Immer mehr Menschen strömen nach Lützerath | "Hier verläuft die 1,5-Grad-Grenze!"

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Immer mehr Menschen strömen in das vom Abriß bedrohte Dorf Lützerath in NRW an der Kante des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler. Der Konzern RWE will dort weiter Braunkohle abbaggern und wird - entgegen den wohlfeilen Sonntagsreden der Parteien-Politik - von der Bundesregierung und der "schwarz-grünen" NRW-Landesregierung gedeckt.
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mp3, 174 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 09.01.2023 / 22:42

Dateizugriffe: 75

Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Arbeitswelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Burning Beds
Entstehung

AutorInnen: Klaus Schramm
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 09.01.2023
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Immer mehr Menschen strömen nach Lützerath | "Hier verläuft die 1,5-Grad-Grenze!"

Erkelenz (LiZ). Immer mehr Menschen strömen in das vom Abriß bedrohte Dorf Lützerath in NRW an der Kante des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler. Der Konzern RWE will dort weiter Braunkohle abbaggern und wird - entgegen den wohlfeilen Sonntagsreden der Parteien-Politik - von der Bundesregierung und der "schwarz-grünen" NRW-Landesregierung gedeckt.

Auf der einen Seite fordert die junge Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger ein Moratorium des Abrisses - auf der anderen Seite hat Mona Neubaur, die derselben - angeblich grünen - Partei angehört, als NRW-Ministerin für "Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie" dem Abbaggern zugestimmt. AktivistInnen vor Ort sagen: "Hier verläuft die 1,5-Grad-Grenze!" Auch Greenpeace hat vor vier Tagen in einer öffentlichen Stellungnahme erklärt: "Mit dem 1,5-Grad-Limit ist die Verbrennung der Kohle unter Lützerath nicht vereinbar."

Dennoch hat der angebliche Klima-Minister Robert Habeck im Oktober 2022 verkündet, daß Lützerath abgebaggert werden darf. Er rechtfertigte dies damit, daß zum Ausgleich der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen werde. Doch dies ist ein unverbindliches Versprechen - ebenso wie die Verlautbarungen des Klimagipfels "COP 21" im Jahr 2015 (Siehe unseren <a href="klimak151128.html" target=_blank>Artikel v. 28.11.15</a>). Auf dieses Gipfel-Treffen geht das Versprechen einer Beschränkung der Erderwärmung auf unter 1,5 Grad zurück. Doch auch nach 2015 stiegen die Klimagas-Emissionen weltweit ungebremst. Ein Versprechen der Ampel-Bundesregierung für das Jahr 2030 ist ebenso "unumkehrbar" wie es die Versprechen eines Atomausstiegs der Jahre 2001 und 2011 waren.

Für die bislang ungebremste Erderwärmung ist der Braunkohle-Abbau bei Lützerath ein Desaster: Wird die Kohle unter den Garzweiler-Dörfern verbrannt, sind die - nur zum Schein verkündeten - "Pariser Klimaziele" für Deutschland nicht mehr einzuhalten. Die 1,5-Grad-Grenze verläuft vor Lützerath – das hat eine Studie* des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) belegt. Das DIW kommt zum Ergebnis, daß noch maximal 235 Millionen Tonnen Kohle in den drei Tagebauen der Region – Inden, Hambach und Garzweiler II – aus der Erde geholt werden dürfen. Bei dieser Begrenzung würden nicht nur der noch erhaltene Rest des Hambacher Forsts, sondern auch alle noch bedrohten Ortschaften am Tagebau Garzweiler erhalten bleiben – einschließlich Lützeraths. RWE hingegen plant stattdessen, noch rund 900 Millionen Tonnen Kohle zu abzubaggern. Das ist laut DIW rund viermal so viel, wie mit der 1,5-Grad-Grenze vereinbar wäre.

Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid sagte gestern: "In Lützerath entscheidet sich, ob es die Ampel-Regierung mit dem Klimaschutz ernst meint." Doch diese Entscheidung ist nach der öffentlichen Aussage Robert Habecks im Oktober 2022 bereits gefallen. Der zahlreiche Aufmarsch der Polizei rund um Lützerath spricht dazu eine eindeutige Sprache. Karsten Smid erklärte weiter: "Wir brauchen die Kohle unter dem Dorf nicht mehr und können es uns schlichtweg nicht leisten, diesen klimaschädlichsten aller Energieträger weiter zu verbrennen. Das Profitinteresse von RWE darf keinen Vorrang vor dem Allgemeinwohl, dem Schutz des Planeten und dem Erhalt der Lebensgrundlagen haben."

Einen klaren Standpunkt vertritt der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf: "Die Politik sollte sorgfältig darüber nachdenken, wie ein massiver Polizeieinsatz für Kohle und gegen Klimaschützer im Rückblick in 4 oder 5 Jahren beurteilt werden wird, wenn die Klimaschäden noch massiver und offensichtlicher geworden sind. Noch ist es nicht zu spät, einen schlimmen Fehler zu vermeiden und die Räumung abzublasen!"

In Lützerath sind derzeit Menschen aus ganz Deutschland anzutreffen. Dabei ist es mittlerweile nicht ganz einfach, dorthin zu gelangen. Es gibt viele gesperrte Straßen und Polizeibarrikaden. Der Zugang ist zwar schwer zu finden, aber noch offen und die Fahrt nach Lützerath legal.

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* https://www.diw.de/documents/publikation...

Kommentare
10.01.2023 / 09:12 Josie, Radio F.R.E.I., Erfurt
Übernahme bei Radio F.R.E.I. in Erfurt
Lief und läuft am 10. Januar im Unterdessen-Magazin von 8 bis 10 und 18 bis 20 Uhr. Vielen Dank und schöne Grüße aus Erfurt