Focus Europa #101 vom 24. August 2010

ID 35657
 
Themen:

-Am gestrigen Montag war internationaler Tag gegen Sklaverei und in unseren Breiten denken die meisten Menschen, diese wäre seit Mitte des des vorletzten Jahrhunderts abgeschafft. Doch im afrikanischen Mauretanien existiert sie unter der Hand weiter – deswegen fordert Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker die EU auf, Menschenrechtler in Mauretanien besser zu unterstützen.

-„Kämpfe in Griechenland und die Schuldenkrise“ heißt ein neues Buch, in dem sich der kritische Autor Detlev Hartmann mit den Hintergründen der Finanzkrise in Europa auseinandersetzt. Wir haben mit ihm gesprochen.

Nachrichten:

-Die Schweiz will über eine Wiedereinführung der Todesstrafe abstimmen lassen

-Amerikanischer Journalist aus der Türkei ausgewiesen

-Iranischer Bloggerin droht Todesstrafe

-Rückschlag für Obamas Stammzellenpolitik

-Amnesty International beklagt fehlerhafte UN-Daten über Ölfelder im Niger-Delta
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29:48 min, 27 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 24.08.2010 / 19:15

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: Hanne, Martin
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 24.08.2010
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
THEMEN:

-In Mauretanien gibt es noch immer mehr als 500.000 Sklaven. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und die Anti-Sklaverei-Bewegung IRA (Initiative pour la Résurgence du Mouvement Abolitionniste) forderten deshalb, dass bei Verhandlungen über neue EU-Entwicklungshilfe für das nordwestafrikanische Land in Brüssel jede weitere finanzielle Unterstützung von einem entschiedenen Eintreten der mauretanischen Regierung gegen die Sklaverei abhängig gemacht werden." Die EU muss sich gemäß ihrer "Richtlinien zum Schutz von Menschenrechtlern" dafür einsetzen, dass Menschenrechtler, die sich gegen die Sklaverei engagieren, in Mauretanien nicht länger eingeschüchtert und verfolgt werden", sagte Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker. Das folgende Gespräch mit ihm haben wir von Radio Lora in München übernommen.

-Was sind die Hintergründe der Griechenlandkrise? Welche Strategien verfolgt die EU und Deutschland um die Staatsverschuldung in den Griff zu kriegen? Und wie ist die nationalistische hetze in Deutschland gegen die Pleite-Griechen einzuschätzen?
Dies Befragten wir den linken Autoren Detlef hartmann, der an einem Buch mitwirkte, das den Titel trägt „Kämpfe in Griechenland und die Schuldenkrise“ und von dem im Verlag Schwarze Risse Berlin bald das Buch erscheint „Krise, Kämpfe, Krieg“


NACHRICHTEN:

-Schweiz will über eine Wiedereinführung der Todesstrafe abstimmen lassen:

Ein siebenköpfiges Komitee hat eine Volksinitiative zur Wiedereinführung von Hinrichtungen auf den Weg gebracht und dabei grünes Licht von der Berner Regierung bekommen. Laut der Schweizer Nachrichtenagentur sda fordert die Initiative die Todesstrafe für Personen, die „in Kombination mit einer sexuellen Handlung mit einem Kind, sexueller Nötigung oder Vergewaltigung eine vorsätzliche Tötung oder einen Mord begehen.“ Der Sprecher des Komitees sagte der Neuen Zürcher Zeitung, er habe die Initiative wegen eines Kapitalverbrechens in seinem persönlichen Umfeld lanciert. Damit es zu einer Volksabstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe kommt, sind 100000 Unterschriften nötig, die Stimmabgabe soll dabei vorwiegend elektronisch durchgeführt werden. Die Sammelfrist läuft bis zum 24. Februar 2012.
Obwohl Politiker aller Parteien das Volksbegehren kritisiert haben, erklärte die Regierung, eine Prüfung hätte keine Hinweise auf formale Hindernisse gegeben. Regierungssprecher Simonazzi merkte aber an, die Regierung müsse noch prüfen, ob die Todesstrafe verfassungskonform sei und im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz stünde. In Europa richtet nur noch Weißrussland Menschen hin. In der Schweiz wurde die Todesstrafe zum letzten Mal 1940 vollstreckt. Nach der Annahme des Minarett-Verbots und der Verwahrungsinitiative für Sexualstraftäter wäre dies bereits der dritte Volksentscheid in jüngerer Zeit, der die Schweiz auf Kollisionskurs mit der Europäischen Menschenrechtskonvention bringen würde.

-Amerikanischer Journalist aus der Türkei ausgewiesen:

Vor zwei Wochen war Jake Hess verhaftet worden und am vergangenen Wochenende wies ihn die Türkei in die USA aus. Die Türkei begründete die Ausweisung mit Hess’ angeblichen Kontakten zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Hess und sein Anwalt behaupten hingegen, Hess sei wegen seiner kritischen Artikel über die Situation der Kurden in der Südosttürkei verhaftet worden. Der 25-jährige hatte in den vergangenen zwei Jahren für die Agentur Inter Press aus dem mehrheitlich von Kurden besiedelten Teil der Südost-Türkei berichtet. In seinen letzten Artikeln ging es um türkische Soldaten, die Hess zufolge absichtlich Waldbrände entfachen, um den Bevölkerungsrückgang in kurdischen Dörfern und türkisch-iranische Luftangriffe auf Häuser von Kurden im Nordirak. In einem Interview mit der Fernsehsendung „Democracy Now“ betonte Hess, er sei in der Haft nie zu Verbindungen mit der PKK, sondern allein zu seinen Türkei-kritischen Artikeln verhört worden. Die Lage der Menschenrechte in der Südosttürkei bezeichnete er als „beunruhigend“.

-Iranischer Bloggerin droht Todesstrafe:

Reporter ohne Grenzen (ROG) hat eine Online Petition für die Freilassung der iranischen Bloggerin Shiva Nazar Ahari gestartet. Die 26-jährige Menschenrechtsaktivistin ist seit Dezember 2009 in Teheran inhaftiert, ihr droht eine mehrjährige Haftstrafe oder das Todesurteil. Ahari ist unter anderem Gründungsmitglied der Menschrechtsorganisation „Committee of Human Rights Reporters“ (CHRR). Das Komitee ist eine internet-basierte Plattform, die über Menschenrechtsverletzungen im Iran berichtet und sich insbesondere für die Rechte von Gefangenen, Flüchtlingen, Frauen und Kindern einsetzt. Seit der Präsidentschaftswahl im Juni 2009 übt die Regierung steigenden Druck auf das CHRR aus. Jegliche Zusammenarbeit mit dem Komitee wird im Iran als Straftat verfolgt. Gegen Ahari wurde in drei Punkten Anklage erhoben: Verabredung zur Durchführung eines Verbrechens, Hetze gegen den Staat sowie der schwerwiegendste Vorwurf: Feindschaft gegen Gott. Letzteres stellt in der Islamischen Republik ein Kapitalverbrechen dar, auf das die Todesstrafe steht. Die Vorwürfe sind aus Sicht von ROG unbegründet, da Ahari lediglich Gebrauch von ihrem Recht auf Rede- und Versammlungsfreiheit gemacht hat. „Dies ist in keiner Weise illegal oder gegen den Koran“, heißt es in der ROG-Petition. Reporter ohne Grenzen richtet die Petition an den Justizchef des Iran und den Vorsitzenden des Menschenrechtsstabes in der iranischen Justiz.
ROG-Geschäftsführer Christian Rickerts, sagte, Ahari habe„ihren Kampf für die Menschenrechte in den vergangenen Jahren unerschrocken fortgeführt – aller Einschüchterungsversuche durch die Justiz und mehrer Festnahmen zum Trotz“. Seit der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr sind im Iran rund 180 Medienschaffende festgenommen worden. 36 Journalistinnen und Journalisten sowie Bloggerinnen und Blogger sind noch immer hinter Gittern. Schätzungen zufolge sind zudem mehr als 200 Medienschaffende aus dem Iran geflohen, um so der Verfolgung durch den Staat zu entgehen.

Rückschlag für Obamas Stammzellenpolitik:

Ein amerikanisches Bezirksgericht hat die staatlich geförderte Forschung mit menschlichen emryonalen Stammzellen vorerst gestoppt. Das Gericht begründete sein Urteil mit der Zerstörung menschlicher Embryonen durch diese Art der Forschung. Richter Royce Lamberth folgte damit einem Antrag mehrerer Stammzellenforscher, die das Verfahren gegen das nationale Gesundheitsinstitut im Juni angestrengt hatten und dabei von christlichen Gruppierungen unterstützt worden waren. Sie hatten argumentiert, dass die Behördenpolitik gegen US-Gesetze verstoße und Forschern Gelder wegnehme, die planten, mit Stammzellen Erwachsener zu arbeiten.
Die Obama Regierung hatte im März 2009 den restriktiven Kurs der republikanischen Vorgängerregierung beendet und die staatliche Förderung für neu gewonnene Stammzell-Linien eingeführt. Zu einer Stammzell-Linie zählen alle gezüchteten Zellen, die sich auf denselben Ursprung zurückführen lassen. Die Vermehrung von Stammzellen in Labors hat den Vorteil, dass Experimente zu verschiedenen Zeitpunkten und an verschiedenen Orten an identischem Erbmaterial vorgenommen werden können. Die Nutzung embryonaler Stammzellen ist ethisch stark umstritten, weil dazu Zellen aus Embryonen entnommen werden, die künstlich erzeugt wurden, dann aber keiner Frau eingepflanzt wurden. Die Befürworter halten dagegen, dass die embryonale Stammzellenforschung bei der Bekämpfung und Heilung einer ganzen Reihe von Krankheiten helfen könnte – von Parkinson und Alzheimer bis hin zu Diabetes. Es gilt als sicher, dass die Regierung Obama Berufung gegen die einstweilige Verfügung einlegen wird.

-Amnesty International beklagt fehlerhafte UN-Daten über Ölfelder im Niger-Delta:

Die Menschenrechtsorganisation bezieht sich dabei auf die Aussage eines Offiziellen des UN-Umweltprogramms, der zufolge nur zehn Prozent der Entstehung von Ölfeldern in Ogoniland im Niger-Delta auf Fahrlässigkeit und Ausrüstungsfehler des Ölkonzerns Shell zurückzuführen sind. 90 Prozent der Verschmutzungen gingen demnach auf Sabotage und Kriminalität in den Regionen zurück. Amnesty International hält dem entgegen, die Aussage basiere auf Berichten von nicht vertrauenswürdigen Verwaltungsbüros aus dem Niger. Es sei allgemein bekannt, dass diese Büros selbst stark von der Ölindustrie abhängig seien. Amnesty untermauerte seine Vorwürfe mit der Entwicklung des offiziell bekanntgegebenen Sabotageanteils an den Umweltschäden. Dieser sei von 28 Prozent im Jahr 1994 auf 70 Prozent in 2007 und nun auf 90 Prozent gestiegen. Die Leiterin des Amnesty-Programms für Globale Themen, Audrey Gaughran, sagte, das UN-Umweltprogramm müsse sich bewusst machen, dass diese Zahlen seit Jahren von Umweltorganisationen in Frage gestellt würden und nicht glaubwürdig seien.

Kommentare
29.08.2010 / 22:20 theo,
gesendet 27.8.2010 / 20.00
danke