Der 30. Chaos Communication Congress #30C3 - ein Rückblick

ID 61005
 
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Ein Rückblick auf den 30C3, mit Ausschnittem aus dem Opening und Closing Event und "Sysadmins of the world, unite". 3 minütiges Intro von Alec Empire für das Opening Event geschrieben und zum Download freigegeben.

Deutsch/Englisch
Audio
16:35 min, 30 MB, mp3
mp3, 256 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 03.01.2014 / 17:00

Dateizugriffe: 529

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: LDR
Radio: RadioBlau, Leipzig im www
Produktionsdatum: 03.01.2014
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Der 30. Chaos Communication Congress, der 30C3 ist vorbei, der erst zum zweiten Male in Hamburg stattfand, nachdem das BCC in Berlin am Alexanderplatz zu klein geworden war. Zum zweiten Mal stimmt zwar nur in dieser Abfolge, schließlich begann der Kongress vor 30 Jahren tatsächlich in Hamburg. Damals war es aber noch nicht wendig, sich eine Bühne wie das Congress Center Hamburg zu geben. Aus einem anfänglich eher familären, schon europäischen Hackertreffen ist ein großer internationaler Kongress geworden, der mehr und mehr die sozialen und politischen Auswirkungen und Umtriebe, von Überwachung, Netzpolitik und so genannten digitalen Gesellschaft unter die Lupe nimmt. Über 9000 Menschen nahmen dieses Jahr daran teil, eindeutig Rekord und viele dieses Jahr das erste Mal. Dass eine solche Masse und ein solches Angebot von Hunderten von Voträgen und Workshops und der damit verbundenen Logistik, nicht ohne viele viele Helfer von statten geht, wurde oft erwähnt. Um die 1000 Engel, wie die freiwilligen Helfer genannt werden, kümmerten sich um Einlass, Audiotechnik, Übersetzung, praktische Wo-ist-was? Hilfe und so weiter. Dazu noch eine kleine Schar von ChaospatInnen, die zum ersten Mal Teilnehmende unter die Arme griffen. Wer sich unwohl fühlte, bei dem Gedanken alleine zu einer Veranstaltung solch einer Größe zu fahren konnte sich im vorhinein melden und bekam vor Ort ein quasi praktisches HowTo des Kongresses.

Ein Motto brauchte es natürlich auch nicht, zu offensichtlich war das, was 2013 passierte und brachte. Die NSA und Edward Snowden, immer weitere Enthüllungen, eine von Peinlichkeit triefende Aufklärungsarbeit einer Bundesregierung, liess das dystopische „Wir haben den Kampf verloren“ vor einigen Jahren auf dem Chaos Communication Congress zu hören, wie einen schlechten Scherz erscheinen.

Und der Albtraum wurde auseinander genommen. Wie sieht gute Kryptographie im Jahr 0 oder 1 nach Edward Snowden aus, gibt es sie überhaupt? Zu was sind diese ominösen Geheimdienste denn nun eigentlich in der Lage? Spätestens beim letzten Talk von Jacob Applebaum, amerikanischer Journalist und Hacker, der vor allem für das Anonymisierungsnetzwerk TOR steht und im Moment in Deutschland lebt aus Angst vor Verfolgung in den USA, in seinem letzten Talk auf dem 30C3, wurde klar, dass von Albträumen keine Rede mehr sein kann. Ein NSA-interner Einkaufskatalog wurde da geleakt und vorgestellt, der all diese Gadgets zeigte, die einer James Bond Fantasie in nichts nach stehen. Folien der NSA, in denen Appleprodukte gelobt werden, weil jede Schadsoftware letzten Endes erfolgreich sein wird, Handyladegeräte, die ein Handy nicht zur mit Strom versorgen, sondern gleich auch anzapfen, Keylogger via Funk und so weiter und so fort.

Aber ein Akzeptieren dieser überwachten Realität war dennoch nicht zu verzeichnen. Der schon letztes Jahr stark gemachte Aufruf, als Systemadministrator, ja allgemein als Itler, die Umstände der eigenen Firma zu analysieren und sich nicht anzubieten, wenn Netzwerküberwachungstechnik für Länder entwickelt werden soll, die es nicht so ganz genau nehmen, mit Menschenrechten im ganz allgemeinen. Oder wenn Geheimdienste auf Hackerkonferenzen offensiv um neue Talente werben, die sie ganz offensichtlich ziemlich nötig haben. Das war dann wohl auch der größte Hack des diesjährigen Kongresses. Um die 10 SchauspielerInnen liefen die Tage auf dem Kongressgelände herum und sprachen Leute an, ob sie sich nicht vorstellen könnten, für diese und jene Firma, Institution zu arbeiten und dabei eben, ziemlich fragwürdige Projekte zu betreuen. Anquatschversuche nennt man sowas. Mehrere Hundert wurden angequatscht. Mehrere Hundert verneinten das wohlfeile Angebot und gingen erst gar nicht das präparierte Hinterzimmer, wo zwei weitere Schauspieler warteten und ein Non-Disclosure-Agreement (also Geheimhaltungsvertrag) unterzeichnen wollten. Zwei Personen gingen mit, die zumindest im Nachhinein sagten, dass nur aus Auforschungsinteresse getan zu haben. Veröffentlicht wurde das ganze wiklich erst zum Schloss. Beim Closing Event. Als ein Vertreter einer fiktiven Firma, Security Solutions Ltd. In BullshitBingoSprech sich als Sponsor des 30C3 ausgab. Auch ein Schauspieler, der irgendwann von der Bühne geklatscht, gejohlt und gepfiffen wurde.

Tatsächlich ist der Chaos Communication Congress natürlich noch ein Hackerkongress. Gelötet wurde gefühlt überall, ein Seidenstraße genanntes, selbst gebautes Rohrpostsystem schoss durch alle Gänge, und weißer Text auf schwarzen Grund, man nennt es Konsolen, überall. Dennoch, wenn man beim Feedback zu einigen Voträgen dann hört, das wäre zu technisch gewesen, zeigt sich die Lücke, die sich langsam auftut. Der Kongress wird, oder ist längt, auch ein netzpolitischer Kongress. Urheberrecht, Email Made in Germany, Datenschutz in Europa seien da nur nebenbei als Themen genannt. Das will man wohl auch nicht mehr auseinanderdividieren, denn:

Denn bei aller Unsicherheit und Resignation, die auch auf dem Jahresrückblick des Chaos Computerclub zu spüren war, von aufgeben redete niemand. Immerhin schießen aller Ortens Kryptopartys aus den Boden, bei denen die sicherlich nicht allzu intuitiv zu bedienenden Alternativen und Tools zur Verschlüsselung von Laptop, Email und eben auch Netz gezeigt werden.
Es werden mehr und mehr TOR Nodes, die TOR damit gleichsam stabiler als auch etwas unangreifbarer machen. Und Kryptographie ist Mathematik. Die NSA hat sich mit Magiern zusammen getan, haben keine Superkräfte. Die mittelmäßige Kryptographie ist wohl als kaputt zu nennen. Wieso nimmt man eigentlich nicht die Gute?

Weswegen auch Sarah Harrison, die seit Hongkong mit Edward Snowden zusammen reiste, über einen Monat im Transitbereich von Sheremetjewo 2 in Moskau verbrachte und bei den Asylanträgen vermittelte, nach ihrem überraschen Auftauchens auf dem Kongress mit Standing Ovations begrüsst wurde.

Am besten ist der Kongress ja auch immer dann, wenn kein Tageslicht mehr draußen scheint, und schon gar nicht nach innen dringt und nach der Matecalypse, also dem Aufbrauchen von zwei 40 Tonnern Club Mate ist klar, dass das Hotelfrühstück ab 6 Uhr Morgens allenfalls als Abendbrot taugt.

Der Kongress hat sich gewandelt. Ein digitales heutiges Woodstock war zu lesen, ist er nun. Das ist gar nicht falsch. Und gar nicht schlimm, denn egal wie herb die verkündeten Hiobsbotschaften sind, man geht irgendwie immer mit neuen Elan und Ideen nach Hause. Und das wusste wohl auch Tim Pritlove, bei der Eröffnungsrede die er folgendermaßen schloss:

Kommentare
03.01.2014 / 19:20 AL, coloRadio, Dresden
wird
heute im Magazin gesendet. Vielen Dank.
 
06.01.2014 / 08:22 Nico, Radio Corax, Halle
gern
gesendet, mercie bien!
 
06.01.2014 / 12:46 Gregor Atzbach, Radio Unerhört Marburg (RUM)
gesendet in der Frühschicht
am 8.1.14, Dankeschön!