Wer nicht sendet, hat verloren [Feature]

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Anmod: Es war die Stunde Null im Radio. Die letzten Rundfunksender unter nationalsozialistischer Kontrolle stellten am 13. Mai 1945 endgültig ihren Betrieb ein. Am gleichen Tag ging in Berlin der Berliner Rundfunk unter sowjetischer Kontrolle auf Sendung. Es folgten immer mehr Programme in allen Besatzungszonen: Radio Hamburg, Sender Leipzig, Radio München, später dann auch der RIAS und der Nordwestdeutsche Rundfunk.

Einerseits brachten die Sender musikalische Abwechslung und wichtige Informationen in den tristen Nachkriegsalltag, andererseits fanden hier alte Nazi-Kader hier wieder ihren Platz im Medienbereich.

Jenz Steiner von coloRadio beleuchtet im folgenden halbstündigen Feature die Errungenschaften, aber auch die verpassten Chancen einer demokratischen Hörfunklandschaft in der Zeit zwischen 1. Mai 1945 und dem Jahr 1949.
Audio
31:55 min, 44 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 13.05.2020 / 16:51

Dateizugriffe: 2351

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Musik, Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Jenz Steiner
Radio: coloradio, Dresden im www
Produktionsdatum: 13.05.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Das Kriegsende in Berlin und in Deutschland wird gerade aus ganz vielen verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.

Für mich als Radiomensch ist natürlich interessant,

wie die letzten Kriegstage

und die ersten Friedenstage 1945 bis 1949 im Rundfunk abliefen, also in der Zeit, in der es noch keine zwei Deutschen Staaten gab.

Ich habe für Euch mal versucht, dieses spezielle Stück Rundfunkgeschichte

zu rekonstruieren

und chronologisch zu sortieren.


Und ich beschränke mich da wirklich mal auf den Zeitraum zwischen

1. Mai 1945 und das Jahr 1949.

Also vom sang und klanglosen Niedergang des Großdeutschen Rundfunks bis zum Entstehen einer doch schon recht belebten Rundfunklandschaft im in Sektoren aufgeteilten Deutschland

mit RIAS, Berliner Rundfunk, Deutschlandsender, NDR und WDR

Das ist zwar ein kurzer Zeitraum, aber da hat sich Einiges getan.

Fangen wir mal an.


1 Mai 1945


Hier muss ich mal ein bisschen weiter ausholen.

Wo sind wir gerade?

Hitler ist tot, schon seit einem Tag. Seine Leiche lag verbrannt in der Reichskanzlei in Berlin, zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz.

Jeder hat dazu eigene Bilder im Kopf, ob nun aus dem Bernd-Eichinger-Film „Der Untergang“ oder Christoph Schlingensiefs „Die letzten Stunden im Führerbunker“.

Jedenfalls wird Karl Dönitz Hitlers Nachfolger. Gewählt wurde der nicht. Wir sind ja noch in der NS-Zeit. Soweit es bekannt ist, hat Hitler seine Nachfolge in seinem Testament geregelt.

Dönitz kam aus Berlin Grünau und war bei der Kriegsmarine Großadmiral.

Bis zu seinem Tod - Weihnachten 1980 - wurde er noch von Altnazis und Neofaschisten regelrecht angehimmelt. Warum, ist mir nicht ganz klar, so wie mir bei den Leuten so einiges nicht klar ist. Naja, anderes Thema.


Am 1. Mai 45 jedenfalls gab Dönitz im Großdeutschen Rundfunk in Berlin bekannt, dass der Führer tot und er dessen Nachfolger sei.

Dann gab es noch ein paar Durchhalteparolen und Seitenhiebe gegen Deserteure und die Alliierten.

Und dann hieß es für Dönitz und die letzten ranghohen Nazis schnell Koffer packen und ab zum Flugplatz und mit der Juncker nach Flensburg an der dänischen Grenze. Dänemark war ja zu der Zeit noch für ein paar Tage von den Nazis besetzt.


2. Mai 1945


Vielleicht habt ihr ja schon mal was von der Rattenlinie Nord gehört. Das war die Fluchtroute ranghoher Nazis von Berlin nach Schleswig-Holstein.

Und Dönitz, der Großadmiral, verdrückte sich mit seiner neuen Reichsregierung ganz schnell nach Flensburg-Mürwick. Da fühlte er sich ein bisschen sicherer. Einerseits hatte er da das Back-Up seiner Kriegsmarine. Denn da gab es eine Marineschule und gleich auf dem Gelände dieser Marineschule das Schloss Glücksburg. Das sollte dann erstmal der Regierungssitz sein.
Da konnte man es ganz gut aushalten. Alles schick, alles unzerstört und zur Not war auch die dänische Grenze nicht sooo weit entfernt.


Andererseits war es éher wahrscheinlich,

dass wénn alles krachen geht, ihn dort die britischen Streitkräfte festnagelnd würden als die Sowjetarmee.

In Sachen Kriegsgefangene sollten die Briten ja einen softeren Kurs fahren als die sowjetischen Alliierten und auch mitunter auf die Meldepflicht von ranghohen Nazis verzichten, munkelte man in Nazikreisen, auch nicht ganz ohne Grund.

Das machte eine weitere Flucht natürlich deutlich leichter.


Den Großdeutschen Rundfunk, den gab es dann schon nicht mehr.

In Prag wurde noch gesendet – aus der Rundfunkstation Römisch Eins.


Und dann halt noch landesweit aus Flensburg über den Reichssender Flensburg.
Das alles lief über Mittelwelle. Also mit für heutige Verhältnisse schlechter Soundqualität, aber dafür mit hoher Reichweite.


Wer Flensburg kennt, weiß, dass ist nah am Wasser gebaut. Und da, im Stadtzentrum, in der Alten Post am Nordhofenden, wurde dann in einem Pausenraum oder „Erfrischungsraum der Postfrauen“, wie es in der Quelle heißt - ein kleines Radiostudio eingerichtet.

Da fühlten sich die Nazifunker sicher.

Im Haus gleich nebenan, im alten Polizeipräsidium, saß ja auch die Gestapo, die geheime Staatspolizei.


Auf dem Posthof parkte dann so ein Ü-Wagen, ein Übertragungswagen von der Kriegsmarine und der schickte das Radiosignal an den Sendemast Östliche Höhe. Im Volksmund hieß der „der hölzerne Eiffelturm“.

Und da wurde über Mittelwelle der ganze deutsche Raum befunkt.


So, kurzer Ortswechsel.

Ja, zur gleichen Zeit in Berlin Charlottenburg:

Wenn Ihr Berlin kennt und vielleicht auch das Messegelände, dann habt ihr bestimmt auch auf dem Weg dahin das Haus des Rundfunks gesehen oder wart vielleicht auch schon mal drin.

Das ist so ein ganz markanter Klinkerbau aus der späten Weimarer Republik im Stil der neuen Sachlichkeit von Hans Poelzig.
Das war ein absoluter Stararchitekt. Die Berlinerinnen und Berliner kennen bestimmt das Kino Babylon und die Dresdnerinnen und Dresdner den Mosaikbrunnen im großen Garten.

Jedenfalls war das Haus des Rundfunks in der Masurenallee ein strategisch wichtiges Gebäude.

Das war wohl auch einer der Gründe, warum die Bomben und Artilleriegschosse in den letzten Kriegstagen 45 einen großen Bogen darum gemacht haben.


Vor der Machtergreifung der Nazis sendeten von dort,

aus dem Haus des Rundfunks,

die Deutsche Welle GmbH,

die Funk-Stunde Berlin und die Reichsrundfunkgesellschaft.


Öffentlich-Rechtliches Radio gab es in der Weimarer Republik ja noch nicht, das wurde erst in der Bundesrepublik nach dem Vorbild der BBC geschaffen, während der DDR-Rundfunk komplett staatlich wurde. Eine bittere Parallele zum Großdeutschen Rundfunk.


Wir sind ja immer noch am 2. Mai 1945. Da nahm die rote Armee das Haus des Rundfunks ein. Den Job bekam ein gewisser Major Popow. Der kannte sich darin nämlich bestens aus. 1931 war er da nämlich Volontär oder Praktikant. Da widersprechen sich die Quellen ein bisschen. Allerdings war das keine journalistische Tätigkeit, eher so Nachrichtentechnik. Major Popow war Ingenieur.

Als der dann mit seiner Truppe am zweiten Mai das Haus des Rundfunks enterte, war da keine Menschenseele. Das Gebäude war komplett leer.


4. Mai 1945


Wir sind wieder in Schlewig Holstein beim letzten noch schnell hochgezogenen Nazi-Sender.

Jetzt stand der Sendebetrieb des Reichssenders Flensburg. Die Alte Post war inzwischen nicht nur Funkhaus, sondern auch Zeitungsredaktion der Flensburger Nachrichten.

Aber was wurde da den ganzen Tag so gesendet:

Das waren einmal Reden von Karl Dönitz und von Albert Speer. Ansonsten im wesentlichen Musik, Durchhalteaufrufe und Frontberichte.


5. Mai 1945


Am Programm des Reichssenders Flensburg änderte sich nichts. Nur im Hintergrund da änderte sich etwas.

Die britischen Alliierten übernahmen die Kontrolle über den Sender, obwohl sie die Stadt Flensburg noch nicht offiziell übernommen hatten.

Abgeschaltet oder zensiert wurde der Reichssender Flensburg da noch nicht.

Warum gingen die britischen Streitkräfte so auf Kuschelkurs mit diesen Nazigrößen?
Warum wurde so ein strategisch wichtiger Sender nicht sofort stillgelegt oder übernommen?

Ich habe noch keine Antwort darauf?


Wir wechseln mal wieder den Ort des Geschehens und zoomen mal rein nach Prag.
Da hat der 5. Mai 1945 später eine ganz zentrale Bedeutung bekommen und das Radio spielte dabei eine ganz wesentliche Rolle.


Da hat eine absichtlich gemischt tschechisch-deutsch ausgesprochene Zeitansage den Prager Aufstand ausgelöst. „Je sechs hodin“ – sagte der Radiosprecher Zdeněk Mančal morgens um sechs im Rundfunk Böhmen und Mähren oder auf tschechisch Rozhlas Čechy a Morava.

Wie kann ein absichtlicher „Versprecher“ einen Aufstand auslösen?
Ganz einfach. Danach wurde nur noch tschechisch gesprochen. Davor war das Programm zweisprachig. Und dieses Senden nur noch in tschechischer Sprache gab den Tschechinnen und Tschechen das Selbstbewusstsein zurück. Da war einfach mal klar, dass die Macht der Nazis jetzt wirklich bröckelt.

Ferdinand Thürmer war damals Intendant des Rundfunks Böhmen und Mähren. Der bekam jetzt Panik und rief Soldaten und SS zum Sender.
Als die mitunter auf Fahrrädern eintrudelten, waren aber schon tschechische Widerstandskämpfer im Haus und es kam zu einer wilden Schlacht um den Rundfunk mit schrecklich vielen Toten.

Insgesamt starben beim Prager Aufstand über 3.000 Menschen. Tschechen, Deutsche und Russen.


7. Mai 1945


Achtung jetzt kommt ein langer Name: Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk. Der war Reichsfinanzminister unter Hitler und in der neuen Reichsregierung Außenminister. Der verkündete nun

über den Reichssender Flensburg, dass die Wehrmacht kapitulieren würde.

Die Rundfunkstation Prag I hielt das allerdings für Fake News, also für Desinformation der Alliierten. War‘s aber nicht. Nach dem Krieg verdiente dieser Graf Schwerin von Krosigk sein Geld als Publizist und schrieb Bücher über das NS-Wirtschaftssystem.


9. Mai 1945


In Berlin Karlshorst wurde in der Nacht zuvor die Kapitulation unterschrieben. Der Reichssender Flensburg sendete munter weiter.

An dem Tag lief der letzte Wehrmachtsbericht über den Äther.



Was mich einerseits schockiert hat, aber andererseits auch wieder alle Klichees bestätigt rund um die inkonsequente Entnazifizierung, war,

dass dieser Rundfunksprecher Klaus Kahlenberg, der den letzten Wehrmachtsbericht verlesen hat,

in der Bundesrepublik als Journalist weitergearbeitet hat, als Chefredakteur der Fachzeitschrift Neuer Vertrieb.

Und der Sendeleiter des Reichssenders Flensburg, Ernst Thode,

der wurde später Chef des NWDR, des Nordwestdeutschen Rundfunks.

Aus dem NWDR wurden ja später WDR und NDR. Der alte Nazi-Funker Thode blieb beim NDR bis 1968 auf dem Chefsessel sitzen.





10. Mai 1945


Erst an dem Tag haben die britischen Streitkräfte den Reichssender Flensburg offiziell beschlagnahmt.

„Reserved for information controll“ soll ein britischer Offizier an die Tür des Senders in der Alten Post in Flensburg geschrieben haben. Doch wie von Geisterhand läuft das Programm des Nazi-Senders weiter.



13. Mai 1945


Tja, das war der Tag, an dem beim Reichsender Flensburg dann doch endlich die Lichter aus gingen. Da gab es einen beherzten britischen Nachrichtenoffizier der 159. Infantriebrigade.

Der hat erst den Steuerquarz ausgebaut,

dann den Starkstromanschluss versiegelt und zuguterletzt

die Sende- und Verstärkerröhren aus dem Sender entfernt.


Damals lief das alles noch mit Röhrentechnologie. Falls ihr mal ein altes Dampfradio findet, guckt es Euch mal von innen an. Dann bekommt Ihr eine Vorstellung davon.


Der 13. Mai war auch der Tag, an dem das letzte Mal im Radio in Prag deutsch gesprochen wurde.
Das klang dann so.



Auch am 13. Mai

nahm in Berlin

das Radio Berlin seinen Sendebetrieb auf. Das war der Vorläufer des Berliner Rundfunks.

Gesendet wurde erstmal nur eine Stunde am Tag.

Los ging‘s mit den Nationalhymnen aller vier Alliierten,

mit dem Verlesen der Kapitulationsurkunde,

mit einer Rede von Stalin

und einem Grußwort des Stadtkommandanten Bersarin.


Ich schätze mal, die Reichweite der Sendungen wird recht gering gewesen sein.


Zerstörung, Hunger,

Obdachlosigkeit,

Stromsperren und beschlagnahmte Volksempfänger

waren ja nicht gerade der ideale Nährboden für eine neue Hörerschaft.

Gesendet wurde in der ersten Woche vom Sender Tegel,

aber produziert wurden die erstmal einstündige Sendung im Haus des Rundfunks in der Masurenallee.


Und die Tonbänder, die haben Fahrradkuriere durchs kaputte Berlin gebracht.
Von der Masurenallee bis zur Spree, dann mit dem Boot rüber.

Die Brücken in der Nähe waren ja alle kaputt. Dann wartete auf der anderen Spreeseite schon der nächste Fahrradkurier und sauste dann weiter nach Tegel.


20. Mai 1945


Das mit den Fahrradkurieren war zwar recht sportlich, aber natürlich keine Lösung für einen Live-Betrieb. Es dauerte gerade mal eine Woche, da hatten dann sowjetische Pioniertruppen schon eine direkte Drahtverbindung von der Masurenallee in Charlottenburg, ganz im Westen Berlins nach Tegel im Norden der zerstörten Stadt gelegt.


Unter diesen Bedingungen konnte dann der Berliner Rundfunk nun 19 Stunden pro Tag senden, mit vertrauensvollen Kommunisten hinter den Mikrofonen und in der Führungsetage.


Vertrauensvoll genug für die SMAD, die sowjetische Militäradministration war der Hamburger Hans Mahle.


Das war ein alter KPDler.

Der hatte schon mit Ernst Thälmanns Tochter Irma im Sandkasten gespielt und galt als absolut vertrauenswürdig.
Dieser Hans Mahle gehörte zur Komintern und zur Gruppe Ulbricht,

also zu den Leuten, die im Nachkriegsdeutschland den Kommunismus aufbauen sollten und darauf schon während des Krieges vorbereitet wurden.


Ja, mit Information- und Desinformation kannte sich Mahle schon recht gut aus.

Anfang der Vierziger war Mahle in Kriegsgefangenenlagern in der Sowjetunion, in Kujbyschew, heute Samara und in Spaskij Sawod. Da war er für die kommunistische Umerziehung von Gefangenen zuständig.


Und dann gings für ihn weiter beim sowjetischen Rundfunk, erst bei Radio Moskau, dann beim antifaschistischen Deutschen Volkssender und beim Sender Freies Deutschland. Das waren sowjetische Sender, die in deutscher Sprache gesendet haben und so das Kriegsgeschehen auf die Art mit beeinflussen sollten.
Da war er dann richtig Redaktionsleiter.

Nun wurde Mahle Intendant des Berliner Rundfunks.


Die Nachrichtenredaktion im Berliner Rundfunk leitete dann Arthur Mannbar.

Der saß mit Erich Honnecker noch kurz zuvor im Zuchthaus Brandenburg.

Beide waren Kommunisten. Beide kamen aus dem Saarland. Honnecker kümmerte sich um den Aufbau der Freien Deutsche Jugend, Mannbar um die Radionachrichten.


Dann gab es da zwischen 1945 und 49 noch eine sehr interessante Persönlichkeit im neuen Berliner Rundfunk.

Die arbeitete da unter dem Decknamen Michael Storm.


Das war der Markus Wolf, der spätere Chef der HVA, der Hauptverwaltung Aufklärung. Das war in der DDR die Auslandsspionage des Ministeriums für Staatssicherheit.

Über dessen Familie müsste eigentlich auch mal ein großer Film gedreht werden.

Friedrich Wolf, Konrad Wolf, Markus Wolf. Das sind alles Namen, die schon eng verwoben sind mit der jüngeren deutschen Geschichte.


Anderes Thema, Markus Wolf jedenfalls hatte ab 1943 auch schon beim Deutschen Volkssender gearbeitet.

Ich sprach ja gerade noch von den vertrauenswürdigen Kommunisten.
Es gibt einen Essay von Markus Wolf in Gustav Trampes Buch „Die Stunde Null“

Da schreibt Wolf auch über seine Zeit beim Berliner Rundfunk und berichtet von den vielen Alt-Nazis, die dort im Sender gearbeitet haben.


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Der Berliner Rundfunk war ja kein harter Propaganda-Sender.

Sein Programm deckte im großen und ganzen das ab,

was heute im privatisierten Berliner Rundfunk 91,4 auch immer noch passiert: Musik, seichte Unterhaltung, Nachrichten, Service Tipps für den Alltag.

Aber damals gab es eben auch Schulfunk und vor allem die Suchmeldungen des Deutschen Roten Kreuzes.

Die Musik, die da lief, war in erster Linie unverfängliche Volksmusik, dann alte alte Operetten-Aufnahmen, Klassik, sogar Jazz und total beliebt waren Wunschkonzerte.


Es gab auch eine politische Diskussionssendung. Die hieß „Tribüne der Demokratie“. Da kamen schon viele Leute aus unterschiedlichen Ecken zu Wort. Einziger Haken an der Sache. Die meiste Redezeit bekamen Kommunisten und Sozialdemokraten.


1. Juli 1945


Nach der Sektorenaufteilung Berlins war das Haus des Rundfunks unter sowjetischer Regie, befand sich jetzt aber im amerikanischen Sektor.

Und der Sendemast in Berlin Tegel, der gehörte nun zum französischen Sektor.


1. November 1945


Wir stehen jetzt gerade am Anfang des Kalten Krieges. Dieses Ungleichgewicht im Berliner Äther machte den Amis strategisch und informationspolitisch ganz schön zu schaffen. Inzwischen wurden keine Volksempfänger mehr beschlagnahmt. Es gab wieder mehr Leute mit einem Radio und es gab dieses sowjetisch geführte Haus des Rundfunks mitten im amerikanischen Sektor. Das war den Berliner U.S. Headquarters echt ein Dorn im Auge. Und deshalb schmiedete man jetzt Pläne für ein eigenes Rundfunkprogramm.


Verbreitet werden sollte es über alte Telefonanschlüsse und per Lautsprecherübertragung.

Es dauerte keine vier Monate, da konnte im Schöneberger Fernmeldeamt in der Winterfeldtraße der Drahtfunk im Amerikanischen Sektor, der DIAS auf Sendung gehen. Er wurde zum Vorläufer des RIAS, in dem sich spätere kalte Krieger wie Gerhard Löwenthal ideologisch schnell zu Hause fühlten.

31. Dezember 1947


Sprechen wir von kalten Kriegern, dürfen wir auf der anderen Seite Karl-Eduard von Schnitzler nicht vergessen. Der kam aus einer Adelsfamilie, war aber Sozialist und Kommunist und sendete als Kriegsgefangener schon bei der BBC. Er war maßgeblich am Aufbau des Norrdwestdeutschen Rundfunks in Hamburg und später des Westdeutschen Rundfunks in Köln beteiligt und hatte auch schon den stellvertretenden Intendantenposten sicher. Aber dann waren den britischen Alliierten seine journalistischen Kommentare zu links, zu scharfzüngig und Schnitzler musste gehen. Der neue Intendat des Berliner Rundfunks, Max Seydewitz, der spätere sächsische Ministerpräsident, nahm Schnitzler mit Kusshand als Kommentator auf.


1. Januar 1949


Jetzt sind wir an einem spannenden Punkt in der deutschen Rundfunkgeschichte. In diesem Jahr entstehen zwei deutsche Staaten in Deutschland.

Der RIAS sendet aus dem amerikanischen Sektor bewusst für die Menschen in der gesamten sowjetischen Besatzungszone. Dort gründet sich gerade der Deutschlandsender.
Der Mitteldeutsche Rundfunk ist wieder da – mit dem Sender Leipzig mit einem neuen Funkhaus in der Leipziger Springerstraße. Es gibt Landessender in Dresden, Halle, Weimar, Magdeburg und Chemnitz.

Im Südwesten wird aus Radio München der Bayerische Rundfunk.

Aus Radio Sarrebruck im Saarland entwickelt sich gerade Radio Saarbrücken. In Bremen sendete seit 1946 schon Radio Bremen.


Die Stunde Null für das Radio der Nachkriegszeit war zu diesem Zeitpunkt bereits Rundfunkgeschichte. Neue Fronten hatten sich manifestiert. Alte Nazis aus Zeiten des Großdeutschen Rundfunks saßen auf allen Seiten in wichtigen Positionen. Ihre Expertise machte sie zu dem, was man heute als „systemrelevant“ bezeichnen würde.

Kommentare
19.05.2020 / 15:58 Montagsmagazin, Mittwochsmagazin, coloRadio, Dresden
Lief im Magazin am 18.5. und 13.5., jeweils 20:27 bis 21 Uhr
Danke!
 
19.05.2020 / 16:26 Hagen, LORA München
Wird heute zu Gehör gebracht
ab ca. 20:20 bei LORA München auf UKW 92.4 und über DAB+ (DAB+-Wiederholungen ca. 5:20 und 14:20 Uhr am Mi.) Vielen Dank!
 
20.05.2020 / 08:04 tagesaktuelle redaktion, Radio Corax, Halle
läuft
im mittagsmagazin