Gefährliche Nachbarschaften: Der Umzug am Sonnabend, 19. November 15.30 Uhr. Rabimmel Rabammel, Rabumm! Vom Park Fiction zum Arrivatipark

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Ein öffentlicher Park in bester Lage mit grüner Palmeninsel, Sportplatz, schattigen Nachbarschaftsgärten und fliegendem Teppich - ein Logenplatz mit Blick auf den Hamburger Hafen. Park Fiction in St. Pauli hat sich zu einem der beliebtesten Plätze der Hansestadt entwickelt. Das Mitte der 1990er Jahre initiierte Projekt hat es sogar auf die documenta in Kassel geschafft.

Noch während das selbstorganisierte Projekt Anfang der 2000er Jahre in Bau war, wurde die benachbarte Hafentreppe zum „Gefahrengebiet“ ernannt. Eine erhöhte Polizeipräsenz und eine Einschränkung der Grundrechte sind die Folge. Die inzwischen auf den Park ausgedehnte Streifendichte stört diesen Ort der Begegnung, ein Effekt der sich im Zuge der Corona-Kontrollen noch weiter verstärkt hat.

Dieser Entwicklung begegnet Park Fiction in dem Projekt Gefährliche Nachbarschaften mit künstlerischen Mitteln. In einer ersten Phase geht es um die „Rückgewinnung der Nacht“ durch solidarische Selbstorganisation abseits ordnungspolitischer Maßnahmen. In Talkshowserien werden die Nachbarinnen und Nachbarn der Gefährlichen Nachbarschaften vorgestellt, Türsteherinnen und Türsteher schwärmen aus, um die Nacht im Park zu analysieren, zu beschreiben und zu bedichten, Mitternachtsdiskussionen mit Anwohnerinnen und Anwohnern und ein rollendes „Parklabyr“ sorgen für Geselligkeit und Austausch.

In einer zweiten Phase „Plakatserie und Umzug“ werden im September und Oktober zahlreiche Plakate auf St. Pauli die Veränderung des Klimas öffentlicher Räume durch Polizeipräsenz bildlich formulieren, um sie in die Öffentlichkeit zu tragen und damit Fragen zu stellen, die grundsätzlich alle betreffen. Ein dekorierter Umzug zum Abschluss wird mit künstlerischen Interventionen wie Bannern, Schildern, Uniformversatzstücken, mobilem Konzert und öffentlichem Vortrag die ordnungspolitische Regulierung des öffentlichen Raums punktuell unterbrechen und infrage stellen.

https://www.hamburg.de/bkm/aktuelle-proj...
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12:31 min, 29 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 18.11.2022 / 17:40

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Entstehung

AutorInnen: Nachmittagsmagazin für subversive Unternehmungen; nfsu
Radio: FSK, Hamburg im www
Produktionsdatum: 18.11.2022
Folgender Teil steht als Podcast nicht zur Verfügung
Gefährliche Nachbarschaften
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Skript
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Das einst tolerante St. Pauli, bekannt als Nachbarschaft mit informellen Freiheiten, ist zum kalten Testgebiet einer dichten Polizeibestreifung geworden. Seit 2005 gelten Teile von St. Pauli als sogenanntes „Gefahrengebiet", im Grunde werden alle Bewohner*innen unter Verdacht gestellt. Zwar wurde das „Gefahrengebiet" 2015 gerichtlich verboten, weil verfassungswidrig, doch kehrte es kurz darauf unter dem neuen Namen „Gefährlicher Ort" wieder zurück, begleitet von einer spürbaren Erhöhung der polizeilichen Bestreifung des Viertels durch eine sogenannte Task Force. Falls es dabei um die Bekämpfung des sichtbaren Drogenhandels gegangen sein sollte, dann ist diese Taktik grandios gescheitert.

Es ist ein ungeschriebenes Geheimnis, dass die Streifen es besonders auf Black People (und People of Colour) abgesehen haben. Park-Fiction-Komitee-Mitglied B. wurde schon oft auf dem Nachhauseweg kontrolliert, hat sich dagegen auch gerichtlich gewehrt und in mehreren Fällen Recht bekommen. Doch schon lange bevor es zu den eigentlichen Kontrollen kommt, stigmatisiert der Status als „Gefährlicher Ort" die gesamte Nachbarschaft.

In Kombination mit der dichten Bestreifung wird ein verdächtigender Blick installiert – in den Köpfen der jungen Beamt:innen, bei Besucher:innen wie bei den Bewohner:innen des Viertels.

Dieses Stigma, oder nennen wir es "Blick-Regime", verstärkt latente gesellschaftliche Trennlinien und Vorurteile und macht unbefangene Begegnungen zwischen den Menschen aus unterschiedlichen Kulturen noch schwerer.

Das Park Fiction Komitte setzt sich dafür ein, die Stigmatisierung des Viertels als Gefährlicher Ort zu beenden. Das Experiment Task Force muss beendet werden, wir brauchen kein Racial Profiling und auch keine Polizeigewalt gegen Fussballfans.
 
Seit Beginn des Monats stehen überall in St. Pauli Billboards internationaler Künstler*innen, die sich mit der Frage beschäftigen, wie sich der Raum, die Kultur, das gesellschaftliche Gefüge oder die Skulptur verändert, wenn "ein Polizist daneben steht". Die internationale Ausstellung wird flankiert von einer Talkshowreihe jeden Mittwoch im Barboncino, dem Café des Golden Pudel Clubs. In Wahrheit ist St. Pauli längst eine "Gefährdete Nachbarschaft" geworden. Bei den Talkshows geht es uns darum, ein Plattform des Austauschs zu schaffen, St. Paulianer*innen mit unterschiedlichsten Hintergründen zusammen und ins Gespräch zu bringen.

Kommt mit zum Umzug: Als Gefährliche Nachbarin, Dresscode Schwarz. Der Umzug ist Teil dieses stadtteilweiten künstlerischen Denkprozesses und bewegt sich stilistisch zwischen Performance, Kunstführung und dörflichem Festumzug-mit-politischem-Ausdruck. Mit Park Fiction, mit den Schwabinggrad Ballett & Arrivati, mit Copwatch, mit den Pauli Perlen und Gefährlichen Nachbar*innen.

Rabimmel Rabammel, Rabumm!
Vom Park Fiction zum Arrivatipark
Samstag, 15:30