40 Jahre Beendigung des PREC (Portugiesische Revolution)

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Am 25.11.1975 folgten in Portugal zwei Putsche aufeinander, wobei sich der sozialdemokratische General Ramalho Eanes durchsetzte und in Portugal die Weichen hin zur westlich orientierten Demokratie gestellt wurden. Damit waren der heiße Sommer und der heiße Herbst beendet - und mit ihnen der Permanente Revolutionäre Prozess (PREC). Die "Nelkenrevolution" gilt seither als Rettung der Demokratie vor dem Faschismus - die darüber hinausgehenden Tendenzen (Kollektivierungsbestrebungen in der Produktion, Landbesetzungen) werden im öffentlich-politischen Gedächtnis verschwiegen. Wir sprachen mit Zwi von der Translib Leipzig, die anlässlich der vierzig-jährigen Beendigung des PREC drei Veranstaltungen ausrichtet.

Mi 25.11.2015
CLASS STRUGGLES IN PORTUGAL 1974-75 von R.Kramer
Beginn 19.30 Uhr

Do 26.11.2015
FILM: Kampf gegens Patriarchat unter „sozialistischem“ Anstrich
Beginn 19.30 Uhr

Sa 28.11.2015
WORKSHOP: „UNMÖGLICHE REVOLUTION ?“
12 – 14 Uhr + 15.30 – 17.30 Uhr

Weitere Infos unter: http://translibleipzig.wordpress.com
Audio
25:29 min, 58 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 24.11.2015 / 15:55

Dateizugriffe: 1004

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Tagesaktuelle Redaktion
Radio: corax, Halle im www
Produktionsdatum: 24.11.2015
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
“Ihr habt eure Revolution nur halb gemacht …”

translib, ein communistisches Labor, bot 2014 in Leipzig die Veranstaltungs-, Filme- und Workshop-Reihe „DER MAULWURF & DIE NELKEN – DAS RHIZOM: PORTUGAL 1974-75“ aus Anlass des 40. Jahrestages der Revolution in Portugal (PREC), wozu sich auf unserem Blog zahlreiche Dokumente finden. Daran knüpfen wir dieses Jahr mit abschließenden Film- und Workshop-Tagen an, um ein vorläufiges Fazit über „die Portugiesische Erfahrung“ zu ziehen. Wir laden dazu alle cosmopolitisch an der Revolution-in-Permanenz, besonders die an der Neubegründung von Communismus Interessierten ein.

Soeben, Mitte November 2015, ist die neueste portugiesische Regierung von einer sozialdemokratischen und linken Koalition zu Fall gebracht worden, weil sie dem Sparkurs der €U-Gläubiger zu offen nachkommen wollte. Genau vor 40 Jahren, am 25.November 1975, war es allerdings ein sozialdemokratischer und rechtsreaktionärer Militärputsch um den General Eanes, der die „revolutionäre“ linke Militär-Junta und „Volksmacht“ um den „Volkshelden“ General Carvalho entmachtet hat. Das war die sozialdemokratisch geführte Konterrevolution gegen das überaus populäre Militärregime (MFA), das sich seit der antifaschistischen „Nelkenrevolution“ vom 25. April 1974 als Poder Popular, der Garant des Übergangs zu Demokratie und „Sozialismus“ ausgegeben hatte.
Das Resultat einer offenen Konterrevolution dagegen, damals vorbereitet und geführt von der sozialdemokratischen PS („Sozialistische Partei“ unter Mário Soáres), regiert nun also parlamentarisch-demokratisch seit 40 Jahren in Portugal, längst in die EU integriert, und hat bewiesen, daß sie unter sozialdemokratischer genauso wie unter ganz rechter Regierungsmacht sowie unter traditioneller Beteiligung der „Kommunistischen Partei“ nur eines zustandebringen konnte und kann: die „Mittelklassen“, auf deren Erwartungen und Ängste sie sich immer gestützt hat, in weiteren Teilen zu ruinieren (am brutalsten und fast restlos die Bauern), die Ausbeutung der lohnarbeitenden Masse der Bevölkerung durch in- und ausländische Investoren weiterhin zu garantieren, bei beschleunigter Freisetzung in Erwerbslosigkeit und Armut (weil Portugal natürlich unter den verschärften Weltmarktbedingungen nie mithalten kann), so dass heute in Portugal in manchen Regionen wieder richtig gehungert wird und — nach wie vor 1974/75 — dieses Land als ein Armenhaus Europas gilt.
Genau diese Sackgasse kapitalistischer Modernisierung versuchte die großartige Revolution der Arbeiter_innen und der Landarbeiter_innen sowie der aufbrechenden antifaschistischen Bevölkerung zwischen dem 25. April 1974 und dem 25. November 1975 zu vermeiden.

Von den heutigen Siegern der Geschichte werden diese 2 Revolutionsjahre deshalb glatt wegretuschiert: zu einer Art Stunde Null „zwischen Diktatur und Demokratie“ gemacht. Wenn wir sie dagegen aus der Jetztzeit neu wahrnehmen, gibt es keinerlei Grund, sie umgekehrt zu romantisieren. Die Proletarisierten (= Lohnabhängigen) überall – d.h. ebenso in den ehemaligen Kolonien des portugiesischen „Weltreiches“ in Afrika (Angola, Mosambik, Guinea-Bissau, Kapverden), die mit der Revolution begonnen hatten! – können heute soviel klar aus der „portugiesischen Erfahrung“ lernen:
„Wer eine Revolution nur halb macht, gräbt sich lediglich sein eignes Grab.“ (Louis Saint-Just 1793)

Gleichzeitig stellen sich mindestens die zwei Fragen: Wie hätte dieser „andauernde revolutionäre Prozess“ (PREC) wirklich dauerhaft greifen können, als antifaschistisch-demokratische und proletarisch-communistische Räterevolution-in-Permanenz? Die realen politischen Ansätze dafür waren 1975 schon erkämpft worden – bis hin zu einer Art Doppelherrschaft im Heißen Sommer und Herbst 1975. Wie weiter hätte sich der Übergang zu einer wirklich vergesellschafteten (nicht: staatsmonopolistischen) Ökonomie der Selbstverwaltung behaupten und entwickeln können, notgedrungen „in einem Lande“, unter den damaligen Bedingungen der ökonomischen Unterentwicklung bzw.Ungleichmäßigkeit im internationalen Rahmen sowie der internationalen Lage in der Welt(markt)politik?

1975 lähmte die berechtigte Furcht vor der Wiederholung eines US-Massakers wie 1973 in Chile die revolutionären Menschen in dem NATO-Mitglied Portugal. Und vor allem die Sozialdemokratie schürte zusätzlich die Angst vor einem Bürgerkrieg, während linksradikale „Militante“ mitsamt ihren Waffen und Strukturen schließlich schon mal in den Untergrund abtauchten. – Seit 1974 stand zudem im Raum die reale Gefahr einer Machtübernahme durch die stalinistische KP+Einheitsgewerkschaft, die Portugal in einen vorgeschobenen Posten des großrussischen Sozial-Imperialismus zu verwandeln trachtete, der damals gerade als Supermacht global in die Offensive ging (nach dem Abzug der Supermacht USA aus Kambodscha, Laos, Vietnam im April 1975). War die arbeitende Bevölkerung in Portugal „reif“ für einen solchen selbstbestimmten Weg?

Und was ist aus der „portugiesischen Erfahrung“ zu lernen heute, wo sich nicht mehr 2 hegemonistische Supermachtblöcke konfrontieren, sondern sich die Mächte des dubios-demokratischen und des offen despotischen Kapitalismus scheinbar „multipolar“ vervielfacht haben, ja in einem blutigen Sumpf der vordringenden Barbarei versinken (islamistische Unstaaten und Terrorregimes, Failed States und Warlords diverser Oligarchien, offen antisemitische Aggressionswellen, Offensive des putinistischen Rußland, des „konfuzianischen Kapitalismus“ sowie weitere Monster mit Ambitionen zur Neuaufteilung des Weltmarkts). Welche Rolle spielte und spielt dabei last but not least das treibende Kernland der EU, das in den 1960er und 70er Jahren von Westdeutschland und der „Sozialistischen Internationale“ aus die portugiesische Konterrevolution sozialdemokratisch ausrüstete, finanzierte und garantierte – die heutige Berliner Republik mit ihrem verlogenen Herrschaftsdesign als Modell der „friedlichen“, „sozialstaatlichen“ Regulation und Transformation?
Wie kann in dieser verwirrend, überwältigend erscheinenden Gegenwart der scheinbar allseitigen Konterrevolution überhaupt noch realistisch eine communistische Revolutions- und Zivilisationsperspektive gedacht werden?

Mit diesen zwei Fragen beschäftigen wir uns in der translib, einem communistischen Labor, und um ihrer wissenschaftlich-praktischen Beantwortung näher zu kommen, laden wir alle daran interessierten Individuen ein zu unserer Reprise über die portugiesische Revolution: — diesmal aus Anlaß ihrer Abwürgung und Verdrängung vor 40 Jahren. War das doch die bisher letzte, größte proletarische Revolutionsbewegung in Westeuropa, die durch die letzten großen antikolonialen Kämpfe in Afrika und anderen Weltregionen begonnen und ermöglicht worden ist.

Trotz und mit dem „worlding“ der gegenwärtigen herrschenden Geschichtsdarstellungen sind die communistischen Revolutionsanläufe des Proletariats nicht hinreichend aufgearbeitet und schon garnicht aktualisiert.
Dafür werden die Trümmer und Überreste des sozialimperialistischen Systems präsentiert: „Das war der Kommunismus!“ Diese neue Geschichtsvergessenheit durch materialreiche Verdeckung und Verfälschung – gerne auch von links — gilt es momentan und in der Zukunft dringend zu beenden. Und das ist auch wieder besser möglich. Momentan (im November 2015) sind weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Wegen der immer mehr Krisen und Katastrophen erzeugenden Verschärfung der inneren Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise und der mit ihr einhergehenden Barbarisierung der Welt stellen sich die 2 Grundfragen früher oder später allen erneut existenziell: Wie ist heute im Weltmaßstab communistische Produktion und Verteilung zu machen, und wie kann die globale Gesamtarbeiter_in subjektiv die Reife erlangen für diese objektiv-materiell längst herangereifte Aufgabe? Alles darunter bleibt selbstverständlich karitatives und reformistisch-verantwortungsloses Immersoweitermachen (gar nicht zu reden von der religiösen Regression). Die jetzt hier ins Proletariat und ins Erwerbslosenheer sich neu eingliedernden Migrant_innen und die hiesigen Eingeborenen werden gut daran tun, nicht nur gegenseitig voneinander ihre Sprachen zu lernen, sondern überhaupt einander als national geprägte und entwurzelte Segmente und Individuen des Weltproletariats, besonders ihre jeweils verschiedene, bürgerliche und proletarische Revolutionsgeschichte kennen zu lernen, sie assoziiert zur Revolution-in-Permanenz aufzuarbeiten und durchzuarbeiten und dabei die gemeinsamen Folgerungen aus diesen Erfahrungen zu ziehen. Es geht um ihre Selbstorganisation zur Klasse des historischen Bewusstseins. Communistische Produktion und Verteilung in einer staatenlosen Weltgesellschaft ist keine Utopie, sondern bleibt die einzige realistische Alternative. Um sie aktuell zu diskutieren, kann in diesen Tagen die portugiesische Erfahrung ein äüßerst aufschlußreicher Ansatzpunkt sein.

Mit „NOVEMBER 1975 2015 DIE PORTUGIESISCHE ERFAHRUNG“ nehmen wir unsere Reihe vom April – Juni 2014 zur „Nelkenrevolution“ und dem PREC („andauernder revolutionärer Prozess“) in Portugal 1974-75 noch einmal auf und bringen sie zu einem vorläufigen, bilanzierenden Abschluß: als Filmabendreihe mit einem anschließenden Workshop, der die bisherigen Ergebnisse der Reihe zusammenfasst.

Mi 25.11.
Zum 40. Jahrestag der Beendigung des revolutionären Prozesses durch die Konterrevolution in Portugal / Eanes-Putsch 1975:
CLASS STRUGGLES IN PORTUGAL 1974-75 von R.Kramer.
Der umfassendste Dokumentarfilm über die gesamte Revolution. Davor geben wir noch einmal eine kurze einleitende Skizze (30 min) über die „Nelkenrevolution“ 1974, den anschließenden revolutionären Prozeß (PREC) bis zum „Heißen Sommer & Herbst“ 1975 und besonders zum konterrevolutionären Rollback.
Beginn 19.30 Uhr

Do 26.11.
Wir zeigen einen prämiierten aber selten gezeigten feministischen Spielfilm aus Mosambik über die ambivalente Entwicklung seit der Befreiung von der portugiesischen Kolonialherrschaft: Kampf gegens Patriarchat unter „sozialistischem“ Anstrich.
Beginn 19.30 Uhr

Sa 28.11.
WORKSHOP: „UNMÖGLICHE REVOLUTION ?“
Gemeinsam werden wir versuchen, einer vorläufigen Beantwortung der Fragen zum PREC in Portugal 1974-75 näher zu kommen, die im Verlauf der Veranstaltungsreihe aufgeworfen worden sind.
Geeignet auch für Interessierte, die sich mit der „Nelkenrevolution“/ dem PREC noch nie oder kaum beschäftigt haben.
(Chronik der Ereignisse in Portugal von 1973-76 als erster Überblick: https://translibleipzig.files.wordpress....)
12 – 14 Uhr + 15.30 – 17.30 Uhr

Kommentare
28.11.2015 / 10:00 Sonar, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
Danke
gesendet in bermudafunk am 27.11