Alina Cyranek über ihr erstes Langfilmprojekt »Ein Haufen Liebe«

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In »Ein Haufen Liebe« erzählen Frauen von Liebe, Leid und Leben

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22:18 min, 26 MB, mp3
mp3, 160 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 25.12.2015 / 13:07

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Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur
Entstehung

AutorInnen: Filmriss, Radio Blau
Radio: RadioBlau, Leipzig im www
Produktionsdatum: 25.12.2015
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
In »Ein Haufen Liebe« erzählen Frauen von Liebe, Leid und Leben

Anneliese ist 91 und war 30 Jahre verheiratet mit einem Mann, den sie sich nicht ausgesucht hat. »Er war das kleinste übel, das aus dem Krieg heimgekehrt ist«, sagt sie. Damals gab es keine Männer und die wenigen, die zurück kehrten, waren traumatisiert. Auch dieser konnte keine Liebe geben, nannte sie nicht einmal beim Vornamen. Sie war all die Jahrzehnte nur »Weib« oder »Mama«. Erst als sie sich scheiden ließ, wurde sie wieder zu Anneliese.

Heute steht sie mit anderen Frauen zwischen 70 und 90 auf der Bühne des Landestheaters Tübingen und bringt ihre Erfahrungen auf die Bretter. Die Leipziger Filmemacherin Alina Cyranek begleitete sie dabei. »Eine befreundete Theaterregisseurin aus Tübingen erzählte mir von sehr alten Frauen, die Theater spielen und von den Lieben in ihrem Leben erzählen. Es ist ein selbstgeschriebenes Theaterstück. Die Figuren wurden anhand der biographischen Geschichten der Frauen entwickelt. Das hat mich interessiert. Uns war sehr schnell klar, dass wir gemeinsam etwas machen werden«, erzählt Cyranek. Die gebürtige Polin hatte mit ihrer Familie '89 »rübergemacht« und ist am Bodensee gelandet. Nach dem Abitur zog es sie wieder in den Osten. Sie studierte Kulturwissenschaften in Dresden und Medienkunst und Mediengestaltung in Weimar. »Dann bin ich relativ schnell beim Dokumentarfilm gelandet.« Über zwanzig Kurzfilme entstanden in den letzten Jahren, mit denen sie auf Festivals von Leipzig bis Texas unterwegs war. »Einen Kurzfilm kann man auch mal raushauen, der braucht meist nicht die jahrelange Vorplanung«, beschreibt sie die Vorteile des Formats. »Leider wird der Kurzfilm nicht als eigene Kunstform gesehen und entsprechend gefördert. Er gilt immer noch als Visitenkarte für den ersten Langfilm. Die meisten Filmemacher sagen immer, vom Kurzfilm kannst du nicht leben und das stimmt leider.«

In ihren Filmen geht es immer wieder um den Erhalt von Erinnerungen. Die Arbeit mit den Schauspielerinnen des Frauentheaters Purpur für ihren erstes Langfilmprojekt lag also nahe. Doch zunächst entstand der Kurzfilm »Szenen eines Abschieds«, der unter anderem beim FERFILM Festival im Kosovo den Hauptpreis erhielt und von Schulklassen genutzt wird, wenn es um das Thema Lebensende geht. »Darin ging es mir um die vielen Abschiede im Leben, die man nehmen muss. Unter anderem auch in der Liebe.« In den Gesprächen mit den Frauen stellte sie fest, wie viele unterschiedliche Lebens- und Liebeskonzepte gibt. Sie wollte diese Gefühlswelten einfangen. »Die Offenheit und das Vertrauen, mit der die Frauen mir dabei gegenübertraten hat mich sehr berührt«, erzählt sie. »Es war ein Drang da zu erzählen. Viele von ihnen sind alleinstehend und haben wenige soziale Kontakte. Und dann kam ich, die ja erst ein Drittel so alt ist, die zuhört und ein ehrliches Interesse hat, an ihren Erfahrungen.« Die Frauen zeigten dabei keine Scheu vor der Linse. »Sie haben mich ja nie wirklich ohne Kamera erlebt. Ich hatte sie von Anfang an dabei und sie haben recht schnell gemerkt, worum es mir geht. Ihre Erzählungen waren sehr poetisch und reflektiert.«

Die Gespräche werden im Schnitt nun angereichert mit Assoziationsflächen und Erinnerungsbildern aus Liedern, Animationen, Landschaftsaufnahmen, Fotos und Zeichnungen. Die Dramaturgie ist anhand der Theateraufführung vorgegeben. Von den ersten Proben bis zur Premiere entspinnen sich so die Geschichten. »Innerhalb dieser Dramaturgie entwickeln sich auch die Frauen in sich selbst«, beobachtete Cyranek. »Die Frauen sind zum ersten Mal mit diesen Gefühlen konfrontiert, dass sie selber reflektieren, was Liebe eigentlich für sie bedeutet. Dieser Prozess wird sich im Film widerspiegeln.« Abgerundet wird der Dokumentarfilm auf der Tonebene mit Soundcollagen. Die Filmmusik komponierte der Weimarer Pianist Martin Kohlstedt.

Viel Liebe steckt in »Ein Haufen Liebe«, der ohne Förderung entsteht und hoffentlich bald auf eine lange Festivalreise gehen wird, die ihn vielleicht auch zurück zum Dokumentarfilmfestival nach Leipzig führen wird. Ein Kinostart wäre ein Traum. Um den Filmemachern an ihrer Seite zumindest etwas zurückgeben zu können, wird Alina Cyranek Ende Dezember eine Kampagne bei der Visionbakery starten. Man kann viel lernen, aus den Geschichten der Frauen und ein Stück ihrer Lebensfreude mit auf den Weg nehmen.

> www.visionbakery.com/ein-haufen-liebe
> alinacyranek.com