Der Mord in Alsterdorf und die gesellschaftliche Aufarbeitung

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Studiogespräch 2 1/2 Wochen nach dem Hamburger Mehrfachmord.
Wir schauen auf die Aufarbeitung in der Stadtgesellschaft, die institutionellen Reflexe und widmen einen Abschnitt der Polizeipressearbeit. ("Amoktat in Alsterdorf: Polizei räumt Kommunikationsfehler ein"). Letzteres ist das Zitat einer Presseüberschrift, nachdem die Behauptung falscher Tatsachen des Polizeipräsidenten aufgeflogen war. Kommunikationsfehler dieser Art, fake news sind übliche Mittel der Hamburger Polizei Presse Arbeit und werden anders als in diesem Fall eher nicht hinterfragt. Beispieleaus früheren Jahren: https://www.freie-radios.net/29808 + https://www.freie-radios.net/28966 + https://www.freie-radios.net/68758
Audio
56:37 min, 52 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 28.03.2023 / 13:41

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Redaktionsbereich:
Entstehung

AutorInnen: Redaktion 3 - MoMa + nfsu
Radio: FSK, Hamburg im www
Produktionsdatum: 28.03.2023
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Vorab aus dem fsk transmitter für April:
Der Mord in Alsterdorf und die gesellschaftliche Aufarbeitung
Ab dem späten Abend des 9. März tickerte sich die Nachricht vom Mehrfachmord in Alsterdorf durch. Nun hatte der Horror auch Hamburg erreicht. Im Laufe der Nacht wurde deutlich: 6 Menschen waren mit einer Schußwaffe durch einen Schützen getötet worden. Eine siebte tote Person befand sich in dem Tatgebäude getrennt von den Opfern in einem anderen Stockwerk: Es heißt, der Täter hat sich selbst erschossen. Ein Ungeborenes überlebte nicht, die Mutter hinterblieb schwerverletzt. 9 Menschen waren schwerverletzt; am 22. März soll niemand von ihnen mehr in Todesgefahr gewesen sein. Laut Veröffentlichungen sind weitere 20 Menschen am Ort des Grauens körperlich unverletzt geblieben, sehr wahrscheinlich durch den Polizeieinsatz. Der Täter hatte hinreichend viel Munition bei sich und eine einfache Flucht aus dem Veranstaltungsraum war in dieser Situation kaum denkbar.
Angesichts des Leides der Menschen ist es schwierig zu dem Geschehen politisch zu schreiben.
Beginnen wir mit den Menschen, die das Ziel des Täters gewesen sind. Alle gehörten den „Zeugen Jehova“ an, einer religiösen Sekte, die den meisten Menschen verschwommen bekannt sein dürfte. Was weniger bekannt ist: Diese Gruppe wurde im Nationalsozialismus verfolgt. Angehörige in Kzlager verschleppt. Es bleibt befremdend, dass diese Tatsache bislang in Verlautbarungen und Veröffentlichungen keine bis gar keine Erwähnung findet. Im Respekt der Trauer der Überlebenden und der Betroffenen und der Bitte um Wahrnehmung bleibt es bei dieser Skizze, mit Ausnahme der Zeichnung des Ortes und des Zeitpunktes: Es handelte sich um einen Raum und um eine bekanntgegebene Veranstaltung der Gruppe. Die Tat sollte genau diese Menschen treffen.
Für weniger als 24 Stunden nach dem Mord hatte die Polizei eine bereits gegen 3 Uhr nachts angekündigte Pressekonferenz angesetzt. Diese diente zunächst der Hervorhebung gelungenen polizeilichen Handelns und aller weiteren Einsatzkräfte und im weiteren Verlauf der subjektiven Schilderung zu der Tat mit Darstellungen zu ausgelösten Alarmplänen, hinzugezogenen Kräften weiterer Polizeien und schließlich der den Akteuren dieser Pressekonferenz zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Kenntnissen hinsichtlich von Waffen- und Munitionsbesitz, Waffenschein und einer im Januar eingegangenen anonymen Warnung, einschließlich eines Hausbesuchs bei dem Täter.
Dabei hätte es bleiben können. Doch wenig später tickerten weitere Kenntnisse aus der Öffentlichkeit in die Öffentlichkeit und auch die Betroffenen, die Hinterbliebenen und die Überlebenden verschafften sich eine hörbare und wahrnehmbare Stimme.
Stunden nach dieser Pressekonferenz wurde bekannt, dass der Täter ein Buch, den Täterschriften von masshootings angenäherten Textes veröffentlicht hatte. Dieses war sehr einfach im Netz auffindbar. In der oben genannten anonymen Mitteilung hatte es darauf einen Hinweis gegeben, dem nicht nachgegangen worden war. Damit war die einschneidende Warnung nach den Anschlägen in Halle und in Hanau, in München, in Norwegen und in Neuseeland in den Wind geschlagen. Seine Zugehörigkeit zu einem Waffenclub in der Innenstadt, welcher dem NDR und der taz Stellungnahmen verweigerte, spielte der Polizei Hamburg und auch der Staatsanwaltschaft keine bedenkenswerte Rolle. Dort sah man auch vier Tage später bei der Landespressekonferenz zusammen mit dem Innensenator keine Versäumnisse, um nur wenig später einzugestehen, dass das Buch bekannt gewesen sei. Es werden weitere Details bekannt werden.
Wir wollen bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass mit Veröffentlichungen aus antifaschistischen Recherche- und Journalist*innenkreisen schon geraume Zeit wirksame Analysetools vorliegen und bewerben ausdrücklich Andreas Speit und Jean-Philipp Baeck: „Rechte Egoshooter: Von der virtuellen Hetze zum Livestream-Attentat“ im Christoph Links Verlag.
Schließen müssen wir an dieser Stelle mit dem Hinweis: Glaub niemals der Polizei. Die Serie der Behauptung falscher Tatsachen durch führende Repräsentanten der Hamburger Polizei, ergänzend jeweils bestätigt durch ihre (!) Innensenatoren hat schon ganze Sendungen des FSK füllen müssen. Es wäre angesichts der Bedrohung der Sicherheit allzusehr an der Zeit für ein großes Aufräumen, auch aufgrund diesen Instruments polizeilichen Handelns.
Einen großen Anteil der Verantwortung an dem Mord trägt die Hamburger Polizeiführung.