Wöchentliche Arbeitszeitverkürzung, Deckelung der jährlichen Überstunden auf 50 und 5% Lohn-/Gehaltserhöhung

ID 66703
 
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Interview mit dem Bezirksleiter Südwest der Gewerkschaft GDL

»Die DB verlangt von uns tatsächlich, dass wir die Füße stillhalten, bis wir gesetzlich abgeschafft werden«, so der nachvollziehbare Kommentar von GDL-Chef Claus Weselsky dazu.

Den Unternehmern geht es mit dem angestrebten Gesetz nicht um die Einheit der Belegschaften. Diese haben sie selbst durch Ausgliederungen, Leiharbeit, Werkverträge und Tarifflucht so weit wie irgend möglich zersetzt. Den »sozialen Frieden« stellen sie selbst in Frage, nicht Spartengewerkschaften, die für ihre Mitglieder etwas herausholen wollen.

Fatal ist, dass Teile der DGB-Gewerkschaften auf diesen Zug aufgesprungen sind und – wie die IG BCE, die EVG und wohl auch die IG Metall – weiterhin an einer gesetzlichen Fixierung der »Tarifeinheit« werkeln. Diese ist ohne eine faktische Einschränkung des Streikrechts nicht zu haben. Das würde letztlich auf alle Beschäftigtenorganisationen zurückfallen."

Kommentar jw 16.Okt 2014
Audio
11:47 min, 9665 kB, mp3
mp3, 112 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 15.10.2014 / 21:30

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Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, SeniorInnen, Arbeitswelt, Jugend, Politik/Info
Serie: Grenzenlos
Entstehung

AutorInnen: grenzenlos Reinhard
Radio: bermuda, Mannheim im www
Produktionsdatum: 15.10.2014
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
http://www.gdl.de/

Streik bei der Deutschen Bahn vom 15. Oktober um 14 Uhr bis zum 16. Oktober 2014 um 4 Uhr

Pressemitteilung - 14.10.2014

Die Deutsche Bahn verweigert der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) immer noch inhaltliche Tarifverhandlungen für das Zugpersonal in der GDL
Streik in München - Foto: Erik Großmann Streik in München - Foto: Erik Großmann

– trotz zweier dreistündiger und eines neunstündigen Arbeitskampfs, bei denen 90 Prozent der Züge ausfielen oder stark verspätet abfuhren. Statt über die dringend notwendigen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für das Zugpersonal zu verhandeln, wollte die DB die GDL zunächst in ein Kooperationsabkommen mit ihrer Hausgewerkschaft EVG zwingen. Nachdem das nicht funktioniert hat, sollen die Lokomotivführer mit einer nunmehr zweiprozentigen Zulage ruhiggestellt werden. Zugbegleiter, Lokrangierführer, Bordgastronomen, Ausbilder, Trainer/Instruktoren sollen ebenso fallen gelassen werden, wie alle tariflichen Forderungen der GDL: somit gibt es keine Überstundenbegrenzung, keine Arbeitszeitverkürzung, überhaupt keine Verbesserungen bei den Arbeitszeitregelungen, keine Mitarbeiterbeteiligung und auch keinen Beschäftigungsschutz.

Für das Zugpersonal dürfe die GDL laut DB erst dann verhandeln, wenn ein Gesetz zur Tarifeinheit verabschiedet wurde. GDL-Bundesvorsitzender Claus Weselsky: „Die DB verlangt von uns tatsächlich, dass wir die Füße stillhalten, bis wir gesetzlich abgeschafft werden.“ Die GDL wird mit den Tarifverhandlungen für das Zugpersonal jedenfalls nicht warten, bis es irgendwann ein Gesetz zur Tarifeinheit gibt, wie das die DB verlangt. „Wir werden die Wunschträume des Arbeitgebers nicht erfüllen, weil das Zugpersonal dringend bessere Entgelt- und Arbeitszeitregelungen braucht“, so der GDL-Bundesvorsitzende.
Streik in allen DB-Eisenbahnverkehrsunternehmen

Die GDL hat deshalb die Lokomotivführer, Zugbegleiter, Bordgastronomen, Disponenten und Instruktoren/Trainer in allen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) der Deutschen Bahn am morgigen Mittwoch, dem 15. Oktober von 14 Uhr bis zum 16. Oktober 2014 um 4 Uhr zum bundesweiten Streik aufgerufen.
Konkret fordert die GDL für das Zugpersonal

fünf Prozent mehr Entgelt und zwei Erfahrungsstufen in der Tabelle nach 30/35 Jahren im Beruf, dotiert mit je 60 Euro,
eine zweistündige Arbeitszeitverkürzung auf 37 Stunden pro Woche ab dem 1. Januar 2015,
eine Senkung der Belastung mit einer Stunde weniger maximaler Fahrzeit auf dem Triebfahrzeug, nur noch 50 statt bisher unbegrenzte Überstunden im Jahr sowie einen 50-prozentigen Zeitzuschlag bei Schichtverlängerungen,
dass zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf maximal fünf Schichten in 120 Stunden (fünf Tagen) verplant werden dürfen, freie Wochenenden mindestens von Freitag 22 bis Montag 6 Uhr dauern, der Dienstbeginn nach dem Urlaub nicht vor sechs Uhr erfolgt und
dass zur Wertschätzung eine dem Gewinn des Konzerns entsprechende Mitarbeiterbeteiligung gezahlt wird.

Die GDL hat die Mehrheit der Beschäftigten in den DB-Eisenbahnverkehrsunternehmen organisiert

Es wird Zeit, dass die DB die Fakten akzeptiert und mit der GDL endlich die Tarifverhandlungen für das Zugpersonal aufnimmt. Die GDL hat mit 51 Prozent die Mehrheit der Beschäftigten in den EVU der DB organisiert. Das hat ihr die DB selbst bescheinigt. Weselsky: „Wir haben von unseren Mitgliedern in den EVU der DB den Auftrag, für sie Tarifverträge zu schließen und dem werden wir nachkommen.“ Die DB weiß, dass die Züge stehen, wenn die GDL zum Arbeitskampf aufruft. Und die GDL weiß, dass das Zugpersonal nichts lieber tut, als den Zug pünktlich von A nach B zu bringen. ...

Weitere Infos:

http://www.bahn-fuer-alle.de/

Bericht / Kommentar jw 16.Okt 14

Bevor die Lokführergewerkschaft GDL am Mittwoch einen 14stündigen Ausstand begann, sorgte das Management der Deutsche Bahn AG (DB) durch einen sogenannten Notfahrplan gezielt für gesteigertes Durcheinander im Schienenverkehr. Obwohl die Lokführer die Arbeit erst um 14 Uhr niederlegten, ließ das Unternehmen bereits ab Mitternacht Fernverkehrszüge nicht mehr regulär fahren. Ab vier Uhr bestreikte nach GDL-Angaben die DB selbst den eigenen Nahverkehr und kündigte zugleich auf den Anzeigetafeln der Bahnhöfe an, dass die wenigen noch fahrenden Fernverkehrszüge nur für Reisende mit Platzreservierung zur Verfügung stehen. Das Zugpersonal meldete sich demnach seit null Uhr zum Dienst gemeldet, wurde vom Management aber an der Arbeit gehindert.

Der DB-Spitze geht es aus GDL-Sicht auch darum, die Gewerkschaft zu diskreditieren und nach Möglichkeit zu beseitigen. DB-Personalvorstand Ulrich Weber heuchelte im ZDF-Morgenmagazin »ausgesprochenes Mitgefühl für unsere Kunden« und sprach von »Dreistigkeit und Unverschämtheit« bei der GDL. »Besonders dreist ist der flächendeckende Arbeitskampf, weil wir gerade verabredet hatten, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.« Die GDL wolle gar nicht zusammenarbeiten und stelle die Rivalität mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in den Vordergrund. »Sie stellt Machtgelüste über vernünftiges Verhandeln.« Laut GDL handelte es sich bei den Terminen um Hintergrundgespräche mit jeweils drei Vertretern jeder Seite, nicht um Verhandlungen. GDL-Chef Claus Weselsky erklärte am Mittwoch: »Alle Tarifexperten wissen, dass ein solches Verfahren unabhängig von der Konfliktsituation regelmäßig zur Vorbereitung der späteren Verhandlungen genutzt wird.« Weber habe am Mittwoch um 7.49 Uhr auf der Mailbox von Weselsky die Hintergrundgespräche abgesagt, aber gleichzeitig der Öffentlichkeit suggeriert, dass er mit der GDL verhandeln wolle. Tatsache sei, dass die Gewerkschaft ihren Streik 20 Stunden vor dessen Beginn ankündigte, aber das »perfide DB-Management klammheimlich den Eisenbahnverkehr genau in der Zeit eingestellt« habe, in der Reisende noch ihre Ziele erreichen wollten. Weselsky hielt der Bahn außerdem erneut vor, eine gesetzliche Regelung zur Beschneidung des Streikrechts kleinerer Gewerkschaften provozieren zu wollen.

Die GDL verlangt fünf Prozent mehr Lohn sowie die Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 39 Stunden auf 37. Sie fordert dies nicht mehr allein für die 20.000 Lokführer, sondern auch für rund 17.000 Zugbegleiter und Rangierführer. Diese will jedoch die größere EVG weiter vertreten. Die GDL verweist darauf, dass sie mit 51 Prozent die Mehrheit der Beschäftigten in den DB-Eisenbahnverkehrsunternehmen organisiere.

Der Streik brachte den Bahnverkehr in der Bundesrepublik weitgehend zum Erliegen. Eine DB-Sprecherin erklärte, zwei von drei Fernzügen fielen aus. Die Fernbusse profitierten vom Stopp auf der Schiene: Die Buchungen seien zwischen zehn und 20 Prozent gestiegen, teilte der Branchenverband mit. Zu weiteren Behinderungen kommt es am heutigen Donnerstag: Ab zwölf Uhr streiken die Piloten der Lufthansa-Billigtochter Germanwings. Der Ausstand soll bis Mitternacht dauern und deutschlandweit alle Flüge der Gesellschaft treffen. An einem kompletten Tag wären dies etwa 450 Verbindungen. Die Flugzeugführer kämpfen gegen die Pläne der Konzernleitung für eine Ausweitung der Billigableger sowie für die Beibehaltung der Frührentenregelung.


Kommentar
Maximiertes Chaos

Selbstsabotage vor Bahn-Streik
Daniel Behruzi
FOTO: Máni Thomasson


15 Okt 2014 - 18:42

Deutschland ist ein streikarmes Land. Und das soll nach dem Willen der Regierenden und Konzernlenker auch so bleiben. Deshalb werden Beschäftigtenorganisationen, die sich nicht an die »sozialpartnerschaftlichen« Gepflogenheiten wohltemperierter Interessenaushandlung halten, gnadenlos niedergemacht. Vorexerziert wird das derzeit mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die sich erdreistet, erneut von ihrem Streikrecht Gebrauch zu machen, um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ihrer Klientel durchzusetzen.

Er habe »ausgesprochenes Mitgefühl« mit den unter dem Streik leidenden Fahrgästen, behauptete Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin. Dabei tut er selbst alles, um Öl ins Feuer zu gießen. So startete das staatseigene Unternehmen bereits 14 Stunden (!) vor Beginn des von der GDL für Mittwochnachmittag angekündigten Ausstands mit einem »Notfallfahrplan« – und sorgte damit selbst dafür, dass sich das Chaos an deutschen Bahnhöfen maximierte. Zugleich wurde Zugpersonal, das sich pflichtgemäß zum Dienst gemeldet hatte, nach Gewerkschaftsangaben schlicht nicht eingesetzt.

Handelt es sich also nicht um »Deutschlands dümmste Gewerkschaft« – wie eine neunmalkluge Spiegel-Online-Redakteurin kürzlich schrieb –, sondern um Deutschlands dümmstes Unternehmen? Keineswegs. Das Vorgehen ist wohlkalkuliert. Ganz offensichtlich soll dadurch der Unmut über die streikenden Lokführer und ihre »egomanen« Interessenvertreter geschürt werden. Das Ziel ist nicht nur, den Preis eines Tarifabschlusses zu drücken. Vielmehr will die Bahn-Spitze mit ihrer Eskalationsstrategie die Debatte über die Einführung eines Gesetzes zur »Tarifeinheit« befeuern, mit dem das Streikrecht kleinerer Spartengewerkschaften eingeschränkt werden soll.

Dazu passt, dass das vorerst letzte »Angebot« des Konzerns darauf hinausläuft, die Tarifverhandlungen bis zum Beschluss eines »Tarifeinheitsgesetzes« auszusetzen. »Die DB verlangt von uns tatsächlich, dass wir die Füße stillhalten, bis wir gesetzlich abgeschafft werden«, so der nachvollziehbare Kommentar von GDL-Chef Claus Weselsky dazu.

Den Unternehmern geht es mit dem angestrebten Gesetz nicht um die Einheit der Belegschaften. Diese haben sie selbst durch Ausgliederungen, Leiharbeit, Werkverträge und Tarifflucht so weit wie irgend möglich zersetzt. Den »sozialen Frieden« stellen sie selbst in Frage, nicht Spartengewerkschaften, die für ihre Mitglieder etwas herausholen wollen.

Fatal ist, dass Teile der DGB-Gewerkschaften auf diesen Zug aufgesprungen sind und – wie die IG BCE, die EVG und wohl auch die IG Metall – weiterhin an einer gesetzlichen Fixierung der »Tarifeinheit« werkeln. Diese ist ohne eine faktische Einschränkung des Streikrechts nicht zu haben. Das würde letztlich auf alle Beschäftigtenorganisationen zurückfallen.