Focus Europa #055 vom 7.6.2010

ID 34459
 
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Nachrichten:
# Bankenabgabe nicht Mehrheitsfähig bei G20
# Wieder Gewalt im Mittelmeer
# Hochwasser in Osteuropa
# Repression gegen MedienaktivistInnen in Honduras
# Oaxaca: erneuter gewaltätiger Übergriff von paramilitärisch agierenden Gruppen
# Bolivien und die USA nehmen wieder Kontakte auf

Beiträge:
# Freihandel und Menschenrechtsklausel der EU (FRN: 34454)
# Sparpläne und Militärausgaben der EU (FRN: 34453)
Audio
30:35 min, 28 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 07.06.2010 / 18:53

Dateizugriffe: 173

Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Politik/Info
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: Rosa, Fabian
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 07.06.2010
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
# Bankenabgabe nicht Mehrheitsfähig bei G20

Drei Wochen vor dem G20 Gipfel im kanadischen Toronto konnten sich die Finanzministerinnen auf einem Treffen in Südkorea nicht auf eine internationale Bankenabgabe einigen. Insbesondere Brasilien, Kanada und Australien wehren sich gegen eine derartige Abgabe. Durch die Bankenabgabe soll der Finanzsektor an den Kosten der weltweiten Finanzkrise beteiligt werden.
In der gemeinsamen Abschlusserklärung hieß es lediglich, dass der Finanzsektor einen «gerechten und bedeutenden Beitrag» zur Reparatur des Bankensystems leisten sollte, wenn den Staaten Kosten in Krisensituationen entstünden. Die Länder die sich gegen diese Abgabe wehren, haben in der Finanzkrise ihre Banken nicht durch Staatsgelder unterstützt.
Derweil mobilisieren AktivistInnen in Kanada zu einem "Peoples Summit" außerhalb des offiziellen G20 Gipfels Ende Juni. Unter http://g20.torontomobilize.org findet sich ein detailliertes Programm mit Gegenaktivitäten rund um den Gipfel. Darunter Demonstrationen und Workshops zu Themen wie "Öl Gewinnung aus Teersand in Kanada" und "Klimabewegung nach Cochabamba".
# Wieder Gewalt im Mittelmeer
Bereits am 4. Juni wurden Greenpeace AktivistInnen bei einer Schutzaktion für den Blauflossenthun von französischen Fischern angegriffen. Die Fischer durchbohrten das Bein eines Umweltschützers mit einer Gaff in Form eines Enterhakens und schlitzten zwei Schlauchboote auf offenem Meer mit Messern auf. Greenpeace wollte mit der Aktion auf die starke Überfischung des Blausflossenthuns im Mittelmeer aufmerksam machen. Laut der Umweltschutzorganisation sind bereits mehr als 80 % der Bestände weggefischt worden.
In der vergangenen Woche beschäftigte sich das EU Parlament mit der Fischerei in Europa. In der Abschlusserklärung legen die Parlamentarier großen Wert auf den Ausbau der Aquakulturen, den Schutz kleiner Küstenflotten und die verstärkt regionale Regelung des Fischereigewerbes.
Ein großer Streitpunkt bleiben aber noch immer die Verteilung der Fangquoten.
Auch der "World Wide Fund for Nature" (WWF) beklagt das Handeln der Europäischen Union im Bezug auf den Schutz des Blauflossenthuns im Atlantik. Kanada, die USA, Japan und Südkorea verständigten sich nämlich die Bestände des Blauflossenthunfisches im Atlantik mit wissenschaftlich gestützten Plänen zu schützen und wiederaufzubauen. Die EU, deren Flotten die meisten der Fische im Atlantik fangen, unterstützen diesen Vorschlag bisher nicht.


# Hochwasser in Ost-Europa
In der Slowakei, Ungarn und Polen treten derzeit Flüsse über die Ufer. Die Weichsel durchbrach rund 200 Kilometer südlich von Warschau einen Deich, Teile der Stadt Sandomierz wurden überflutet. Vor zwei Wochen war dort schon einmal ein Deich gebrochen. Am Sonntagmittag wurde Hochwasseralarm für Warschau ausgegeben. Der Scheitelpunkt der Flutwelle wird für Dienstag erwartet. Allein in Polen sind schon mehr als 22 Todesopfer durch die Fluten zu beklagen.

In der Slowakei gab es bisher drei Tote. Die Regierung hat mehrere hundert Haushalte evakuieren lassen und viele Dörfer sind ohne Gas und Strom, weil die Leitungen von den Wassermassen gekappt wurden. Vor allem kleinere Flüsse sind es hier die die anliegenden Dörfer gefährden.

Im Nordosten Ungarns wurden 3600 Menschen vor den Hochwasserfluten in Sicherheit gebracht.
Auch die Oder an der deutsch polnischen Grenze drückt noch mit großer Kraft gegen die Deiche. In den kommenden Tagen wird hier eine weitere Hochwasserwelle erwartet.


# HONDURAS

Zwei Radioaktivisten im Norden von Honduras haben erneut Morddrohungen erhalten. Das honduranische Kommittee für Meinungsfreiheit C-Libre (Comité por la Libre Expresión de Honduras) berichtete von anhaltenden Drohanrufen beim Sender und auf den Mobilfunktelefonen der Betroffenen.

Nach Angaben des Internationalen Netzwerks für Meinungsfreiheit IFEX (Red de Intercambio Internacional por la Libertad de Expresión) hat Arturo Rendón, der Besitzer des Radios, bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gestellt. Dabei geht es um Morddrohungen vom April dieses Jahr.

Die letzte Drohung erhielten die beiden jedoch während der Ausstrahlung einer Nachrichtensendung am 17. Mai. Grund für die Drohungen sei gewesen, dass in der Sendung über das alarmierende Ausmaß von Gewalttaten berichtet worden ist, die seit dem Staatsstreich vom 28. Juni 2009 verübt worden sind und in die staatliche Organe und Institutionen, die mit den Putschisten verbunden sind, verwickelt sein sollen. Mehr als sechs Journalisten und zahlreiche AktivistInnen des honduranischen Widerstands sind bei den Gewaltakten gestorben.

Bereits am 3. Juni wurde das Community Radios „La Voz de Zacate Grande“ von ca. 300 Militärs gestürmt. Den RadiomacherInnen wird Steuerhinterziehung vorgeworfen. Die Europäische Union lud den honduranischen Präsidenten Porfirio Lobo zum Lateinamerika Gipfel vergangenen Monat in Madrid ein obwohl dieser offiziell nicht von der EU anerkannt wird. Honduras ist auch Teil des in Madrid unterschriebenen Assoziierungsabkommens zwischen Zentralamerika und der EU.

# Mexiko

Rund fünf Wochen vor den Lokalwahlen im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca ist eine weitere bewaffnete Gruppe in Erscheinung getreten. In der indigenen Region der MixtekInnen haben am 28. Mai rund 150 maskierte und uniformierte Männer LandarbeiterInnen der Gemeinde Zimatlan de Lázaro Cárdenas angegriffen, mehrere Häuser niedergebrannt und unbestätigten Meldungen zufolge mehrere Personen verletzt.

Hintergrund ist ein seit längerem schwelender Landkonflikt über die Besitzrechte von 490 Hektar. Seit dem Überfall sind zwei der Opfer verschollen. Deren Gemeindepräsident Nicanor Jiménez García vermutet, dass sie in den Händen der Angreifer sind. Eine Truppe von 50 Polizisten wollte am 30. Mai in das Gebiet vordringen, musste aber unter Beschuss umkehren. Die Opfer der Angriffe fordern seit März Schutzmaßnahmen von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission.

Am heutigen Montag startet eine Karawane in Mexiko-Stadt die bis in die Konfliktregion um San Juan Copala, im Bundesstaat Oaxaca führen wird. Beim ersten Versuch einer Friedenskarawane, den Belagerungsring der Paramilitärs um die autonome Gemeinde zu durchbrechen, kamen am 28. April die MenschenrechtsaktivistInnen Beatriz Cariño und Jyri Antero Jakkola ums Leben, zahlreiche weitere Personen wurden durch Schüsse verletzt.

Mexiko ist das Land Lateinamerikas, dass am frühesten ein Assoziierungsabkommen, welches auch Menschenrechtsklauseln enthält, mit der Europäischen Union unterzeichnet hat. Beim letzten Staatsbesuchs des Präsidenten Calderons in Deutschland ging es aber beinahe ausschließlich um das Klima. In Mexiko werden nämlich Ende diesen Jahres die nächsten UN-Klimaverhandlungen, der COP16, stattfinden.
# Bolivien und die USA nehmen wieder Kontakte auf

Die us-amerikanische Regierung will ihr Verhältnis zu Bolivien verbessern. Mit einem Blitzbesuch letzte Woche wollte der Lateinamerika-Beauftragte des US-Außenministeriums, Arturo Valenzuela, die gegenseitigen Beziehungen der bolivianische und US-amerikanischen Regierung in eine (Zitat) "neue Ära gegenseitigen Respekts und der Solidarität" überführen. Gemeinsame Politikfelder seien der Kampf gegen den Drogenhandel sowie ein Interesse an weiterer Zusammenarbeit, so der bolivianische Außenminister David Choquehanca.
Bolivien hatte im Herbst 2008 Washingtons Botschafter in Bolivien ausgewiesen. Der Vorwurf: Einmischung in innere Angelegenheiten und umstürzlerische Konspirationen. Gemeint ist damit die Unterstützung der Sezessionsbestrebungen vor allem der Eliten des Halbmondes im Osten Boliviens. Ende 2008 war auch die US-Antidrogenbehörde DEA wegen der gleichen Vorwürfen Ende 2008 des Landes verwiesen. Auch dem DEA wurde Einmischung in innere Angelegenheiten vorgeworfen.
Diplomaten und Botschafterinnen der USA haben historisch schon oft eine wichtige Rolle gespielt, wenn es um die Unterstützung gegnerischer Eliten gegen progressive Regierungen ging. Z.B. im Falle von Jacobo Arbenz, gewaltsam weggeputschter Präsident von Guatemala bis 1954. Arbenz wollte vor allem eine Landreform durchführen. Diese zielte vor allem auf die Verteilung ungenutzten Agarlandes durch die us-amerikanische United Fruit Company – heute Chiquita – ab. Jüngstes Beispiel für eine unrühmliche Rolle spielten US-amerikanische Einrichtungen und Diplomaten im Falle des gewaltsam abgesetzten Präsidenten Manuel Zelaya in Honduras.
Vorsichtig will Bolivien allerdings vor allem bei der Zusammenarbeit in Sachen Drogenbekämpfung sein. In Kolumbien konnten trotz Kooperation mit den USA in diesem Bereich bislang keine Erfolge erzielt werden, der militärische Einfluss der USA in Kolumbien selber hat allerdings stark zugenommen.
Das waren die Nachrichten von Focus Europa am 7. Juni 2010.

Jetzt erstmal Musik, 4Plus mit Radiohit