AG Dok Ost - Die ostdeutsche Dokumentarfilmszene organisiert sich

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Der Osten ist gut aufgestellt im Dokumentarfilm, mag man meinen. Das Dok Leipzig ist eines der ältesten Festivals für den Dokumentarfilm mit einer langen Tradition, aus der viele erfolgreiche Filmemacher hervorgingen. Kurzsuechtig und Filmfest Dresden zeigen zudem alljährlich, wie künstlerisch versiert und professionell die Dokfilmszene aufgestellt ist. Da wundert es umso mehr, dass auf der Landkarte der AG Dok auch nach vierzig Jahren noch ein Loch im Osten klafft. Das soll sich nun ändern...ein Gespräch mit Nancy Brandt und Christian Schulz über die AG Dok Ost.
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24:32 min, 22 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 22.09.2020 / 09:01

Dateizugriffe: 1518

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur
Entstehung

AutorInnen:
Radio: RadioBlau, Leipzig im www
Produktionsdatum: 22.09.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Mit einer Stimme sprechen

Die ostdeutsche Dokumentarfilmszene organisiert sich

Der Osten ist gut aufgestellt im Dokumentarfilm, mag man meinen. Das Dok Leipzig ist eines der ältesten Festivals für den Dokumentarfilm mit einer langen Tradition, aus der viele erfolgreiche Filmemacher hervorgingen. Kurzsuechtig und Filmfest Dresden zeigen zudem alljährlich, wie künstlerisch versiert und professionell die Dokfilmszene aufgestellt ist. Da wundert es umso mehr, dass auf der Landkarte der AG Dok auch nach vierzig Jahren noch ein Loch im Osten klafft.

Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Dokumentarfilmer ist ein Zusammenschluss Filmschaffender. Eine Interessenvertretung, die es Filmemachern im Dokumentarischen ermöglicht, mit einer Stimme zu sprechen und damit mehr zu bewirken. Gerade in einer Branche, deren Akteure meist Freischaffende sind und oftmals mit einem Existenzminimum auskommen müssen, ist ein solches Sprachrohr überlebenswichtig.

Als Nancy Brandt nach dem Regiestudium in München 2018 zurück nach Leipzig kam, wunderte sie sich, dass sie regelmäßig Newsletter der AG Dok aus Berlin bekam, aber keine Informationen aus der Region. Auf ihre Frage, warum es keine Regionalgruppe Ost gibt, bekam sie nur die ausweichende Antwort, dass es eben bisher niemand versucht habe. »Leier das doch mal an«, hieß es dann und genau das tat sie, schickte eine Rundmail an alle Dokumentarfilmer in der Region und erhielt erstmal positive Rückmeldungen. »Mittlerweile sind wir fast fünfzig AG Dok-Mitglieder in der Region. Wir hoffen einfach mal, dass wenn wir jetzt tatsächlich eine Stimme bekommen, sich noch mehr vertreten fühlen und eintreten.«

Christian Schulz, der seit vielen Jahren Dokumentarfilme fürs Fernsehen produziert, unterstreicht, wie wichtig die Funktion der AG Dok in der Branche ist. »Sie ist so etwas wie eine Gewerkschaft, wo man seine eigenen Interessen, Sorgen, Belange auch über Hilfsstrukturen besser gemanagt bekommt. Für die drei MDR-Länder fehlte immer eine regional verortete Gruppe. Nancy hat den Stein ins Rollen gebracht.« Es folgten viele Reaktionen von versprengt in der Region lebenden Filmemachern, die in der AG Dok sind, aber sich noch zu wenig untereinander vernetzen. »Das ist eines der Dinge, die wir jetzt ändern wollen.«

Es gehe ihnen auch um Sichtbarkeit, sagt Brandt. »Der ostdeutsche Dokumentarfilm ist in der AG Dok und auch in der äußeren Wahrnehmung noch vollkommen unterrepräsentiert.« Dabei gibt es in der Region zahlreiche Künstler, die sich bereits einen Namen gemacht haben. Mario Schneider mit seiner »Helbra«-Trilogie etwa, Susanne Kim (»Trockenschwimmen«), Alina Cyranek (»Hotel Astoria«) oder Tom Fröhlich (»Ink of Yam«). »Es gibt hier schon eine ganze Menge Größen. Auch Nachwuchs zieht her, aber mangels Aufträge verschwindet er auch sehr schnell wieder. Das liegt an der prekären Situation aufgrund der im Vergleich zu anderen Bundesländern wirklich sehr schlecht bezahlten Arbeiten. Und es liegt auch an der Wahrnehmung«, sagt Brandt. »Es ist Zeit, dass man etwa einen Fokus auf die lange Tradition der DEFA richtet und zeigt: Diese Leute gibt es hier. Selbst beim MDR hat man manchmal das Gefühl, dass dieser Fokus fehlt. Wenn etwa Produktionen mit ostdeutschen Themen an westdeutsche Produktionsteams vergeben werden.«

Auch deshalb geht es den Initiatoren darum, ein Bewusstsein bei den Entscheidungsträgern für ostdeutsche Dokumentarfilmemacher zu schaffen. Angestrebt ist etwa ein Treffen beim MDR, bei dem sich die Filmemacher mit ihren Projekten vorstellen können. »Es geht darum, unsere Forderungen mit einer Stimme gegenüber Fernsehsendern besser artikulieren zu können«, erklärt Schulz. »Da gibt es eine Menge Bedarf, zum Beispiel mehr Sendezeit für dokumentarische Werke.« Gerade jetzt sind Dokumentarfilme extrem wichtig für die politische Bildung, finden Schulz und Brandt. Denn: »Nichts ist spannender als die Wirklichkeit«.

Lars Tunçay