Von der Hinterhältigkeit der Pädagogik

ID 73369
 
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Am Montag den 02.11.2015 beginnt in Erfurt eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel "Von der Hinterhältigkeit der Pädagogik". Diese Reihe wird von den Falken Erfurt organisiert und es soll im Rahmen dieser Reihe um die Kritik pädagogischer Begriffe & Konzepte gehen. Wir haben mit Tyll Steckelmann von den Erfurter Falken über diese Veranstaltungsreihe gesprochen und haben ihn zunächst danach gefragt, wo der Begriff der Bildung eigentlich ursprünglich herktommt.

Die Veranstaltungsreihe beginnt am 02.11.2015 mit einem Vortrag von Tyll Steckelmann an der Uni Erfurt im Lehrgebäude 1 im Raum 102. Weitere Infos zur Reihe unter: http://falken-erfurt.de/
Audio
09:50 min, 22 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 30.10.2015 / 18:54

Dateizugriffe: 1075

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Kinder, Jugend
Entstehung

AutorInnen: Tagesaktuelle Redaktion
Radio: corax, Halle im www
Produktionsdatum: 30.10.2015
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Von der Hinterh�ltigkeit der P�dagogik

Veranstaltungsreihe zur Kritik p�dagogischer Begriffe & Konzepte

Ank�ndigungstext zur Veranstaltungseihe


Bildung gilt sp�testens seit der Aufkl�rung als eine zentrale Kategorie der Befreiung des Individuums. Doch wie von der Idee der Bewegung des revolution�ren B�rgertums, der Herstellung einer Gesellschaft der Freien und Gleichen, ist auch von dem, was Bildung in diesem Zusammenhang auf individueller Ebene hervorbringen sollte, wenig �brig geblieben. Subjekte hervorzubringen, die selbstbewusst einen gesellschaftlichen Zustand ohne Status und �bervorteilung mittragen k�nnen, ist heute nicht mehr der zentrale Anspruch an Bildung. Nur eines scheint trotz der grunds�tzlichen Ver�nderung der Vorstellung von dem, was unter Bildung verstanden wird und wie ihre Zwecke bestimmt werden, bestehen geblieben zu sein: Bildung gilt als zentrale Kategorie zur Verbesserung des gesellschaftlichen Lebens, quasi als Zauberformel zur Beseitigung aller m�glichen Missst�nde.

So erkl�rt es sich auch, dass nicht mehr Verteilungsgerechtigkeit, sondern mehr Bildungschancen und -angebote in dieser Vorstellung das Patentrezept gegen Armut und Ausgrenzung, gesellschaftliche Krisen und f�r Problemfelder aller Art sind. Und mit immer neuen Ans�tzen wird versucht, von der Gesellschaft ausgeschlossene Menschen zur Mitbestimmung innerhalb und Teilhabe an der Gesellschaft zu bef�higen. Aktuell finden diese Bem�hungen Ausdruck in Begriffen wie Inklusion, Empowerment oder Partizipation. Ziel ist es, alle Menschen dabei zu unterst�tzen, in ihrer Individualit�t und Einzigartigkeit gew�rdigt zu werden, sie zu selbstbestimmten Handeln und Mitbestimmung zu bef�higen. Dies gilt auch f�r Kinder und Jugendliche, welche durch den Wechsel vom Jugendwohlfahrtsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) als Subjekte und demnach als Tr�ger individueller Rechte anerkannt und ber�cksichtigt werden.

Wie dieses Beispiel zeigt, ist die P�dagogik mit einer Vielzahl durchaus edler Ziele und Vorstellungen angetreten. Doch warum scheitern die gro�en p�dagogischen Ans�tze in der Praxis immer wieder und warum blieb die Verwirklichung eines besseren Lebens bisher aus?

In einer Vortragsreihe m�chten wir diesen Fragen anhand einer kritischen Reflexion gegenw�rtiger p�dagogischer Konzepte nachgehen. Grundlegend f�r diese Analyse ist die Tatsache, dass P�dagogik nur als Teil der Gesellschaft gedacht werden kann. Gemeinsam m�chten wir diskutieren, welche Freir�ume den Subjekten und der p�dagogischen Arbeit in der heutigen kapitalistisch organisierten Gesellschaft bleiben und ob in diesen Ans�tzen emanzipatorisches Potenzial liegt. Was ist vom Bildungsbegriff �brig geblieben und in welchen Zusammenhang steht dieser zu den besagten p�dagogischen bzw. erziehungswissenschaftlichen Konzepten?

Es liegt die Vermutung nahe, dass sich unter dem Deckmantel von Konzepten wie Inklusion, Partizipation, Kompetenz und schlie�lich auch Bildung Vorstellungen und Interessen verbergen, die als �aktivierende Sozialpolitik� begriffen werden m�ssen. Eine kritische Reflexion dieser Konzepte scheint notwendiger denn je, um sich nicht zum Agenten fremder Interessen zu machen


Die Veranstaltungsreihe

Kritik des Kinder- und Jugendhilfegesetzes

02.11.2015 � Philipp Schweizer & Tyll Steckelmann � 18.30 Uhr
Uni Erfurt LG 1/102

1991 trat nach einer fast zwanzigj�hrigen Debatte das Kinder- und Jugendhilfegesetz in Kraft. Es wurde als Kehrtwende in der Gesetzgebung und �modernes Dienstleistungsgesetz� gefeiert. Erstmals wurden die einzelnen jungen Menschen mit umfassenden subjektiven Rechtsanspr�chen ausgestattet und in den Mittelpunkt des Gesetzes ger�ckt. Im Vortrag wollen wir zeigen, dass das �Recht auf Erziehung� im b�rgerlichen Rechtsstaat nicht ohne eine Pflicht auf Erziehung im Sinne einer Integration verstanden werden kann und im Mittelpunkt des Gesetzes noch immer die Interessen dieser Gesellschaft stehen, ge�ndert haben sich lediglich Bedingungen und Mittel.
Kritik des Empowerment Konzepts


12.11.2015 � 18.30 � Thorsten Eggers
Uni Erfurt LG 1/102

Seit Ende der 1970er Jahre hat sich mit zunehmender Relevanz ein Begriff in der Psychologie, der Sozialwissenschaft, der Sozialarbeit/-p�dagogik, der Entwicklungspolitik, verschiedenen politischen Konzepten und Protestbewegungen, der Betriebswirtschaftslehre und Selbstmanagement-Literatur sowie der Entwicklungspolitik etabliert: Empowerment. Der jeweils unterschiedlich akzentuierte konzeptionelle Inhalt dieses Begriffes zielt auf Machtverschiebung � Macht, welche ungleich verteilt ist, soll in Frage gestellt, angeeignet und zu Gunsten der bisher vermeintlich Machtlosen ausgebaut werden. Ein zentraler Aspekt dieser Machtverschiebung ist die Art und Weise der Aneignung von Macht: Die Machtlosen (Gesellschaften, Organisationen, Unternehmen, Familien, Individuen) sollen sich �ihre Macht� selbst akkumulieren, sollen sich nicht in der Rolle eines machtlosen Opfers sehen, sondern in der Rolle einer kompetenten und mit Ressourcen versehenen Instanz, die ihre Handlungsmacht erkennt und damit die Probleme des Alltags (z. B. Arbeitslosigkeit) wirkungsvoll bek�mpft. F�r die Sozialarbeit hei�t dies: Kein staatlicher Protektionismus, keine pauschalen Abfertigungen, keine �Defizitorientierung� und erst recht keine Thematisierung von Schw�che � sondern der Glaube an die Handlungsmacht eines jeden Individuums, die Verantwortungsabgabe an die Menschen selbst und die implizit immer vorhandene Verbesserungsf�higkeit des sich selbst helfenden Subjektes.

Doch welche Schw�chen beinhaltet ein Konzept, welches Schw�che tabuisiert? Welche Gefahren lauern in einer Theorie, die gesellschaftliche Problemfelder wie Arbeitslosigkeit individualisiert und letztendlich prim�r die Einzelnen als Ausgangspunkt von Ver�nderungspotenzial und -Notwendigkeit ins Auge fasst? Welche Logik verbirgt sich in dieser Selbstoptimierungstechnologie?

Politik und Kontingenz. Zur Temporalisierung des Primats des Politischen in der Sozialen Arbeit


19.11 � Martina L�tke-Harmann � 18.30 Uhr
Uni Erfurt LG 1/102

Der Vortrag widmet sich der Frage nach dem Verh�ltnis von Sozialer Arbeit und Politik aus einer quasi-transzendentalistischen und problemgeschichtlichen Perspektive. Die mit einer solchen Vorgehensweise verbundene Zielsetzung ist, die gegenw�rtig vielfach wirksame Rede von einer �R�ckkehr des Politischen� und die damit verbundenen Priorisierung von Kontingenz als Bedingung und Resultat politischer Handlungen erneut in einen geschichtlichen Zusammenhang zu stellen, d.h. zu historisieren und so zur Erkenntnis spezifischen politischen M�glichkeiten Sozialer Arbeit zu gelangen.
Zur Kritik der fr�hkindlichen Bildung

26.11 � Simon Kunert- 18.30 Uhr
Uni Erfurt LG 1/102

Selten scheint es zwischen den Interessen der Wirtschaft, der Politik und der P�dagogik eine derartige �bereinstimmung zu geben wie bei der Forderung nach fr�hkindlicher Bildung. Jedoch tr�gt das mit ihm ausgedr�ckte, sich der kapitalistischen Verwertungslogik unterwerfende Konzept neoliberaler Bildungsplanung dazu bei, den Erziehungsbegriff zu verdr�ngen, den der Bildung zu hintertreiben und f�hrt zu einer drastischen Enteignung kindlicher Subjektwerdungsprozesse. Mit einer kritische Theorie des Erziehungs- und Bildungsbegriffs w�re auf diese �konomisch-funktionalistische Instrumentalisierung zu antworten.

Die Veranstaltungsreihe wird organisiert vom AK Kritische P�dagogik an der Uni Erfurt.

Wer wir sind:

Der Arbeitskreis �Kritische P�dagogik Erfurt� ist ein Zusam�menschluss junger Menschen, die dem konventionellen p�dagogischen bzw. sozialarbeiterischen Studium eine kritische Auseinandersetzung mit der P�dagogik in all ihren Facetten entgegenstellen und ihre gesellschaftliche Grundlagen reflek-tieren wollen.

Wir alle sind Studenten der Erziehungswissenschaften, Sozi�alen Arbeit oder P�dagogik bzw. arbeiten im p�dagogischen Kontext. Auf unseren w�chentlichen Treffen lesen und disku�tieren wir Texte aus diesem Bereich oder besprechen Erfah�rungen, die wir gemacht haben.

Solltest du Interesse an unserer Arbeit haben melde dich bei uns. Neueinsteiger*innen sind jederzeit herzlich Willkommen

kritische_paedagogik@falken-erfurt.de