Buchvorstellung: Guy Hocquenghem – »Das homosexuelle Begehren«

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Das fulminante Erstlingswerk des Philosophen und LGBTI-Aktivisten Guy Hocquenghem ist der erste Entwurf einer »Schwulen Theorie« – ein Schlüssel- und Initialwerk der Queer Theory.

Ausgehend von Freuds Entdeckung des polymorph-perversen Begehrens entwirft Hocquenghem eine materialistisch-psychoanalytisch informierte Theorie des (universellen) Begehrens, mit der er sich an die Kritik der Unterdrückung der (Homo-)Sexualität macht. Das (homosexuelle) Begehren wird dabei als subversive Kraft wahrgenommen, das die traditionellen Vorstellungen von Geschlecht und Liebe, die Kategorien Homo- und Heterosexualität und damit auch die phallokratisch-kapitalistischen Verhältnisse zu überwinden vermag. Die Aufgabe der homosexuellen Bewegung sieht Hocquenghem also nicht etwa in der Stillstellung des Begehrens in einer homosexuellen Identität: Er will mit der Befreiung des eigenen Begehrens das Begehren aller befreien.

Die beiden Herausgeber und Übersetzer der Neuausgabe (Edition Nautilus, 2019) stellen das Buch und seinen Autor vor.
Audio
34:27 min, 32 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 25.08.2020 / 17:46

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Entstehung

AutorInnen: Redaktion 3
Radio: FSK, Hamburg im www
Produktionsdatum: 22.08.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Verlagsankündigung:

Als er 1972 Das homosexuelle Begehren schrieb, war Guy Hocquenghem gerade 25 Jahre alt – eine schillernde Persönlichkeit, Philosoph und radikaler Schwulenaktivist.

Hocquenghem fordert ein neues Denken über Geschlecht, Begehren und Sexualität, jenseits binärer Schemata und des »ödipalen Dreiecks« der psychoanalytischen Theorie. Für ihn gibt es keine stabile (sexuelle) Identität, sondern nur ein universelles Begehren. Skeptisch gegen jede Behauptung von »Normalität« kritisiert Hocquenghem daher auch jene liberale Ideologie, die Homosexualität zwar toleriert, aber nur als von der Normalität klar abgetrenntes »Minderheiten-Phänomen«. Sein Buch ist eine radikale Kritik der gesellschaftlich fest verankerten Homophobie, zugleich aber auch ein Appell an die Bewegung, sich nicht vom liberalen Integrationsversprechen blenden zu lassen, das die Stillstellung des Begehrens in einer »homosexuellen Identität« einfordert. Stattdessen sieht er die Rolle der homosexuellen Emanzipationsbewegungen darin, mit ihrer eigenen Befreiung auch die der Sexualität aller zu erkämpfen.

Für die soziologische Debatte in Frankreich ist Hocquenghems Werk wegweisend – so sind die Schriften Didier Eribons wie auch Michel Foucaults Hauptwerk Histoire de la sexualité stark von ihm geprägt. Diese Neuauflage schließt eine Lücke im deutschsprachigen Diskurs.