem Weg in eine klimagerechte Gesellschaft ist es entscheidend, dass die Häuser energetisch richtig konzipiert werden, damit sie nicht zu den Altlasten der Zukunft werden.

Musik: Fingers Inc. (Can you feel it)

O-Ton Sophie:
„Für mich ist die Lebensqualität deutlich höher – was eben ganz viel Sachen ausmacht. Das Helle, das Warme, es ist freundlich gebaut – aber was eben auch viel ausmacht ist mit der Nachbarschaft – wir wohnen hier alle sehr eng, wie das in einem Mehrfamilienhaus ist, aber es sind alles Leute, die sich bewusst dafür entschieden haben, die nicht zufällig zusammengewürfelt sind, sondern – zu einer gewissen Weise schon zufällig, aber die sich bewusst diese Lebensart ausgesucht haben – insofern haben wir eine sehr freundliche offene Nachbarschaft. Das macht viel viel aus zur Lebensqualität. Die Balkone sind vorne durchgehend. Mit Blumenkübeln bisschen zu den Nachbarn abgegrenzt, aber man unterhält sich wenn man im Sommer zusammen auf den Balkon ist – man kriegt auch sehr viel mit, also hier zu wohnen mit Leuten mit denen man überhaupt nicht kann, wäre bestimmt sehr anstrengend – mit netten Leuten ist das einfach schön, so zu wohnen.“

Musik: Madness (Our House)

***Ende***

Kommentare
12.02.2010 / 18:09 wolli, Radio Unerhört Marburg (RUM)
gesendet
am do. 25.03.10 um 18.30 und fr. 26.03.10 01.30 + 13.30
 
04.03.2010 / 13:39 detlef,
gesendet am 11 03 2010
danke
 
25.04.2010 / 21:43 theo,
gesendet 5.4.2010 / 21.00 in - siehe Text + Titel
danke, gesendet in - „Dynamo Effekt – Radiokampagne für eine klimagerechte ...“