"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Bitcoins -

ID 60308
 
AnhörenDownload
Kann mir bitte jemand mal erklären, was ein Bitcoin ist beziehungsweise was es soll? Dass es sich um eine virtuelle Währung handelt, habe ich begriffen, und im Allzeit-bereit-Lexikon Wikipedia steht, dass sie erfunden wurde, weil die gängigen Währungen bzw. die dafür zuständigen Zentral­ban­ken das Vertrauen der KonsumentInnen, entschuldigen: der User immer wieder missbraucht hätten und weiterhin missbrauchen würden.
Audio
09:48 min, 22 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 26.11.2013 / 11:47

Dateizugriffe: 574

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 26.11.2013
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
So weit, so gut, die Welt ist schlecht et cetera; aber wenn diese Bitcoins am Schluss dann doch wieder gegen andere Währungen umgetauscht werden müssen, damit man sie im realen Leben zum Einsatz bringen kann, wo liegt der Trick? Ich habe dann einfach zwei Währungen für ein Produkt, und die eine behauptet, sie sei moralisch-ethisch-ökonomisch rein und sauber. Das ist kein Trick, sondern ein Witz, oder? Die Geldschöpfung sodann erfolgt offenbar durch die Zurverfügungstellung von Rechenleistung. Das ist ja ein tolles geld­po­li­tisches Grundkonzept.

Die Intermediäre werden ausgeschaltet, heißt es, also die Bankinstitute und gegebenenfalls Kredit­karten­firmen. Wenn man davon ausgeht, dass es die Hauptfunktion von Banken und Kreditkarten­firmen ist, ihre Kunden auszunehmen, dann erscheint das Angebot zunächst mal sympathisch. Wenn man davon nicht ausgeht und andere Aspekte im Vordergrund sieht, zum Beispiel die Erledigung des Zahlungs- und Kapitalverkehrs als zentralen Bestandteil des internationalen Austausches, der Weltwirtschaft und damit letztlich auch der kleinen Lokalwirtschaft, dann wirkt der Werbespruch weniger attraktiv. Wichtig ist zunächst mal, dass die Geldverschiebung überhaupt klappt, und das ist nach meinen Beobachtungen regelmäßig der Fall. Manchmal ist es ein bisschen teuer, und auf einer übergeordneten Ebene versteht sowieso kein Schwein, was im Moment läuft mit dem Geld beziehungsweise eben mit der Geldpolitik. Der Grundsatz vom Durchschnittszins ist außer Kraft gesetzt, verschiedene Staaten und vor allem die Vereinigten Staaten haben ihre Banken mit hunderten von Milliarden Dollars oder Euro vor der Pleite gerettet, und trotzdem beobachten wir nicht, wie es eigentlich sein müsste, eine immense Inflation, sondern genau das Gegenteil, nämlich eine Deflation, also Preisrückgänge, wobei zu diesen Preisrückgängen noch anzufügen ist, dass sie zum Teil auf die Werterosion zurückzuführen sind, also sinkende Produktionskosten, und zum Teil auf entsprechende Wechselkursentwicklungen; eine generell gültige Aussage ist dafür ziemlich schwierig, aber eines scheint mir sicher: wenn ich eine Erklärung für diese Phänomene suchen würde oder eine Möglichkeit, das System möglichst stabil einzurichten, damit die Kundinnen und Kunden auch in Zukunft einerseits reibungsfrei Zahlungen abwickeln können und anderseits ihrer kleineren und größeren Ersparnisse nicht verlustig gehen, falls es dann bei Gelegenheit doch noch zur längst erwarteten Inflationswelle kommt – ich würde mich nicht in erster Linie an Bitcoins orientieren.

Woran orientiere ich mich dann? – Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung. Ich kann nur sagen, dass der Bereich des Geldverkehrs offenbar schon weitgehend abgetrennt läuft vom Bereich des Kapitalverkehrs und dass es bisher weitgehend gelungen ist, in einer Mischung aus Geld- und Kapitalmarkt-Eigendynamik und den Interventionsmöglichkeiten bei den zuständigen Stellen, vor allem bei den Zentralbanken in den USA und in der EU, zum Teil auch bei supranationalen Institutionen, vielleicht bei der Weltbank, dem IWF, eher noch der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, das System am Funktionieren zu erhalten. Dabei erscheint die Stabilität der Währung einerseits als eine Funktion der Wirtschafts- und Geldpolitik, das heißt, diese muss ein Minimum an Glaubwürdigkeit aufweisen; zum anderen ist sie ohne weiteres der Ausdruck eines Machtverhältnisses. Nach wie vor können die Vereinigten Staaten ihre Währung als politisches Mittel einsetzen, auch wenn unterdessen große Gläubiger, namentlich die Volksrepublik China, auch einen gewissen Einfluss darauf gewonnen haben. Aber vor allem die kleineren Länder haben dagegen keinerlei Stich und müssen sich einfach arrangieren, so gut es eben geht. Weiter kann ich sagen, dass mir nicht viel anderes übrig bleibt, als darauf zu setzen, dass dieses Gemisch weiterhin funktioniert. Und zwar muss ich zwangsläufig auf dieser Position verharren, solange mir nicht ein paar intelligente Menschen aufzeigen, wie das Ganze richtig und rational und zudem global vernünftig einzurichten wäre. Einige Schwierigkeiten haben wir nun anhand der Einführung des Euro gesehen, namentlich den, von den wichtigen EU-Ländern großzügig tolerierten, wo nicht sogar geförderten Beschiss mit der griechischen Staatsbuchhaltung; wie soll nun eine virtuelle Währung solche echten Probleme plötzlich aushebeln? – Ich denke, sie kann es nicht, und das wird auch der Grund dafür sein, dass an den Schnittstellen zu den realen Währungen oft massive Schwankungen auftreten. Offenbar wird der Bitcoin gegenüber echtem Geld wie an der Börse gehandelt, und eben, gemäß dem Pfadfinder-Lexikon, dem schlauen Buch des Fähnleins Fieselschweif, gab es zum Beispiel am 10. April dieses Jahres einen Ausschlag zwischen einem Höchstkurs von 263 US-Dollar und einem Tiefskurs von 135 US-Dollars, ich weiß zwar nicht für welche Menge Bitcoins, aber immerhin.

Immerhin ist es wohl kein Zufall, dass die Währung im Jahr 2009 entstanden ist, also in jenem Zeitraum, da sich sämtliche gängigen Vorstellungen von Geld, Geldschöpfung, Austausch und so weiter mehr oder weniger komplett aufgelöst hatten. Im gleichen Zug erhielten auch die ver­schie­denen Alternativwährungen überall Aufwind, allerdings ohne sich bisher im großen Stil durch­setzen zu können; zudem sind sie nach wie vor an die Ausgangswährung gebunden, egal, ob es sich nun um den österreichischen Waldviertler handelt oder um die Talente oder die Violettes in Tou­louse. Geld ist nicht einfach nur ein Tauschmittel, sondern eine Konvention, und zwar eine Kon­vention von der Sorte, die im Wesentlichen vom Glauben daran lebt. Somit ist Geld lustiger­weise nicht prinzipiell, sondern auf der praktischen Ebene der Religion gleichzusetzen. Der Inhalt dieser Religion lässt sich kurz zusammenfassen: Alle Menschen glauben, dass man in ein Laden­ge­schäft hinein gehen kann und dort die Ware zum angeschriebenen Preis gegen den entsprechenden Geld­betrag erwerben kann. Über die ganze Menschheitsgeschichte betrachtet oder sozusagen natur­his­to­risch ist das ein derartiges Unding, dass man darüber einfach nur herzhaft lachen kann, also im Grunde genommen darüber, dass wir ein derart höchst komplexes Gebilde als die allergrößte Selbstverständlichkeit betrachten und handhaben. So macht Ökonomie Spaß, und sie macht natürlich umso mehr Spaß, je mehr Geld man hat, ganz unabhängig davon, dass Geld nicht alles ist, wie man weiß.

Wie auch immer: Die Kapitalseite des Geldes scheint sich im Moment wieder sehr erfreulich zu entwickeln; der DAX hat einen historischen Höchststand erklommen ebenso wie der Dow Jones, und der Durchschnittsmensch schwankt zwischen einer Art von Optimismus, dass die Börsenkurse mindestens eine gute Verfassung der Realwirtschaft widerspiegeln, und dem ziemlich logischen Pessimismus, dass uns die gierigen Bankenheinis mit stets neuen Tricks wieder in eine neue Finanzkrise reiten. Und was ist dann? – Vor etwa vier Jahren habe ich euch mal vorgerechnet, dass die Bundesrepublik Deutschland sich noch rund 3 Finanzkrisen leisten könne, wenn man davon ausgeht, dass der Staat Regress nehmen kann auf sämtliche vorhandenen Realwerte. Vielleicht ist die Sache in der Praxis tatsächlich nicht so gefährlich, wie sie sich in unsere Gemüter eingebrannt hat? – Aber eines wissen wir doch ziemlich genau: Die Bankers, welche sich wieder mit zunehmender Energie gegen jegliche Aufsicht und Kontrolle ihres Geschäfts wehren, sind wie Alkoholiker: Wenn irgendwo wieder eine Schnapsflasche herum steht, werden sie danach greifen. Und ich weiß nun einfach nicht, wo sich eine Entzugsklinik befindet.

Es könnte sein, dass die Finanzkrise trotz allem einen positiven Effekt hatte, nämlich auf das kollektive Bewusstsein, welches in Zukunft den internationalen Bankern nicht mehr jenes bedingungslose Vertrauen schenkt wie in den Zeiten vor dem Kollaps in den Jahren 2007 und 2008. Mit dieser nicht mehr rückgängig zu machenden Erschütterung des Glaubens an die Finanzmärkte wurde vielleicht ein größerer Schritt in Richtung einer neuen Geldordnung getan, als dies alle Lokalwährungen je vermögen werden. Davon abgesehen bleibt einem nur übrig, sich hin und wieder jenen Zustand vorzustellen, der eintreten wird, sobald die ganze Welt bzw. alle Menschen auf dem Globus einen einigermaßen gleichberechtigten Zugang haben werden zu allen Gütern und Dienstleistungen, und bis dahin werden meiner Treu noch ein paar Monate verstreichen; dann aber wird man ganz problemlos mit einer Einheitswährung (oder zu wirklich stabilen Wechselkursen) an allen Orten auf der ganzen Welt die jeweiligen Produkte erwerben können, unabhängig davon, ob es sich um globale Markenprodukte oder um lokale Spezialitäten handelt, und damit entfallen verschiedene Ursachen für die Geld­spekulation.

Was es in dieser fernen Zukunft mit dem Kapital auf sich hat, egal, ob mit dem Finanz- oder dem Anlagekapital, ist dann schon schwieriger zu sagen; möglicherweise wird diese Sphäre noch schärfer abgetrennt von der reinen Geldzirkulation, als dies in den letzten Jahren zu beobachten war. Das wäre ja dann auch eine Form von Virtualität, die aber nicht entsteht aufgrund der Anregung eines Internetfans, sondern über die Banken und Kapitalbesitzer selber. Eine scharfe Trennung würde auch bedeuten, dass diese Sphäre ziemlich radikal abgeschottet wäre gegen allfällige Zugriffe von Normalsterblichen. Diese Normalsterblichen hätten in dieser Variante von Zukunft dann also alles, was das Herz begehrt beziehungsweise der Magen und mindestens die Konsumabteilung des Großhirns, aber keinerlei Bestimmungskompetenzen. Mit anderen Worten: In dieser Variante sieht die Zukunft ziemlich ähnlich aus wie die heutige Realität.

Kommentare
26.11.2013 / 17:43 Jürgen, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
gespielt in Sonar am 26.11.2013
Danke