Whiteness #1: "Racism is White supremacy" - Privelegierung Unsichtbarkeit Vormachtstellung

ID 6679
 
Weißsein ist Weißen nicht bewusst, deswegen haben sie aber Privelegien und Vorteile. Der Beitrag gibt eine kurze Einführung Unsichtarkeit von Weißsein und Umgang Weißer mit Rassismus.
Audio
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Upload vom 23.04.2004 / 13:44

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: super mono
Radio: polyphon, Berlin im www
Produktionsdatum: 23.04.2004
keine Linzenz
Skript
„Racism is white supremecy“

Der zitierte Satz stammt von bell hook, einer Professorin aus den USA und ist ihre Definition für Rassismus. Weißsein – damit ist keine Farbe gemeint. Weißsein ist ein Konzept. Ein Konzept, welchen in Jahrhunderten europäischer Expansion, Kolonialismus und Sklaverei entstanden ist.
Weißsein ist Weißen nicht bewusst. Fragt man sie, wie sie sich selbst beschreiben würden, dann bringen sie in der Regel Zuordnungen wie Beruf, Familienstand, Alter, religiöse Bindung an. Ethnizität und damit auch Weißsein wird mit größter Wahrscheinlichkeit nicht erwähnt. In einer Interviewsituation würde die Weiße Fragerin auch nicht nach Ethnizität fragen und auch nicht danach, welche Bedeutung Weißsein im Leben des Befragten hat.
Unsere heutige Gesellschaft in einer jahrhundertelangen kolonialen Geschichte entstanden. Durch diese werden wir in einer rassistischen Gesellschaft geprägt und positioniert. Durch die Nichtwahrnehmung der eigenen Weißen, privelegierten Position werden diese Strukturen weiter erhalten.
Mit Rassismus assoziieren Weiße Menschen meist nur die Ausgrenzung Schwarzer Menschen und people-of-color, ihre eigene, er hat in unserer Vorstellung oft nichts mit der eigenen Position zu tun.

Halten wir also fest: Weißsein versucht unsichtbar zu sein. Und das tut es dadurch, dass es zur Norm erhoben wurde und das “Andere”(...in Anführungszeichen...) als Abweichung verstanden wird. Dieses Verständnis ist mit dem Beginn der europäischen Expansion entstanden. Die Proto-Europäer haben sich nichteuropäische Kulturen als unterentwickelt vorgestellt. Jede Gesellschaft durchläuft wie in der Evolution eine quasi vorbestimmte Entwicklung, so ihre Vorstellung. Dabei haben sich die Weißen Europäer auf der höchsten Stufe verortet. Sogar die eigene Religion, das Christentum, wurde als überlegen betrachtet. Dieser geschichtliche Verlauf ist in unsere Kultur, Denken und Sprache festgeschrieben. So kann man bspw. das Begriffspaar “Industrieland” und “Entwicklungsland” als die verweltliche Form des christlichen Überlegenheitsanspruches verstehen.
In unserer ganz alltäglichen Sprache finden sich solche Begrifflichkeiten zu hauf. So wie der rassistische Begriff „Stamm“. Ursprünglich eine alleinige Bezeichnung für Baumstamm, wurde er in der europäischen Expansion und den Rassentheorien des 19.Jhd. zum Inbegriff für das, was Europäer Afrika unterstellten: fehlende Zivilisation, Primitivität und Willkürherrschaft. Der Begriff hat sich institutionalisiert und wird heute noch in vielen wissenschaftlichen Publikationen verwendet.

Zurück aber zur Gegenwart: Rassismus wird von Weißen Menschen meist auf Diskriminierung reduziert. Er wird mit vorurteilhaf-sein assoziiert oder in der staatlichen Abschottungspolitik verortet. Dies ist aber nur ein Teil von Rassismus. Auch ist er ein Konzept welches uns Weißen Vorteile und Privilegien verschafft.
Ursula Wachendorfer hat dies in dem Buch Afrika Bilder – Studien zu Rassismus in Deutschland zusammengefasst:
Weiße sind überall in der Öffentlichkeit präsent, in den Medien, wie Zeitungen und Fernsehen. Und ihre Repräsentation ist individuell, vielfältig, heterogen. Sie werden nicht als Weiße stereotypisiert. Sie haben Namen, Berufe, politische Orientierungen. Man findet sie an den verschiedensten Orten der Welt, und sie sind handlungsmächtig.
Wenn Weiße ihre berufliche Zukunft planen, oder daran denken, sich sozial oder politisch zu betätigen, müssen sie sich keine Gedanken oder auch Sorgen machen, ob sie auf Grund ihrer Hautfarbe akzeptiert werden. Auf dem Wohnungsmarkt kann es je nach Situation und ökonomischen Möglichkeiten eng werden, als Weiße Person hat man jedoch immer noch Chancen, wenn sie bei Schwarzen Personen bereits gegen Null tendieren. Meine Kompetenz wird nicht auf Grund meiner Hautfarbe in Frage gestellt, und wenn es um Themen, wie Zivilisation und Fortschritt geht, dann weiß ich, dass ich mitgemeint bin, da es um die Angelegenheit Weißer Leute geht. D.h. die Weißen genießen das Privileg dazuzugehören, es werden “ihre Themen” verhandelt, sie werden in der Öffentlichkeit repräsentiert und in Konkurrenzsituationen werden sie in aller Regel vorgezogen und zwar so, dass sie dies nicht in Beziehung zu ihren Weiß-Sein setzen müssen.
Darüber hinaus genießen sie im Alltag den Schutz der Anonymität. Die Aufmerksamkeit ist nicht ständig auf sie gerichtet. Weil sie das Recht haben dazuzugehören, ist ihre Zugehörigkeit selbstverständlich.
Auch haben sie die Möglichkeit eher selbst zu bestimmen, wie weit sie sich anderen gegenüber öffnen wollen. Schwarzen hingegen passiert es häufig, dass sie von völlig unbekannten Personen über Herkunft ausgefragt werden. […] Demgegenüber haben Weiße viel eher die Kontrolle darüber, wann sie über persönliche, Ich-nahe Themen sprechen wollen.
Und nicht zuletzt haben Weiße Menschen das Privileg, sich entscheiden zu können, wann und ob sie sich mit Rassismus und auch mit eigenen rassistischen Strukturen auseinandersetzen. Schwarze Menschen und people of color werden tagtäglich damit konfrontiert.
In dieser Gesellschaft werden alle Weißen an Positionen gestellt, die mit Privilegien und Vorteilen ausgestattet sind.

bell hooks schreibt in ihrem Buch Black Looks über das Weißsein in der Schwarzen Vorstellungswelt:
Normalerweise reagieren weiße Studierende mit naiven Erstaunen, dass Schwarze die Weißen kritisch einschätzen, und zwar von einem Standpunkt, der “Weißsein” als privilegierten Bedeutungsträger voraussetzt.[…] Oft geraten sie in Wut, weil sie denken, dass alle Sichtweisen, die Unterschiedlichkeit betonen, den liberalen Glauben an eine universelle Subjektivität (wir sind alle Menschen) untergraben. Sie meinen, sie brächte den Rassismus zum Verschwinden. […] Ihre Handlungen allerdings spiegeln gleichzeitig das Primat des Weißseins wider. Das Merkmal “Weiß” beeinflusst, wird sie sind und wie sie denken. Viele sind schockiert, daß Schwarze eine kritische Einstellung zu Weißsein haben . Das rassistische Denken hält nämlich die Fantasie aufrecht, den unterworfenen, als Untermenschen geltenden Anderen fehle die Fähigkeit, die Vorgehensweise der Mächtigen zu erfassen, zu verstehen und zu erkennen.
Eine Weiße vermeintlich antirassistische Strategie ist die der color-blindness. Hier negiert die Weiße Person in wohlmeinender Absicht die Wahrnehmung und Bedeutung von Hautfarbe. Dies beinhaltet das Motto: Wir sind alle gleich und haben die gleichen Chancen. Es ist eine Strategie den weißen Kindern zu sagen, dass die Hautfarbe nicht weiter von Bedeutung ist. Dadurch werden zum einen die Situationen in denen sich Schwarze und people of color befinden und der alltägliche Rassismus, der ihnen widerfährt negiert. Zum anderen müssen wir Weißen uns nicht mehr mit der eigenen Position und den eigenen rassistischen Denkweisen auseinandersetzen. Einfach nach dem Motto: Die, die den Unterschied wahrnehmen wären rassistisch.

Aber wie gehen Weiße Menschen damit um, wenn sie darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie rassistisch waren? Es gibt einige Strategien, die sich bei allen Weißen wiederfinden lassen. Auch in linken Gruppen, die sich im Selbstverständnis als antirassistisch bezeichnen.
Wir verweisen den Rassismus zeitlich oder geografisch. Dazu gehören Aussagen wie: “Rassismus gibt es in der rechtsextremen Szene aber nicht hier.” oder “Rassismus gab es während der Kolonialzeit und im Nationalsozialismus.”
Weiße stellen sich Weißsein als raceless vor. Die meisten Weißen assoziieren den Begriff Ethnizität nicht mit sich selbst.
Weiße trivealisieren und reduzieren Rassismus, indem sie ihn mit anderen Unterdrückungsmechanismen vergleichen. “Wir sind doch alle im Kapitalismus unterdrückt.”
Weiße messen Rassismus an der eigenen Wahrnehmung. Wenn sie sich sicher fühlen, gibt es auch keinen Rassismus. “Ich fand das aber gerade nicht so schlimm, das dies oder jenes gesagt wurde” Rassismus ist aber gerade nicht das Gefühlsleben Weißer Menschen, sondern die Situationen, die von ihnen geschaffen werden.
Wir Weißen erklären uns stundenlang, wenn wir Rassismus vorgeworfen bekommen. “Ich habe das nicht so gemeint” “Du hast mich da falsch verstanden” “Ich war gerade total nervös und mir ist das nur so rausgerutscht” Wir reduzieren rassistische Situationen auf einen individuellen Ausrutscher anstatt anzuerkennen, dass unser westliche Kultur und damit wir selbst weit geprägt sind von rassistischen Denkweisen und Strukturen. Rassismus ist dadurch gekennzeichnet, dass wir davon nutznießen und nicht davon betroffen sind.
Weiße ignorieren gerne das race etwas mit Macht zu tun hat. Dann verkommt Rassismus zu einer Art kulturellem Missverständnis.

Wenn sich Weiße mit Rassismus auseinandersetzen bleibt es unumgänglich, sich der eigenen Position bewusst zu werden. Dabei muss man anerkennen, dass diese Auseinandersetzung meist unkomfortabel ist, da unsere Weißen Privilegien angegriffen werden, auch das Privileg, sich nicht mit der eigenen Position auseinandersetzen zu müssen.

{musik: dead prez - that’s war}