Ein Blick in das Leben von Rasheed Jadla - eine biografische Skizze des Erfurter Rappers Sonne Ra

ID 108001
 
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Anmod: Erfurt in Thüringen sollte mal ein kleines Silicon Valley der DDR werden. Halbleitertechnnologie war das Zauberwort. Aber woher sollten die ganzen Arbeitskräfte kommen, um so einen Standort aufzubauen und zu halten. Algerien delegierte Vertragsarbeiter in die DDR. Einer von ihnen war der Vater von Rasheed, besser als Rapper bekannt unter dem Pseudonym Sonne Ra.
Er berichtet vom Alltagsrassismus in der DDR und der zeit nach der Wende, von der Abweisung, die er von der Deutsch-Rap-Szene, aber auch von linken Medien erfuhr, von Baujobs, die an eher an Günther Wallraffs Buch "Ganz unten" erinnern als an unsere Zeit.

Danilo Starosta vom Kulturbüro Dresden und Jenz Steiner von coloRadio trafen Sonne Ra und sprachen mit ihm.
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27:27 min, 38 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 23.03.2021 / 23:16

Dateizugriffe: 2103

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Musik, Kinder, Jugend, Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Danilo Starosta, Jenz Steiner
Radio: coloradio, Dresden im www
Produktionsdatum: 23.03.2021
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Wenn man starkes Leid erfährt und harte Zeiten durchmacht, wird man auch stark.

Schlechte Zeiten bringen starke Menschen hervor.

Das ist die Stimme des Thüringer Rappers Sonne Ra. Eine starke Persönlichkeit mit einer wirklich bewegten und sehr bewegten Geschichte.

Das ist meine Geschichte.

Auf meinem Ausweis steht ja immer noch Steffen Schmidt.

Ich hatte mit 14 eine Identitätsänderung. Ich heiße eigentlich Rasheed. Meine Eltern durften nicht heiraten. Deswegen hieß ich dann Rasheed Schmidt.

Mein Papa kommt aus Algerien.

Rasheeds Geschichte steht stellvertretend für die Geschichten der Kinder von sogenannten Vertragsarbeitern in der DDR der späten Neunzehnhundertachtziger Jahre.
Wir trafen Sonne Ra in Dresden in den Studios von coloRadio. Danilo von der postmigrantischen Initiative, der selbst bekennender Sonne Ra-Fan ist, hat ihn lieber mit dem Auto vom Bahnhof Dresden Neustadt abgeholt. Sicher ist sicher. Dann hier am Mikro fanden beide schnell ins Gespräch.

Ich hab eher ein Talk über Musik erwartet, über kreative Prozesse, irgendwelche Features, naja, über all das, worüber ich mich sonst mit Hip Hoppern unterhalten würde.
Tatsächlich ging es dann aber um Fremdenhass, Alltagsrassismus, um strukturellen Rassismus, um Vorbehalte und Vorurteile, auch innerhalb der Hip Hop-Szene und den Hip Hop-Medien.
Ja, es ging um mangelnden Support, auch von Seiten der Freien Radios. Es waren in erster Linie politische Theme, die uns und vor allem ihn da beschäftigten. Dabei sieht sich Sonne Ra nun ganz und gar nicht als agitierenden Flugblatt-Rapper.

Ich bin tatsächlich kein politischer Rapper. Ich bin eher so ein funky Dude, der damit gar nichts zu tun haben will.

In den nächsten Minuten hört ihr nun die Geschichte von Sonne Ra. Und die spiegelt auch vier Jahrzehnte deutsche Geschichte, aber eben von einer Seite, die wir sonst nicht zu sehen bekommen oder erst gar nicht sehen wollen.

Aber drehen wir die Zeiger der Zeit erstmal zurück und werfen einen Blick nach Thüringen in die späten Neunzehnhundertachtziger Jahre. An Thüringen als Bundesland war da noch nicht zu denken. Hier gab es die Bezirke Gera, Suhl und Erfurt. Klar, Touristenmagnete mit tollen Landschaften, teuren Hotels, viel Wintersport, aber auch viel Industrie.
In Suhl: Rüstung, Jagdwaffen, die Simsonwerke, die diese inzwischen kultigen Motorräder hergestellt haben.
, in Erfurt: Maschinenbau, viel Halbleiterindustrie: Im Funkwerk Erfurt wurden Mikroprozessoren hergestellt. Das sollte mal so ein kleines Silicon Valley werden.
Carl Zeiss Jena ist wahrscheinlich noch vielen Leuten, die was mit Fotografie am Hut haben, ein Begriff. Und in Gera gab es die Wismut als Deutsch-sowjetische Bergbau-Aktiengesellschaft, die da das radioaktive Element Uran abgebaut hat. Das braucht man eher für militärische als für zivile Zwecke, also für U-Boote und Wasserstoffbomben.
Und so eine Industrieregion braucht natürlich auch Arbeitskräfte, viele super Qualifizierte, aber auch ausreichend viele für die monotonen und schweren Arbeiten, die für DDR-Bürgerinnen und Bürger nicht sonderlich attraktiv waren.

Da wusste sich die DDR zu helfen, nutzte einerseits die Arbeitskraft der Sowjetsoldaten und schloss anderserseits Verträge über den RGE, den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, mit sozialistischen Bruderländern, mit Vietnam, Algerien, Kuba, Angola, Jemen, Polen, Ungarn und Nicaragua.
Dann wurden Arbeiterinnen und Arbeiter delegiert in die DDR – mit zeitlich befristeten Verträgen. Manche durften nur zwei Jahre bleiben, andere sechs Jahre. Delegation – das klingt erstmal nach Auszeichnung. Aber das Leben hier sah dann mitunter sehr trist aus. Pendeln zwischen Arbeiterwohnheim und Betrieb, keine privaten Kontakte zu DDR-Bürgerinnen und Bürgern, keine Beziehungen, schon gar keine Schwangerschaften.
Tja, manchmal kam es dann aber doch anders. Rasheeds Vater kam aus Algerien. Er war einer der Vertragsarbeiter 192.000 Vertragsarbeiter in der DDR. Einer von 3.187 in Erfurt. In Dresden gab es zum Vergleich 7.500 Vertragsarbeiter.

Das waren Vertragsarbeiter. Die kamen da irgendwie hin, waren in solchen Wohnheimen irgendwie drin und mussten da auch drin bleiben. Und dann mussten die wieder zurück. Die haben dasselbe Geld bekommen wie die DDR-Bürger. Es gab halt auch ein paar gute Sachen, aber integrieren sollten die (sich) nicht.

Das Wort Integration gab es in der offiziellen DDR-Sprache nicht einmal in diesem Zusammenhang.

Das stand gar nicht zur Debatte. Das war eher so eine Art Arbeitsaustausch. Mein Papa zum Beispiel, der war ja kein Gastarbeiter, wie man das sagt, sondern der war ein Vertragsarbeiter.

Die DDR-Politik zeichnete das vor, was sich nach der Wende in den fünf neuen Bundesländern auch im Zusammenleben offenbart hat. Hier ging es nicht um Menschlichkeit oder Miteinander, schon gar nicht um kulturellen Austausch, hier ging es allerhöchstens um Arbeitskraft. Käuflich, austauschbar, versteckt vor den Blicken der Bevölkerung. Als hätte die Wirtschaftsnomenklatura der DDR schon einen Riecher dafür gehabt, dass die braune Gesinnung, die Angst vor Überfremdung aus Nazizeiten noch in der Bevölkerung schlummert.

Diese Politik hat letztendlich dazu geführt, dass sich die Menschen niemals in die Gesellschaft integrieren konnten. Die sollten ja wieder weg.

Die sollten wieder weg. Menschen aus dem Ausland als Ware, als Produktionsvieh ohne eigenen Willen zu betrachten – das knüpfte direkt an - an die Rassenideologie der Nazis. Ich finde es absolut nicht richtig und den Faschismus verharmlosend, die DDR mit der Nazi-Diktatur gleichzustellen. Aber in dem Punkt sehe ich da eindeutige Überschneidungen. Schieben, treiben – deutsche Verben der Bewegung. Bis 1988 drohte Vertragsarbeiterinnen bei Schwangerschaften eine direkte Abschiebung.
Die einzige Alternative zur Abschiebung war eine Abtreibung.

Da kann man ja auch sehen, dass durch die Politik in der DDR eine Integration von ausländischen Menschen überhaupt gar nicht gewollt war.

Es gab keine Integration von Ausländern in der DDR, nur Exploitation, Ausbeutung. Es gab Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass auf alles Ebenen der Gesellschaft. Das konnte der staatlich verordnete Antifaschismus nicht übertünchen.

Das waren Vertragsarbeiter. Die kamen da irgendwie hin, waren in solchen Wohnheimen irgendwie drin und mussten da auch drin bleiben. Und dann mussten die wieder zurück. Die haben dasselbe Geld bekommen wie die DDR-Bürger. Es gab halt auch ein paar gute Sachen, aber integrieren sollten die (sich) nicht.
Der staatlich verordnete Antifaschismus konnte die Ausländerangst und den Fremdenhass, den es auf allen Ebenen gab, nicht übertünchen.

Dann sollten die aber wieder weg, die Alis, die sie dann 75 gejagt haben und töten wollten. Die sind dann in ein Postgebäude rein, wo sie sich dann geschützt haben und so und wo 300 Erfurter losgezogen sind.

Das, worauf Sonne Ra hier anspielt, sind die ersten ausländerfeindlichen Ausschreitungen in der DDR. Von diesem Pogrom wusste ich bis dato nichts. Ich habe nachgehakt und wurde fündig in den Archiven des MDR Thüringen. Die Erfurter Innenstadt verwandelte sich in eine Hölle für Menschen aus Algerien. Mitten im Sommer 1975. Vom 10. bis 13. August. Gerüchte machten im Vorfeld die Runde. Die Algerier würden Frauen vergewaltigen, besser verdienen, saufen und faulenzen. Nichts davon stimmte.
Den Gerüchten folgten Schlägereien. Jugendliche brachen einen Algerier die Nase, ein anderer wurde mit Latten und Stangen von einer Baustelle verprügelt. Ein Schäferhund wurde auf die Algerier gehetzt.

Am 12. August rannten Algerier panisch durch die Erfurter Innenstadt – auf der Flucht vor 300 Deutschen, die da eine regelrechte Hetzjagd betrieben. Die Volkspolizei leitete sie in den Hof der Erfurter Hauptpost. Vor der Post gröhlten bis zu 300 Deutsche Parolen wie „Schlagt die Algerier tot. Jagt sie heim. Sie sollen wieder den Busch scheren.“ Als das geschah, war Rasheed noch nicht auf der Welt. Aber das Ereignis sollte jetzt schon seinen Lebensweg ebnen. Traumata können vererbt werden. Am 13. August versammelten sich 132 Rassisten vor dem Arbeiterwohnheim der algerischen Vertragsarbeiter. 57 wurden festgenommen, oder zugeführt, wie das im Volkspolizei-Slang hieß. Drei kamen in Untersuchungshaft. Das war 1975, 30 Jahre nach dem Untergang des Dritten Reichs und 15 Jahre vor der Deutschen Einheit, vor dem nächsten großen Einschnitt in Rasheeds Familienbiografie.

Dann gab es so schlimme Geschichten, die mir passiert sind. Weißt Du, so mit Nazis, so richtig gewalttätige, brutale Ereignisse haben mein Leben dann halt so geprägt und mich auch auch teilweise verstört, dass dann mein deutsche Familie gesagt hat, dass meine Identität geändert werden muss, dass ich eigentlich nicht so dunkel bin, dass der Name mein Problem ist.
Rasheed. Jeder hieß da Torsten, Stefan, Marcell oder sowas. Und dann war da so ein Rasheed mit schwarzen Haaren. Das ging irgendwie gar nicht alles.

Die Ereignisse im Leben des jugendlichen Rasheed überstürzten sich und überforderten ihn und seine Familie.

Da gab es dann auch eine Entführung und nach dieser Geschichte war ich dann so verstört, dass ich nicht mehr in die Schule gehen wollte. Meine deutsche Familie war dann auch überfordert. Die wussten gar nicht. Die wollten ihre Ruhe haben. Meine Mama war alleine. Mein Papa war schon gestorben.
Da waren die alle überfordert und konnten mir nicht beistehen und haben gesagt, Du musst Deinen Namen ändern. Da wurde ich dann mit vierzehn da hingeschickt und hieß dann auf einmal Steffen mit Vornamen, mit dem ich mich auch nie anfreunden konnte. Bin dann ans andere Ende der Stadt gezogen und sollte dann da als Steffen Schmidt neu anfangen.

Aus dem 14jährigen Rasheed Schmidt mit den Initialien RS wurde über Nacht Steffen Schmidt.

Meine Initialien sind SS. Wollt Ihr mich verarschen, oder was? (5:13)

Was macht so eine Identitätsänderung mit und aus einem Teenager? Dann auch noch so eine mit so einem herben Beigeschmack?

Ich war ja so, im Kopf so deformiert, auch durch diese Identitätsänderung und diese ganzen Geschichten.

Neue Impulse bekam Rasheed erst durch eine engagierte Jazz-Poetin, die es aus Atlanta in den USA in den Neunzigern nach Erfurt verschlagen hatte.

Sherifa hat dann zu mir gesagt: „Ja, Rasheed, in der Schule hast Du jetzt vielleicht eine Sechs bekommen, weil Du Dir das nicht mehr anhören kannst, aber von Allah hast Du jetzt eine Eins bekommen, für das, wie stark Du jetzt bist. Vielleicht probierst Du es einfach mal mit Rap.

Das war der Startschuss für Rasheed, der sich dann als Musiker zuerst das provokative Pseudonym SS-Häuptling zugelegt hat.

Seit dieser Zeit habe ich dann auch angefangen, zusammen mit Satajah Mama, die auch die Mutter meiner Kinder geworden ist. Wir haben dann vier Alben produziert, unter dem Namen Jabam, haben einige sehr schöne Alben zusammen gemacht: per Music und eingeborene Außerirdische, genau wie dann SS-Häuptling mit „Hajij, sag’ Gesundheit!“. Und „Hims“ heißt ein anderes Album: „Hier in meiner Seele“. Das ist eigentlich alles nur im Untergrund veröffentlicht worden.

Sein Pseudonym machte es nicht immer leicht, Auftritte zu bekommen und sorgte manchmal für eigenartige Situationen.

Zum Beispiel bin ich in Rostock aufgetreten, in der alten Zuckerfabrk und da waren zwei, drei Leute im Publikum, die hatten Seitenscheitel und Deutschlandaufnäher drauf und die haben dann geschrien SS-Häuptling. Die sind gekommen wegen diesem SS-Ding.

Diese Musik hatte Ecken und Kanten und ging nicht allen so leicht ins Ohr wie etwa die von anderen aufstrebenden HipHoppern in Thüringen. Aber sie war Rasheeds Sprachrohr.

Clueso, der war da eine gefeierte Nummer. Weißt Du, was wir für Musik gemacht haben?

Wir waren scheiße böse, wir waren wahnsinnig, wir waren wütend. Wir haben ganz schlimme, wütende Musik auch gemacht. Lieblich auch viel, aber auch wütend. Wir waren auch in der Stadt wütend. Ich habe auch viel rumort. Ich habe mich auch bewaffnet. Ich bin auch rumgezogen, ich war radikal und so. Ich habe auch Nazis gejagt. Wir sind richtig in Schlachten gezogen, mit Knarren.

Das Leben in der Defensive war nun vorbei. Rasheed lernte, sich zu wehren und sich auszudrücken – mit seiner Musik. Er eroberte die Bühnen im gesamten deutschsprachigen Raum, aber nicht die in Thürigen, bis heute nicht. Und das frustriert ihn.

Ich mache jetzt seit zirka 22 Jahren Musik und ich bin schon zig mal in Baden-Würtemberg aufgetreten. Ich glaube,ich bin über zwanzig mal in Bayern aufgetreten. Ich bin in Rheinland-Pfalz, in Nordrhein-Westphalen, in Hamburg, selbst in Rostock aufgetreten, Leipzig, Berlin, überall. Selbst in der Schweiz, Aarau, Basel, Zürich. In Österreich, in Wien bin ich aufgetreten oder im HipHop Kemp in der Tschechei. Ich bin wirklich schon viel rumgekommen, aber in Thürigen? Ja, seppi. Dresden, okay, einmal bin ich hier aufgetreten. Nur in Erfurt.

Ganze vier Konzerte hatte er in Erfurt. Eins davon organisiert von der Antifa.

Ich bin weder in Jena, noch in Weimar, noch in Nordhausen, Eisenach, Gotha, Arnstadt oder sonst in irgend einer Stadt, Suhl, Gera oder was weiß ich, wie die alle heißen. Ich bin da auf jeden Fall nie aufgetreten. Nie.

Nicht nur in Thüringen stieß seine Musik auf taube Ohren. Auch große Hip Hop-Medien watschten seine Musik ab mit Rezensionen weit unter der Gürtellinie und tief im rassistischen Fahrwasser.

Zum Beispiel die Juice, eins der etabliertesten, größten HipHop-Magazine in ganz Deutschland, Schweiz, Österreich und so. Da haben wir das damals hingeschickt, unsere Musik, mit „Wildes Tier“ und „Noch einen Schritt weiter“ all solche Lieder. Weißt Du, was es da für Reviews gab? Sowas wie: „Ja, diese zwei Jungs denken, dass sie HipHop machen, aber das ist für jeden HipHopper nur zum Wegrennen“, hat der geschrieben. Dann hat der darunter geschrieben: „Wir wissen nicht, was es ist. Ich kann es nicht verstehen. Ist es arabisch, mongolisch oder afrikanisch?“ Das hat der gesagt, derselbe, der dann zehn Jahre später, als es dann inn geworden ist, Cello und Abdi zum Beispiel, zwei Rapper aus Frankfurt, dafür groß gelobt hat, so ein Sprachgulasch zu machen und so. Das haben wir 1998, 99, so was haben wir da schon gemacht und haben das auch zur Juice geschickt und die haben das alles überhaupt gar nicht wertgeschätzt und nach dieser Review haben wir auch beschlossen Deutschland komplett – eigentlich uns überhaupt nicht anzubiedern bei diesen ganzen sogenannten weißen Medien, die überhaupt gar nicht checken, was da überhaupt läuft.

Überhaupt die Lebenswelt der Deutsch-Rap-Szene hatte mit seiner Lebenswelt so ganz und gar nichts zu tun.

Diese ganzen betuchten: „Ja, ich mache Hip Hop-Musik, Text und Ton und so.“ Damit konnten wir einen Scheiß anfangen. Wir waren wütende, junge, Label-mäßig gesehen, böse Kanacken einfach für die Leute. Haben da überhaupt keinen Anschluss gefunden.


Absurd wurde es für Sonne Ra ab dem Punkt, als er sich Rassismus-Vorwürfe aus HipHop-Kreisen gefallen lassen musste.

Die haben uns des Rassismus bezichtigt.

„Ihr seid ja rassistisch.“ Und so was, die haben das überhaupt nicht nachvollziehen können.

Links liegen gelassen fühlt sich Sonne Ra auch vom Freien Radio in Erfurt.

Das Radio F.R.E.I zum Beispiel auch. Die haben mich auch nie unterstützt und meine Platten und alles. Leider haben die das auch nie gemacht.

Insgesamt prallen da wahrscheinlich einfach zwei Welten aufeinander.

Diese ganzen betuchten: „Ja, ich mache Hip Hop-Musik, Text und Ton und so.“ Damit konnten wir einen Scheiß anfangen. Wir waren wütende, junge, Label-mäßig gesehen, böse Kanacken einfach für die Leute. Haben da überhaupt keinen Anschluss gefunden.

Zeitsprung: 19. Dezember 2016. Elf Menschen sterben, 67 sind schwer verletzt, nachdem in Berlin ein LKW durch den Weihnachtsmarkt am Wittenbergplatz fährt.

Genau als dieser Amri wohl mit seinem Wagen in Berlin durch den Weihnachtsmarkt gefahren ist und wir sind drei Stunden vorher auch über diesen Weihnachtsmarkt gelaufen. Dann, am nächsten Tag bin ich wieder in meinen Zug gestiegen und ich hatte einen Rucksack dabei. Scheiße, ich hatte selber Angst, was in meinem Rucksack drin ist und die ganzen Leute auch. Ich hatte richtig groß Vollbart gehabt, so schwarze Augen, ne. Und ich habe sofort so gedacht: „Scheiße, jeder denkt bestimmt, ich hab da jetzt was drin.

Dieser Tag war wie ein Wendepunkt. Da passierte auch was mit der arabischen Community in Erfurt.

Ja, dann war allgemein die Stimmung voll krass. Alle Araber in Erfurt haben gesagt: Ey, es ist wirklich gerade überhaupt gar nicht gut hier. Sie trauen sich fast überhaupt gar nicht auf die Straße. Es war so eine brenzlige Pogromstimmung schon wieder gewesen und da habe ich mir einfach gedacht, so, dass es so viele Leute in Erfurt gibt, die in der Gesellschaft angekommen sind, sich integriert haben, auch deutsche Freunde, arbeiten, einen Job haben und trotzdem so krass immer wieder damit zu kämpfen haben.

Thüringen und Sachsen sind seit Jahren Dreh- und Angelpunkte der rechtsradikalen Bewegung des des rechten Terrorismus. Hier formierte sich der NSU, der Nationalsozialistische Untergrund um Beate Zschäpe. Doch das Wort Terrorist bringt bei vielen Thüringern und Sachsen eher andere Assoziationen ans Licht, meint Sonne Ra.

Wenn Du schwarze Haare hast oder schwarze Augen hast, bist Du halt einfach ein Nafri oder ein Terrorist oder irgendwas. Wirste über einen Kamm geschert so.

Wir bleiben im Jahr 2019. Rasheed steckt in einer schwierigen Phase.

Und ich habe in der Scheiße gesteckt, vor so zwei, drei Jahren und musste mir eine Wohnung suchen. Ich hatte kein Geld und mit der Musik ist es gerade auch nicht so gut gelaufen. Und dann musste ich tatsächlich, ich habe mich mega krass viel beworben in Erfurt und nichts bekommen und zum Schluss hat mir ein Freund dann was gegeben, wo ich auf dem Bau arbeiten musste. Ick kenne das. Ich habe über fünf Jahre Abriss gemacht. Aber ich musste dann halt voll auf dem Bau arbeiten gehen und stand dann halt im Schneesturm bei minus acht Grad mit der Schippe, hab an die ganzen tollen Rapper gedacht, die irgendwie alle ihr Life haben und so und ich stehe da irgendwie da für vierhundert Euro die Woche und dieser Dominique steht da und sagt: „Los, jetzt nimm die Backsteine!“. Die haben mich als Esel benutzt. Mir blieb nichts weiter übrig als zu gehorchen und das zu machen und zu gehorchen und das zu machen, weil ich kein Geld hatte und die Miete bezahlen musste. Das musste ich auch fast ein Jahr durchhalten, ehe ich dann so meinen Flavour wiedergefunden habe. Und das war echt krass, man. Das war unglaublich. Da bin ich dann halt mit Rechten auf dem Bau gewesen. Geh doch mal in Erfurt auf eine Baustelle mit ein paar Leuten. Da wirst Du entweder nur Polen, oder nur Türken oder Kurden sehen, aber Du wirst ansonsten auf den Baustellen einen Haufen scheiß Faschos treffen. Bau ist halt nicht das höchste Niveau. Da sind sie halt ganz viele.

Was ihm da auf der Baustelle begegnet, ist nicht nur rechte Sprücheklopferei.

Ich saß da im Pausenraum und es waren halt alles deutsche, stolze Typen, die sich die ganze Zeit über die Flüchtlinge aufgeregt haben. In dem Pausenraum. Ich saß da mit dabei. Und die haben dann immer gesagt: „Ja, Du nicht, aber die, die hierherkommen. Und dann haben die sich ein Video angeguckt, wie dieser Massenmörder vor eine Moschee gegangen ist und auf Facebook live gepostet hat, wie der Leute in den Kopf schießt. Der hat über zwanzig Leute erschossen. Die haben sich das angeguckt. Manchmal hat da noch jemand gezuckt oder sich bewegt. Die haben sich das alles angeguckt. Ich habe es nicht gesehen. Und dann hat der richtig nochmal drauf geschossen, damit die Frau auch tot ist und das Kind, ganz schlimm. Und die haben dabei alle gelacht und sich gefreut. Haha, die haben sich tot gelacht darüber. Das wird hier auch kommen. Da ist mir richtig schaurig geworden. Unglaublich. Das kann man überhaupt nicht begreifen, wie wahnsinnig und böse die sind.

Rassismus auf dem Bau zieht sich nicht nur durch die Belegschaft. Die Chefetagen und Bauherren treffen genau den gleichen Ton, bestätigt Sonne Ra.

Auf meinem Ausweis steht ja immer noch Steffen Schmidt, und dann hieß es: Ja, sag’ denen nichtm dass Du Rasheed heißt. Wenn Du Rasheed heißt, kannst Du es vergessen. Die nehmen nur Deutsche. Ich habe auch mal mitbekommen, wie der Chef meiner Firma ein Angebot von einem Bauherren aus Mecklenburg-Vorpommern bekommen hat, der ein großes Bauprojekt in Thüringen starten wollte und gleich von vornherein gesagt hat, dass dort nur Deutsche arbeiten werden. Es gibt keine Ausländer auf diesen Baustellen.

Von einem Guerrillakrieg träumte sein Boss.

Dieser Chef saß dann auch mit jemand Anderem zusammen und dann haben sie sich über die Guerrilla-Krieg unterhalten, dass endlich was passieren muss in Deutschland, dass das alles nicht so weiter geht. Vor zwei, drei Jahren war das. Das war nicht in den Neunzigern oder so, ne?.

Nein, diese Ereignisse sind taufrisch – im Vergleich.
Das war 2019.

Und der Dominic, mein Chef, hat gesagt: „Ich höre Landser, ich höre Störkraft. Ich hab nichts gegen Türken, aber die mit ihren Dumpingpreisen, nee, das geht nicht.“ So reden die dann halt.
Dann hab’ ich mir gedacht. Man, ich stehe hier. Ich mache seit 20 Jahren brotlose Kunst und werde nicht gehört und muss zum Schluss wieder auf einer Baustelle mit scheiß Faschos stehen, In Erfurt. Und da habe ich mir gedacht: Scheiße, dann habe ich einen Track geschrieben darüber und ein Video gedreht. Was bleibt mir anderes übrig?

Dabei will sich Sonne Ra gar nicht so sehr mit politisch aufgeladenen Themen in seiner Musik befassen.

Ich bin tatsächlich kein politischer Rapper. Ich bin eher so ein funky Dude, der damit gar nichts zu tun haben will. Aber was mir passiert ist, das spiegle ich dann zurück, so.

Dennoch positioniert er sich ganz klar gegen Rssismus, gegen sämtliche Zuschreibungen und das Labeln von Menschen.

(Labels so.) Es ist, glaube ich, gerade, eine Art Entwicklung und ein Wandel und ein langer Weg, bis das Ungleichgewicht nicht mehr so existiert, dass wir ein Gleichgewicht haben, in dem wir alle gleichberechtigt existieren können.

Mit jüngeren Selbstbezeichnungen, die alte rassistische Begriffe überschreiben sollen, tut sich Sonne Ra schwer.

Ich glaube, so manch einer nimmt das auch zum Profilieren und redet dann: „Ja ich bin schwarz, ich bin POC und ich bin das.“ Und das ist auch alles wichtig. Das muss auch alles passieren, aber ich bin schon 95 mit der Jacke rumgelaufen, mit der Jacke, wo drauf stand „The Devil is called blue eyes, blond hair“. Ich bin in meinem Kopf schon weiter gegangen.

Sonne Ra will sich nicht einer Gruppe oder Großgruppe zuordnen lassen.

Jeder hat das Recht, sich sein eigenes Label zu bestimmen und sich bezeichnen, wie er möchte. Ich möchte nicht zu einer Gruppe oder irgend einer Großgruppe dazu gehören. Ja, Du bist ja jetzt POC. Für mich ist das eine Beleidigung, auf jeden Fall, so, wenn Du das sagst zu mir. Ich finde das beleidigend, wenn irgendwelche Menschen, die politisch korrekte Faschisten geworden sind, inzwischen, mir erzählen wollen, was ich bin. Ja, muss ich hetzt die ganze Zeit um meine Identität kämpfen, dass jetzt irgendwelche schlau studierten Menschen, die politisch ganz krass sind, irgendwie dann sagen, ja gut. Du bist jetzt das. Du bist jetzt dies. Damit komme ich überhaupt gar nicht mehr klar.

Wir sind hier in de Minderheit und wir müssen uns gegenseitig entwickeln und inspirieren. Aber ich bin wirklich kein Freund von den Labels. Ist aber wahrscheinlich im Moment noch nötig.

In seinen Augen sind Begriffe für Hautfarben lediglich politische Kampfbegriffe, die eine menschenverachtende Agenda rechtfertigen und durchsetzen sollen, die letzten Endes ausgrenzen.

Man braucht einen politischen Begriff und der ist schwarz.

Ehrlich gesagt, kommt mir das ziemlich dumm vor, wenn Leute sagen oder nacherzählen, ich bin weiß und ich bin schwarz. Das ist die Sprache von William Lynch und seinen Gesetzen, die er gemacht hat, um Leute nach Hautfarben zu kategorisieren.

Woher kommt der Begriff schwarz überhaupt? Was hat das zu bedeuten? Kommt nicht aus Afrika. Ihr werdet keinen Afrikaner sehen, der sagt, ich bin schwarz. Es ist in Amerika passiert und es ist zur Legitimierung der Sklavenhalterei so gewesen, dass sie das in ihre Religion eingebaut haben, dass das alles von Gott so gewollt ist.

Ich glaube, es ist ein Wandel der Zeit. Ich glaube nicht, dass Menschen schwarz und weiß sind. Wäre ein Mensch schwarz und einer weiß, dann wäre das Kind grau und ich habe noch nie ein graues Kind gesehen.

Was Sonne Ra auch stört, sind Künstlerinnen sich mit ihrer Hautfarbe zu profilieren versuchen, obwohl sie im bisherigen Leben, kaum oder keine Diskriminierungserfahrungen machen mussten. Beispiele nennt er aber nicht.

Es gibt tatsächlich auch Künstler, die sich damit jetzt in den Vordergrund stellen, damit nie etwas zu tun hatten und auch nie diese Probleme hatten. Schlimmstenfalls wurden die mal von einer Oma im Bäcker dumm angeguckt und stellen sich jetzt so hin, es ist so hart hier. Rassismus. Es fällt mir auf. Ich bin schwarz. Die Leute wissen nicht mal, woher schwarz kommt.



Woher kommt der Begriff schwarz überhaupt? Was hat das zu bedeuten? Kommt nicht aus Afrika. Ihr werdet keinen Afrikaner sehen, der sagt, ich bin schwarz. Es ist in Amerika passiert und es ist zur Legitimierung der Sklavenhalterei so gewesen, dass sie das in ihre Religion eingebaut haben, dass das alles von Gott so gewollt ist.

Ich glaube, es ist ein Wandel der Zeit. Ich glaube nicht, dass Menschen schwarz und weiß sind. Wäre ein Mensch schwarz und einer weiß, dann wäre das Kind grau und ich habe noch nie ein graues Kind gesehen.

Für Rasheed erscheint jetzt vor allem eins wichtig: Klare Grenzen zu ziehen und sich klar zu positionieren.

Wir müssen radikal sein und kompromisslos und müssen sagen: Und wenn ihr drüber geht über die Grenze, rasten wir alle aus.

Und eine Sache gibt er allen noch mit auf den Weg.

Jambo, jambo Leute. Bleibt stark in Dresden und Umgebung. Ich küsse Eure Bauchnabel.