Keine Erfolgsmeldung fürs Klima | Kohle-Kommission dennoch bejubelt

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Die von der Bundesregierung eingesetzte Kohle-Kommission hat ihren Abschluß-Bericht vorgelegt. Kritische UmweltschützerInnen werten diesen als faulen Kompromiß. Empfohlen wird in diesem Bericht, die Hälfte der deutschen Kohlekraftwerke noch bis 2030 zu betreiben. Auch wenn in den deutschen Mainstream-Medien die Empfehlungen der Kohle-Kommission mit Verweis auf den nun geretteten 5-Prozent-Rest des Hambacher Forsts als "Durchbruch für den Klimaschutz" hochgejubelt wird, ist sachlich festzuhalten: Die angebliche Selbstverpflichtung der deutschen Bundesregierung vor dem Hintergrund des Pariser "Welt-Klima-Gipfels COP21" aus dem Jahr 2015 wird so bei Weitem verfehlt.
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Upload vom 12.02.2019 / 22:08

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Wirtschaft/Soziales
Serie: Burning Beds
Entstehung

AutorInnen: Klaus Schramm
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 12.02.2019
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Keine Erfolgsmeldung fürs Klima
Kohle-Kommission dennoch bejubelt

Berlin (LiZ). Die von der Bundesregierung eingesetzte Kohle-Kommission hat ihren Abschluß-Bericht vorgelegt. Kritische UmweltschützerInnen werten diesen als faulen Kompromiß. Empfohlen wird in diesem Bericht, die Hälfte der deutschen Kohlekraftwerke noch bis 2030 zu betreiben. Auch wenn in den deutschen Mainstream-Medien die Empfehlungen der Kohle-Kommission mit Verweis auf den nun geretteten 5-Prozent-Rest des Hambacher Forsts als "Durchbruch für den Klimaschutz" hochgejubelt wird, ist sachlich festzuhalten: Die angebliche Selbstverpflichtung der deutschen Bundesregierung vor dem Hintergrund des Pariser "Welt-Klima-Gipfels COP21" aus dem Jahr 2015 wird so bei Weitem verfehlt.

Auch der Umwelt und Dörfer zerstörende Braunkohle-Tagebau in der Lausitz kann laut der Kommissions-Empfehlung ungehindert bis 2030 fortgesetzt werden. Hannelore Wodtke, Vertreterin der Lausitzer Tagebau-Betroffenen in der Kohle-Kommission, hat dem ausgehandelten Abschluß-Bericht nicht zugestimmt. "Die Rettung des Dorfes Proschim vor der Umsiedlung ist seit Jahren überfällig. Auf Druck der sächsischen und brandenburgischen Landesregierungen läßt die Kohle-Kommission die betroffenen Menschen weiter in Unsicherheit über ihre Zukunft," begründet Wodtke ihre Ablehnung. An die Adresse des sächsischen "schwarzen" Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und des brandenburgischen "roten" Ministerpräsidenten Dietmar Woidke gerichtet, erklärte Hannelore Wodtke, deren Politik werde offensichtlich noch immer von der Kohle-Lobby diktieren.

René Schuster vom ostdeutschen Umweltverband 'Grüne Liga' kritisiert, daß "weiterhin ungehindert die Steuermilliarden praktisch ohne Gegenleistung in der Lausitz fließen" sollen. "Offenbar soll der Steuerzahler hier nicht die Folgen eines Kohleausstieges abfedern, sondern die Sparprogramme der LEAG-Eigner ausgleichen und den Landtagswahlkampf der beiden Ministerpräsidenten retten," so Schuster weiter. Der vollständig im Eigentum des tschechischen Strom-Konzerns EPH befindliche LEAG-Konzern will selbst und erst 2020 entscheiden, ob der Braunkohle-Tagebau auch im Gebiet Welzow-Süd II fortgesetzt wird.

Bekanntlich ist Deutschland mit der Verstromung von Braunkohle einer der schlimmsten Klimagas-Emittenten in Europa. Allein aus dem Tagebau Welzow-Süd werden jährlich rund 20 Millionen Tonnen Braunkohle oberflächennah abgebaggert. Der Kohlendioxid-Ausstoß von Braunkohle-Kraftwerken liegt mit 980 bis 1230 Gramm pro Kilowattstunde brennstoffbedingt deutlich höher als bei anderen fossil befeuerten Kraftwerken. Der jährliche Braunkohle-Output von Welzow-Süd entspricht rund 17 Millionen Tonnen Kohlendioxid.

Mit rund 430 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr stammt mehr als die Hälfte der deutschen Kohlendioxid-Emissionen aus den fossilen Kraftwerken der Energiewirtschaft. Außerdem stammen pro Jahr rund 7 Tonnen des hochgiftigen Nerven-Gifts Quecksilber aus den deutschen Kohlekraftwerken. Ein von Greenpeace in Auftrag gegebenes Gutachten kam 2013 zu dem Ergebnis, daß deutsche Kohle-Kraftwerke jährlich rund 3.100 vorzeitige Todesfälle in Europa verursachen (Siehe unseren <a href="enerbr130403.html" target="_blank">Artikel v. 3.04.13</a>).

Teile der Umweltbewegung werten die Vorschläge der Kohle-Kommission als "Einstieg in den Ausstieg aus der Kohle". BUND-Chef Hubert Weiger sprach von einem "starken Signal". Zu verdanken sei dies vor allem den Blockade-Aktionen von Ende-Gelände (Siehe unter anderen unseren <a href="enekoh181030.html" target=_blank>Artikel v. 30.10.18</a> und der Dynamik der Klima-Bewegung der vergangenen drei Jahre. Mittlerweile demonstrieren freitags an bundesweit über 120 Orten auch tausende Jugendliche für einen konsequenten Klimaschutz. Leider sind diese Proteste vielfach noch darauf ausgerichtet, durch Appelle auf "die Politik" einzuwirken.

Aus Sicht des Ökostrom-Anbieters Energiewerke Schönau (EWS) hat die im Juni 2018 einberufene Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" - kurz: Kohle-Kommission - "ihr Ziel klar verfehlt". Nach der von der EWS vorgelegten Analyse des Abschluß-Berichts ist darin vorgesehen, bis zum Jahr 2022 zusätzlich nur Braun- und Steinkohlemeiler mit einer Gesamtleistung von 7 Gigawatt vom Netz zu nehmen - 5,5 Gigawatt gehen ohnehin vom Netz. Erst zwischen 2022 und 2030 sollen dann noch mal rund 12 Gigawatt an Kohle-Kraftwerken stillgelegt werden. Die Gesamt-Leistung der deutschen Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke beläuft sich derzeit aber auf rund 45 Gigawatt. Da Zielvorgaben für die Jahre nach 2022 - zu erinnern ist hier auch an den versprochenen aber unverbindlichen Atom-Ausstieg - kaum mehr als Luftbuchungen darstellen, ist der Vorschlag von 7 Gigawatt für die kommenden vier Jahre äußerst mager.

Der Ökostrom-Anbieter EWS begrüßt zwar grundsätzlich die Einigung über den Einstieg in den Kohleausstieg, kritisieren aber, daß der vorgelegte Kompromiß für die Erreichung der Pariser Klimaschutz-Versprechen nicht ausreichend sei. Gefordert sei heute, "den Kohle-Ausstieg und weitere unumgängliche Klimaschutzmaßnahmen nicht immer weiter in die Zukunft zu verschieben". Wichtig seien neben dem Strom-Sektor auch die Bereiche Verkehr und Gebäude. Sebastian Sladek von der EWS Schönau mahnt: "Uns bleibt wenig Zeit, wenn wir die Erderwärmung noch wirksam begrenzen wollen."

Die Bundestagsabgeordneten Caren Lay, Lorenz Gösta Beutin bemerken, daß der Vorschlag der Kohle-Kommission, Kohle-Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 7 Gigawatt bis 2022 stillzulegen, "mehr als bescheiden" ausfalle, wenn doch bekanntlich bei den sogenannten Jamaika-Verhandlungen Ende 2017 / Anfang 2018 schon einmal allein 7 Gigawatt der besonders klimaschädlichen Braunkohle-Kraftwerke auf der Stilllegungs-Liste bis 2020 standen. Dennoch gibt sich die Linkspartei kompromißbereit und begrüßt, daß die Kohlekommission der Bundesregierung doch zumindest "einen Kohleausstieg per Gesetz vorschlägt". Allerdings sei der Vorschlag dieses Gremiums ein "teurer Bummel-Kohleausstieg auf Kosten der Steuerzahler und öffentlichen Haushalte, während sich die Energiewirtschaft ihre alten Kohlekraftwerke durch Abwrackprämien selbst für Uraltmeiler vergolden läßt." Ein Ausstiegs-Datum 2038 sei "fürs Klima deutlich zu spät". Daß allerdings die sogenannten RealpolitikerInnen der Linkspartei, die in den Bundesländern an den entscheidenden Stellen sitzen und zielstrebig auf Ministersessel hinarbeiten, von Lays und Beutins Argumenten überzeugt werden können, ist ebenso realistisch wie die Wunschvorstellung, bei Angela Merkel handele es sich um eine "Klima-Kanzlerin".