Redebeitrag der FAU Erzgebirgskreis für die Antifaschitische Großdemostration "Schicht im Schacht - Faschistische Normalisierung durchbrechen!" am 31.07.21 in Zwönitz

ID 110390
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Redebeitrag der FAU Erzgebirgskreis für die Antifaschitische Großdemostration "Schicht im Schacht - Faschistische Normalisierung durchbrechen!" am 31.07.21 in Zwönitz

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Klassifizierung

Beitragsart: Anderes
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: FAU Erzgebirgskreis
Radio: coloradio, Dresden im www
Produktionsdatum: 27.07.2021
Folgender Teil steht als Podcast nicht zur Verfügung
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Skript
Hallo liebe Menschen, die Ihr in die sächsische Provinz gekommen seit.

Wir sind die Freie Arbeiter:innen Union Erzgebirgskreis, eine anarchosyndikalistische Basisgewerkschaft.
Unser Redebeitrag soll sich vor allem mit der wirtschaftlichen, geschichtlichen und soziologischen Entwicklung des Erzgebirgskreises befassen und nicht mit den aktuellen Mobilisierungen von Querdenken und Nazis, die zu dieser Demonstration geführt haben.

Als Basisgewerkschaft können wir nur sagen, dass die Löhne im Erzgebirgskreis im bundesweiten Vergleich kaum zum selbstbestimmten Leben reichen.
Die höchsten Durchschnittslöhne in Sachsen gab es im Jahr 2018 in den drei kreisfreien Städten Dresden (3.200 Euro), Leipzig (3.050 Euro) und Chemnitz (2.888 Euro). Die geringsten Durchschnittslöhne werden in Görlitz (2.380 Euro), im Erzgebirgskreis (2.390 Euro) und in Mittelsachsen (2.454 Euro) gezahlt. Die Teuerungsrate, auch Inflation genannt, der letzten Jahre war aber die Gleiche wie bundesweit was zu einem Rückgang der Kaufkraft vor allem im weitverbreiteten Niedriglohnbereich des Erzgebirgskreises geführt hat.

Das ist ein Grund warum das Erzgebirge seit der Wende mit massiver Abwanderung von jungen und gebildeten Menschen zu kämpfen hat aber leider nicht der Einzige.

Es gibt keinen Nutzer*innenfreundlichen öffentlichen Personennahverkehr im Erzgebirgskreis sowie schlechte und teure Tarife im Verkehrsverbund Mittelsachsen was sich z.B. durch das Fehlen eines 360,-€-Tickets oder eines Sozialtickets deutlich bemerkbar macht. Die Takte von Bus und Bahn sind schlecht aufeinander abgestimmt aber das habt Ihr ja selbst bei eurer Anreise mitbekommen.
Außerdem haben wir vor Ort fast nur konservative Kulturangebote wie Brauchtums- und Heimatpflege oder Freizeitangebote in Kirchen und Freikirchen. Viele Träger der Kinder- und Jugendhilfe im Erzgebirge haben eine kirchliche Trägerschaft. Daher ist es kein Wunder, dass der Kreissitz des Erzgebirgskreises Annaberg-Buchholz für seinen Anti-Abtreibungsmarsch bekannt ist.
Dazu kommt noch ein mit Nachdruck eingeforderter gesellschaftlicher Konzens von massivem Lokalpatriotismus und Traditionsbewusstsein. Die Stichworte sind hier: Mittelalterlicher Bergbau als erzgebirgische Identität, das Überhöhen der eigenen Mundart und die Identifikation mit dem Weihnachtsland Erzgebirge.

Dies Alles ist nicht vom Himmel gefallen, sondern das Erzgebirge hat eine dementsprechende Vergangenheit.

Eine Person möchten wir hierbei besonders herausstellen.
Friedrich Emil Krauß wurde als Mitglied der NSDAP 1934 zu deren Kreiskulturwart in der Amtshauptmannschaft Schwarzenberg ernannt. Er bemühte sich gemeinsam mit dem Annaberger NSDAP-Kreiskulturwart Max Günther um die Pflege erzgebirgischer Traditionen, insbesondere des Schnitzens. Als Kreiskulturwart organisierte er die Deutsche Krippenschau in Aue, die vom 1. bis 31. Dezember 1934 stattfand. Während dieser Schau wurde die von ihm erdachte und 1933/1934 in Gemeinschaftsarbeit der Belegschaft der Krauß-Werke gebaute Krauß-Pyramide erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Am 2. Oktober 1936 wurde Krauß bei der Gründung des Heimatwerks Sachsen dessen Vorsitzender. Als enger – zumindest politischer – Freund des Gauleiters von Sachsen Martin Mutschmann, welcher von 1925 - 1945 Gauleiter war, sollte er hier alle kulturellen Bestrebungen in Sachsen im Sinne der NSDAP gleichschalten und steuern.
Krauß organisierte für das Heimatwerk Sachsen die Feierohmd-Schau in Schwarzenberg. Diese Weihnachtsausstellung erzgebirgischer Volkskunst, die vom 28. November 1937 bis 19. Januar 1938 stattfand, hatte 330.000 Besucher. Nach Krauß’ Worten war die Schau „ein Wahrzeichen dafür […], dass nirgends die Volkskunst als Ausdruck echter Heimatliebe so blühe wie bei uns im Erzgebirge.“
Durch die Feieromd-Schau hat der erzgebirgische Schwibbogen seine heutige Bekanntheit erlangt. Als Werbesymbol suchte man etwas Typisches aus dem Westerzgebirge, und kam auf den Bogenleuchter der Johanngeorgenstädter Bergleute.
1940 wurde Krauß zum Vorsitzenden des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz gewählt. In der nach ihm benannten Kraußhalle in Schwarzenberg organisierte er mehrere Streitsingen. Das dritte Fest dieser Art eröffnete er am 15. Juni 1940 u. a. mit den Worten: „Das Lied der Heimat hat tausend Strophen und jede ist ein Bekenntnis zu Führer, Volk und Vaterland. Die Soldaten singen, die Heimat singt, es singt ein sieghaftes, starkes, gläubiges Volk.“

Ihr könnt euch sicher denken was diese beschriebene Situation und Geschichte aus einer Gesellschaft macht.

Daher denken wir, dass antifaschistische Großdemostartionen wie heute, die erzgebirgische Gesellschaft nicht nachhaltig verändern werden, sondern, leider wie so oft, ein aktionistisches Strohfeuer bleiben. Wir haben kaum bis keinen Rückhalt in dieser Stadtgesellschaft. In Bezug auf die Demonstration heute hat selbst Die Linke. Zwönitz vom schwarzen und gewalttätigen Block gesprochen, der Zwönitz kaputt machen will. Oder anders ausgedrückt; wahrscheinlich wird niemand von heutigen Stadtfest in Zwönitz bei uns heute oder in Zukunft mitlaufen. Das wollen wir ändern, weil auch der Erzgebirgskreis nicht überall Dunkeldeutschland ist. Im Gegensatz zur Linken Zwönitz hat der Kreisverband der Linken Erzgebirge diese Demonstration solidarisch und auch finanziell unterstützt.
Einmalige Kundgebungen gegen Nazis und Querdenken macht außerdem selbst Die Linke Erzgebirge & Co. . Vor Wochen hat die bürgerliche erzgebirgische Zivilgesellschaft eine antirassistische Kundgebung unter dem Motto „Zwönitz, WIR lassen dich nicht allein!“ veranstaltet und für eine weltoffene BRD geworben. Das kann nicht unser Ansatz sein.
Wir unterstützen vor Ort nachhaltige Lösungsstrategien gesellschaftlicher Veränderung wie selbstorganisierte Solidaritätsprojekte wie die Freie Arbeiter:innen Union Erzgebirgskreis oder die Anarchistische Nachbarschaftshilfe Annaberg-Buchholz sowie Hausprojekte wie die Unanbeatbar in Schwarzenberg.
Wir rufen zum Zuzug emanzipatorischer Menschen in ländliche Räume, nicht nur in Sachsen, auf! Liebe Antifa: Zieht aufs Land und werdet gesellschaftliche Multiplikator:innen, wo es keine gibt.

Kommentare
28.07.2021 / 19:42 Coloradio Dresden, coloRadio, Dresden
MIMA
Gesendet im Magazin Danke