Rosa Luxemburg - Briefe aus dem Gefängnis Teil 3

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Rosa Luxemburgs Briefe (1916–18) sind wunderbar poetische Zeitdokumente. Rosa sinniert über das Leben, die Literatur und über gemeinsame Erlebnisse mit Sophie Liebknecht und Clara Zetkin. Sie beschreibt Malerische Landschaften und wie das Vogelgezwitscher im Gefängnisgarten sie von tiefen düsteren Gedanken ablenken. Die gelesenen Briefe sind 2010 im nikol-verlag erschienen, gelesen von Gabriele von Radio Blau. Heute gibt´s den berühmten Büffel Brief von Rosa Luxemburg zuhören.
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13:01 min, 11 MB, mp3
mp3, 118 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 16.03.2021 / 18:56

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Klassifizierung

Beitragsart:
Sprache:
Redaktionsbereich: Kultur, Politik/Info
Serie: 150. Geburtstag von Rosa Luxemburg
Entstehung

AutorInnen: Radio Blau, Gabriele von Aktuell
Radio: RadioBlau, Leipzig im www
Produktionsdatum: 16.03.2021
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Vier Jahre dauerte der Erste Weltkrieg, fast dreieinhalb davon verbrachte Rosa Luxemburg im Zuchthaus, weil sie 1913 dazu aufgerufen hatte, sich dem Militarismus der Nationen zu verweigern. Das von Menschen verursachte Grauen war freilich auch im Breslauer Frauengefängnis gegenwärtig: An Heiligabend 1917 schrieb sie ihrer Freundin Sophie Liebknecht von der Ankunft eines von rumänischen Büffeln gezogenen Militärwagens auf dem Gefängnishof.
Einer der Soldaten hatte dabei so erbarmungslos auf einen der Büffel eingedroschen, dass selbst die Aufseherin fassungslos war. „Sonitschka, die Büffelhaut ist sprichwörtlich an Dicke und Zähigkeit, und die ward zerrissen … O mein armer Büffel, mein armer geliebter Bruder, wir stehen hier beide so ohnmächtig und stumpf und sind nur eins im Schmerz, in Ohnmacht, in Sehnsucht.“ In der Weimarer Republik fanden die posthum veröffentlichten Gefängnisbriefe der 1919 ermordeten Sozialistin viele Leser und Bewunderer, darunter Walter Benjamin und Karl Kraus. Letzterer zählte sie „zum Allerschönsten“, würdig in den Schulbüchern neben Johann Wolfgang von Goethe und Matthias Claudius zu stehen: Er selbst nahm den Brief an Sophie Liebknecht in sein Vortragsprogramm auf.
Schulbuchwürdig, wenn auch aus anderen Gründen, erschien dem Herausgeber der „Fackel“ auch ein Leserbrief, der ihn im August 1920 erreichte. Für die Hofratsgattin Ida von Lill-Rastern von Lilienbach war der Brief der Revolutionärin einfach nur larmoyant und sentimental. Büffel seien schließlich stumpfsinnige Geschöpfe und „bloßen Vernunftgründen nicht immer zugänglich“, schrieb die stolz auf ihre Herkunft von einem südungarischen Gut verweisende Adelige maliziös, da wirkten Peitschenhiebe Wunder wie Ohrfeigen bei ungezogenen Knaben. Und wäre Rosa Luxemburg statt „Volksaufwieglerin“ Gärtnerin geworden, hätte sie „gewiss keine Bekanntschaft mit Gewehrkolben gemacht“.
Für den Pazifisten Kraus war die Zuschrift ein gefundenes Fressen. Mit zahlreichen entlarvenden Kursivierungen veröffentlichte er sie umgehend in seiner „Fackel“, zusammen mit einer selbst für den österreichischen Satiriker erstaunlich scharfen Erwiderung – „um der Jugend nicht allein Ehrfurcht vor der Erhabenheit der menschlichen Natur beizubringen, sondern auch Abscheu vor ihrer Niedrigkeit und an dem handgreiflichsten Beispiel ein Gruseln vor der unausrottbaren Geistesart deutscher Fortpflanzerinnen, die uns das Leben bis zur todsicheren Aussicht auf neue Kriege verhunzen wollen“. In den Schulbüchern ist dieser zeitlose Disput über die menschlich-allzumenschliche Rohheit bislang leider nicht zu finden, dafür nun dank Friedrich Pfäfflin in der Friedenauer Presse. Quelle https://literaturkritik.de/id/13325