Der 12-Stunden Tag in Österreich

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Seit dem 1. September gilt in Österreich der 12-Stunden-Tag. Die rechtskonservative Regierung aus ÖVP und FPÖ ließ im Eilverfahren den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche einführen. Die Industrie ist sehr erfreut, die ArbeitnehmerInnen, die Gewerkschaften und Teile der Opposition schäumen über eine nie dagewesene Missachtung der Sozialpartnerschaft und der parlamentarischen Gepflogenheiten. Doch dieser Beschluss ist kein Einzelfall und keine Überraschung. Der 12-Stunden-Tages steht symptomatisch für das Agieren der rechtskonservativen Regierung. Eine Beschreibung der Umstände
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Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Entstehung

AutorInnen: Frequenzkonsum
Kontakt: frequenzkonsum(at)systemli.org
Radio: FRBB, Berlin und Brandenburg im www
Produktionsdatum: 25.09.2018
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Skript
Der 12-Stunden-Tag in Österreich.

Seit dem 1. September gilt in Österreich der 12-Stunden-Tag. Die rechtskonservative Regierung aus ÖVP und FPÖ ließ im Eilverfahren den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche einführen. Die Industrie ist sehr erfreut, die ArbeitnehmerInnen, die Gewerkschaften und Teile der Opposition schäumen über eine nie dagewesene Missachtung der Sozialpartnerschaft und der parlamentarischen Gepflogenheiten. Doch dieser Beschluss ist kein Einzelfall und keine Überraschung. Der 12-Stunden-Tages steht symptomatisch für das Agieren der rechtskonservativen Regierung.

Doch was beinhaltet das Gesetz zum 12-Stunden-Tag und der 60-Stunden-Woche überhaupt? Der 12-Stunden-Tag erhöht die Höchstarbeitszeit im Betrieb. Auch bisher sind in Einzelfällen 12-Stunden-Tage erlaubt, allerdings muss der Betriebsrat zustimmen und es werden meist Ausgleichsregelungen wie mehr Urlaub oder hohe Zuschläge vereinbart. Mit dem neuen Gesetz fällt das alles weg. Es braucht keine Zustimmung, es gibt keine Extras. Nach Protesten und Kritik hat die Regierung allerdings ins Gesetz geschrieben, dass die neue Extra-Arbeitszeit abgelehnt werden kann und die Extra-Stunden „freiwillig“ seien. Doch wie die Arbeitgeber darauf reagieren, wenn die Extra-Arbeit abgelehnt wird, das wird sicher nicht im Sinne der ArbeiterInnen liegen.

Der 12-Stunden-Tag ist also ein Geschenk der rechtskonservativen Regierung an die Konzerne und Arbeitgeber. Er hat massive Kritik und Protest aufgerufen. Im Sommer organisierte der Österreichische Gewerkschaftsbund eine Großdemo gegen das Gesetz mit über 100‘000 TeilnehmerInnen. Solche Demonstrationen sind eine Seltenheit in Österreich. Die meisten Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern werden seit vielen Jahrzehnten in der sogenannten Sozialpartnerschaft am Verhandlungstisch gelöst. Mit diesem Prinzip wurde nun gebrochen.

Die Bundesregierung hat bei ihrem neuen Gesetz zur Arbeitszeit weder die Vertretung der ArbeitnehmerInnen noch die Opposition oder andere Betroffene eingebunden. Ein dramatischer Bruch mit allem bisher üblichen. Dem nicht genug wurde das Gesetz ohne die sonst übliche mehrwöchige Beugtachtungszeit beschlossen. Die ParlamentarierInnen der Opposition bekamen den Gesetztesentwurf erst 48-Stunden vor der Sitzung zugestellt. Bereits davor informierte die Regierung die Medien über die wichtigen Eckpunkte und Inhalte.

Die nächste Demütigung des Parlamentarismus folgte auf dem Fuß: Im Gesetzesentwurf war ersichtlich, dass das Gesetz nicht – wie bisher immer bekanntgegeben – ab 1. Januar 2019 in Kraft treten soll, sondern bereits ab 1. September, also einen Monat nach Beschluss Mitte August.

Seit 23 Tagen ist in Österreich also der 12-Stunden-Tag offiziell wieder eingeführt. Eine Rückkehr in vorindustrielle Arbeitspolitik. Die Gewerkschaft rüstet jedenfalls zur Gegenwehr und möchte die Verschlechterungen in den Tarifverhandlungen im Herbst auffangen.

Der Unmut über dieses Gesetz und das Vergehen ist noch immer groß. Trifft das Gesetz doch vor allem hart arbeitende Menschen, die oftmals keinen starken gewerkschaftlichen Schutz besitzen. Kurz: Das Gesetz trifft die Kernwählerschaft der FPÖ. Hier ist der Unmut groß.

Ob und inwiefern sich diese Regelung in einem Umdenken und einer Neuorientierung der WählerInnen niederschlagen wird, ist noch nicht erwiesen.

Doch das Arbeitszeitgesetz für den 12-Stunden-Tag war nicht die letzte rückwärtsgewandte Maßnahme der rechtskonservativen Regierung in Österreich, die nächsten Gesetze zur Verschlechterung der Lebensverhältnisse wie die Zerschlagung der Krankenkasse, die Kürzung des Kindergeldes oder die Reformierung des Arbeitslosengeldes sind jedenfalls schon in der Vorbereitung.