Übersicht:
Wir beginnen mit einem Blick nach Berlin-Kreuzberg, genauer: in die Yorckstr. 59. Denn: Dort wurde nach mehr als 15 Jahren das Hausprojekt Yorck59 am vergangenen Montag, dem 6. Juni, gewaltsam geräumt. Dann richten wir unser Augenmerk nach Sivas in der Türkei auf das dortige Militärgefängnis, wo der türkische Kriegsdienstverweigerer Mehmet Tarhan derzeit inhaftiert ist. Und schließlich kehren wir nach Deutschland zurück, wo es am Donnerstag, dem 2. Juni, bundesweite Proteste gegen Bildungs- und Sozialabbau gab.
1) Vor mehr als fünfzehn Jahren entstand das Hausprojekt Yorck59 in Berlin-Kreuzberg. Im Hinterhaus eines schönen alten Backsteinbaus wurden vier Fabriketagen 1989 von einer Gemeinschaft linker Wohngruppen gemietet und ausgebaut. Bis zuletzt lebten und arbeiteten hier 60 Leute im Alter von 0 bis 43 Jahren kollektiv, solidarisch und selbstbestimmt. Außer den großen Wohngemeinschaften gab es auch eine viel genutzte Veranstaltungsetage und Raum für politische Initiativen, z.B die Anti-Rassistische Initiative ARI , das Anti-Hartz-Bündnis, diverse internationalistische Gruppen sowie ein Atelier. Auch Onda und Poonal hatten ihr Büro jahrelang in der Yorckstraße 59. Doch nach den Vorstellungen des neuen Hauseigentümers sollte all das ein Ende haben. Nachdem das Haus im Sommer 2003 in Zwangsverwaltung geraten war, verkaufte die Bank das Haus im Dezember 2003 an den kaufwilligen Mietern vorbei an Herrn Marc Walter in Hamburg. Mit seinem Projekt, dem Haus ein respektables und ansehnliches Äußeres zu geben, um dann genauso respektable Mieten zu kassieren, ging der neue Besitzer von Anfang an auf Konfrontationskurs zu den Bewohnerinnen und Bewohnern: Mit Ablauf des Mietvertrags verlangte er seit September 2004 mehr als das Doppelte der bisherigen Nettokaltmiete. Teile der Sanierungskosten sollten wegen angeblicher Selbstverschuldung den Bewohnerinnen und Bewohnern aufgedrückt werden. Das konnten und wollten diese nicht bezahlen! Es folgte ein Jahr des Hauskampfes, das am Montag, dem 6. Juni mit der gewaltsamen Räumung der Yorckstraße 59 sein vorläufiges Ende nahm. Ein Beitrag des Onda-Teams aus Berlin.
2) Am kommenden Donnerstag, dem 9. Juni, wird in Sivas in der Türkei der Militärgerichtsprozess gegen den Kriegsdienstverweigerer Mehmet Tarhan fortgesetzt. Er wird wegen "Ungehorsam vor versammelter Mannschaft" nach Art. 88 des Türkischen Militärstrafgesetzbuches angeklagt. Die Strafandrohung liegt zwischen drei Monaten und fünf Jahren Haft. Mehmet Tarhan ist derzeit im Militärgefängnis in Sivas inhaftiert. Dort ist er Misshandlungen und Morddrohungen durch andere Gefangene ausgesetzt. Das Militärgefängnispersonal ignoriert entweder seine Beschwerden oder es hetzt zu den Übergriffen auf. Mehmet Tarhan ist schwuler Aktivist und Kriegsdienstverweigerer. Er erklärte am 27. Oktober 2001 in der Türkei öffentlich seine Kriegsdienstverweigerung. Tina Kemler von Radio Radio Quer aus Mainz/Wiesbaden war im Rahmen einer internationalen Delegation als Prozessbeobachterin beim Militärgericht in Sivas in Anatolien, um den ersten Prozesstag gegen Mehmet zu begleiten. Sein Prozess wegen "Ungehorsam vor versammelter Mannschaft wird am Donnerstag, dem 9. Juni fortgesetzt.
3) Mehr als 20 000 Leute demonstrierten am vergangenen Donnerstag, dem 2. Juni, in zahlreichen deutschen Städten gegen Bildungs- und Sozialabbau. In Halle waren es ungefähr 3000 Menschen, in Frankfurt 5000, in Dresden etwa 3000 und in Hannover 8000. "Gemeinsam gegen Bildungs-& Sozialabbau" war das Motto der Demo in Hannover. Im Vergleich zu den Studenten-Demos der letzten Jahre, war ein deutlicher Trend - weg von Standortpolitik hin zu gesamtgesellschaftlicher Analyse der Verhältnisse - zu bemerken. Was sich z.B. daran zeigte, dass auch Vertreter und Vertreterinnen von Arbeitslosen-Initiativen zu Wort kamen. Vor der Agentur für Arbeit in Hannover wurde eine Rede gehalten, die wir im Folgenden dokumentieren werden
Ein Beitrag von Fredi, Radio Flora aus Hannover.