"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Das Trumpf

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Für unsere Verhältnisse ist das doch ungewöhnlich, dass ein 500 Kilogramm schwerer unförmiger Fettsack jemand anderem vorwirft, er sei dick. Donald Trump hat von seinem Vater ein Vermögen von einer halben Milliarde Dollar in die Wiege gelegt bekommen und wirft John Fetterman, dem demokratischen Bewerber für ein Kongressmandat vor, er verprasse das Geld seiner Eltern.
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11:10 min, 26 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 07.09.2022 / 09:57

Dateizugriffe: 72

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Politik/Info
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 07.09.2022
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Für unsere Verhältnisse ist das doch ungewöhnlich, dass ein 500 Kilogramm schwerer unförmiger Fettsack jemand anderem vorwirft, er sei dick. Donald Trump hat von seinem Vater ein Vermögen von einer halben Milliarde Dollar in die Wiege gelegt bekommen und wirft John Fetterman, dem demokratischen Bewerber für ein Kongressmandat vor, er verprasse das Geld seiner Eltern.
Für unsere Verhältnisse ist das doch ungewöhnlich, dass ein 500 Kilogramm schwerer unförmiger Fettsack jemand anderem vorwirft, er sei dick. Donald Trump hat von seinem Vater ein Vermögen von einer halben Milliarde Dollar in die Wiege gelegt bekommen und wirft John Fetterman, dem demokratischen Bewerber für ein Kongressmandat vor, er verprasse das Geld seiner Eltern. So ist es aber, es, das Trump; einmal hat es gesagt, es könne auf der 5th Avenue vor aller Augen jemanden erschießen und dann behaupten, er sei es nicht gewesen und damit durchkommen. Stimmt zu weiten Teilen; man hat im Moment den Eindruck, er spiele dies nicht mit einem ixbeliebigen Menschen, sondern mit der US-amerikanischen Demokratie durch. Den Präsidenten lautstark als Staatsfeind Nummer eins zu bezeichnen ist doch recht dick aufgetragen, 500 Kilogramm schwer und unförmig, von einem, den nur die eigene Unfähigkeit davon abgehalten hat, vor eineinhalb Jahren das Kapitol zu stürmen. Denn das muss man immer auch anfügen: Dieses herum schreiende Donald ist nichts anderes als ein schlecht, nämlich gar nicht gealtertes Kind, ein brüllender Blage, ein Brat, wie es die US-Amerikaner:innen bezeichnen, Bart Simpson ohne seine herausragende außerschulische Intelligenz – das Trump ist ebenso bodenlos blöde wie es bodenlos laut ist. Die Frage ist also, welche Art von Öffentlichkeit, also von Gesellschaft so etwas toleriert. Mit Sicherheit ist es eine Öffentlichkeit, welche schlechte Erfahrungen gemacht hat, sozusagen mit sich selber, nämlich mit der eigenen Kommunikation, mit den Medien respektive mit den Public-Relations-Abteilungen, welche die Fakten auf eine Art und Weise dimmen, dass die Wahrheit über kurz oder lang nur noch im Halbdunkel erscheint, und das bekommt der Wahrheit nicht; über kurz oder lang erscheint sie als solche nur noch als Imitat, und als Imitat, als Fake tritt sie denn auch überall auf, auch dort, wo wir durchaus einen Anfangsverdacht auf Korrektheit haben, sei es der Guardian, die Washington Post, die Frankfurter Allgemeine auf der rechten und die Süddeutsche Zeitung auf der sozialdemokra­tischen Seite, ja, auch in der «Welt» kann man lesen, ohne gleich Magenblähungen zu erhalten, während bei Organen wie der «taz» die Polarisierung zum Vornherein klar ist, was selbstverständ­lich einen Teil der Wahrheit und Transparenz darstellt Trotzdem: Die Informationen mögen korrekt sein, ja unerlässlich für unsere Meinungsbildung, und trotzdem handelt es sich immer um ein Imitat von Wahrheit, sei es durch die Auswahl der Themen, über welche berichtet wird, sei es durch die Art der Berichterstattung. Abgesehen davon ist die Wahrheit ja auch nicht eine absolute und eben öffentlich zugängliche Instanz; dass der Mensch irrt, lernt er erstens sehr früh und zweitens im ganzen Leben immer wieder.

Und doch können wir nicht leben und arbeiten ohne sie, ohne die Wahrheit selber, so verschlossen und verschlüsselt sie uns auch immer entgegen treten mag, vor allem aber ohne die Wahrheits­vermutung.

Erscheinungen aber wie die, ich möchte jetzt niemanden, auch nicht aus dem Tierreich, beleidigen durch einen Vergleich mit dem Trump, aber ich nehme jetzt trotzdem mal ein Tier-Imitat, nämlich eine Tiefsee-Qualle Donald Trump, welche den Status der einfachen Lüge beziehungsweise eines Lügengeflechts schon weit hinter sich gelassen haben und einfach drauflos tröten in bunten und regelmäßig wechselnden Zusammensetzungen aus Lügen und Wahrheiten, solche Erscheinungen irritieren nicht nur mich gewaltig, weil sie direkt aus einer psychiatrischen Einrichtung in das öffentliche Leben hinein gesprungen scheinen. Boris Johnson gehört auch zu dieser Gattung; ihm fehlen aber einige Pfund, weil er meines Wissens nicht über nennenswerte Privatinteressen in England verfügt außer dem, natürlich ebenfalls höchst privaten Interesse, Machtpositionen einzunehmen; es scheint sich aber nicht um eine Koppelung mit Kapital zu handeln, sondern um eine genuine Ich-Störung, um den alleinigen Drang, sein eigenes Konterfei sozusagen als Imitat seines eigenen Penis in die Kamera zu halten. Damit, also mit dem Verweis auf eine narzisstische Störung, wenn es sich überhaupt um eine Störung handelt, ist aber noch nichts gewonnen, weil die Krakeeler als solche uninteressant sind; von Bedeutung ist nur, dass sie in entwickelten Volkswirtschaften mit dem Betriebssystem einer Demokratie, betrieben von einer Bevölkerung mit einem Analphabeten-Anteil von an die null Prozent, an die Macht kommen, dass sie also von den alphabetisierten Mehrheiten via ihre Parteien tatsächlich gewählt werden. Das ist ein Rätsel.
Zweifellos leisten die sozialen Medien einen Beitrag, den ich in keiner Art und Weise einschätzen kann, weil die mich nicht interessieren und weil ich nicht denke, dass es sich nur um ein Social-Media-Phänomen handelt. Mindestens bei uns spielt eine wichtige Rolle die Tatsache, dass nach jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen der politischen linken und der politischen Rechten ans Licht gekommen ist, dass sowohl die politische Linke als auch die politische Rechte exakt die gleiche Politik betreiben, wenn sie an die Macht gekommen sind. Das wiederum hat damit zu tun, dass die ursprünglichen Kernanliegen im Prinzip alle erfüllt worden sind; Politik kümmert sich heute um Sekundär- oder Tertiäranliegen, die alle ihre Berechtigung und Bedeutung haben, aber keinen wesentlichen Einfluss auf den Gang der Gesamtentwicklung haben, sowie natürlich wie eh und je um die Bedienung der jeweiligen Partikularinteressen. Hier hofft man im Allgemeinen darauf, dass sich auf dem Markt dieser Interessen im Rahmen des politischen Prozesses so etwas wie ein Allgemeininteresse herausbilden möge, was mindestens theoretisch möglich ist.

Hier ist die Anmerkung am Platz, dass die Politik tatsächlich einen Ort darstellt, wo Entscheidungen gefällt und zukünftige Entwicklungen beeinflusst werden. Es besteht einfach kein Zusammenhang zwischen diesem Ort des Geschehens und der herkömmlichen politischen Auseinandersetzung, welche eben unterdessen in gewissen Weltgegenden zur reinen Jockel-Parade gediehen ist, wobei ich mich immer wieder wundere, dass so etwas nicht nur in Brasilien der Fall ist oder in Argentinien, wo das Herumjockeln nach meiner Einschätzung seit fünfzig Jahren und spätestens seit dem berühmten Spruch des frisch gewählten Präsidenten Menem «Que no os voy a desfraudar! Que no os voy a desfraudar! Que no os voy a desfraudar!» (Ich werde euch nicht betrügen!) auch einen nachhaltig negativen Einfluss auf die Staatsstruktur und auf Wirtschaft und Gesellschaft hat, sondern eben auch in Ländern mit einer hohen Alphabetisierungsrate. In den Vereinigten Staaten beziehungsweise im Süden davon ist das Trump und mit ihm das Herumtrumpen zu einem Volkssport geworden wie Büchsenschießen, vielleicht besteht ein Zusammenhang zwischen diesem Verzicht auf Wahrheit und dem niedrigen Alkoholgehalt des Bieres, vermutlich ist dies der Fall. Aber eben, in England wird ja richtiges Bier getrunken und trotzdem ein Clown wie Johnson gewählt und eine Clownerie wie der EU-Austritt vollzogen.

In einer anderen Sphäre der öffentlichen Kommunikation bewegt sich seit fünfzehn Jahren der Erdopampel. Jetzt droht er den Griechen wieder mit der nächtlichen Besetzung ihrer Ägäis-Inseln. Das ist derart dumm angesichts des hohen Risikos, das er mit seinem maroden Staats- und Wirtschaftskarren läuft, dass ich mir fast wünsche, er würde den Versuch jetzt endlich mal real starten. Wenn ein Nato-Mitglied das andere angreift, gibt es wohl kaum mehr Spielraum für Verhandlungen, da muss das ganze Register an Sanktionen auch für den Erdopampel gezogen werden und ordentlich bespielt in Toccatas und Fugen in unendlicher Zahl und Lautstärke, dass die Türk:innen in eine innere Emigration verfallen und den Erdopampel mit einer Drohne nach Armenien spedieren. Seit dem Ukraine-Krieg ist eigentlich nichts mehr unmöglich, und die Invasionsdrohung des türkischen Staatschefs steht sicher in direktem Zusammenhang mit diesem Krieg; dem ist schon wieder der Kragen geschwollen, seit die Verhandlungen über ukrainische Getreidelie­ferungen erfolgreich in der Türkei geführt wurden, in der Zwischenzeit hat er vermutlich auch wieder den einen oder anderen Quadratkilometer an kurdischem Gelände in Nordsyrien besetzt, davon weiß ich im Moment nicht so viel, ich weiß nur, dass das Theater dieses Möchtegern-Orang-Utans mit der geschwollenen Halskrause mir auf unerklärliche Art und Weise immer noch auf den Wecker geht, obwohl es sich seit Jahr und Tag immer gleich abspielt.

Und Ihr so, geschätzte Hörerinnen und Hörer in Erfurt? Entlastungspaket und Bürgergeld bestimmen neben der Explosion der Energiepreise die Schlagzeilen, die man hier über Deutschland liest, wobei mir vor allem das Bürgergeld gegen den Strich geht, handelt es sich dabei doch offensichtlich um eine recht plumpe Wortkosmetik an Hartz IV. Dass die Regierung dafür auch noch den früher von den Liberalen und von Eurem ehemaligen Ministerpräsidenten Althaus benutzten Begriff für das Grundeinkommen verwendet, sollte eigentlich strafbar sein. Aber da die FDP und die CDU es seinerzeit versäumt haben, den Begriff unter Patentschutz zu stellen, kann man ihn halt frei drehen und wenden, wie es die Regierung nun tut. Insgesamt versucht Deutschland wie alle anderen Länder auch, die breite Bevölkerung halbwegs gegen die Folgen der steigenden Energiekosten abzusichern. Falls auch diese Energiekrise eine Chance sein sollte, dann möchte man gerne die entsprechenden Konzepte sehen, nämlich wie sich die Energieerzeugung ohne russisches Gas, aber auch ohne Atomkraft und ohne Kohlekraftwerke gestalten soll; vielleicht auch, wie man gegebenenfalls den Energieverbrauch senken kann, und zwar merkwürdigerweise gerade in jenem Bereich, von dem ich mir die größten Energiesparpotenziale erhofft hatte, nämlich in der Digitalisierung, wo mindestens im Moment die Betriebsaufwände bzw. der Stromverbrauch vor allem für die gigantischen Speicherkapazitäten für all unsere digitalen Fotos und unsere Videos ein Ausmaß erreicht haben, das ich mir nicht vorstellen konnte. Eine direkte Folge der weiterhin exponentiellen Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Arbeitsspeicher. Irgendwann einmal, vermute ich, werden auch diese Betriebsaufwände sinken, wenn die Digitalisierung sich sozusagen an die eigene Digitalisierung macht; aber im Moment verbraucht dieser Sektor unheimliche Mengen an Strom. Dann kommt bekanntlich auch noch die Elektrifizierung des Individualverkehrs dazu, von dem die deutsche Automobilindustrie vital abhängt, obwohl der allgemeine Individualverkehr in der Breite von einem funktionierenden öffentlichen Verkehr abgelöst werden sollte, wie ihr von mir immer wieder hört. Immerhin will die Regierung dafür so etwas wie eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket bereitstellen. Was wiederum ohne die Investitionen, die ich bereits vorgerechnet habe, keinen rechten Sinn macht. Mal sehen.

Kommentare
08.09.2022 / 17:59 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 8.9.. Vielen Dank !