"Solidarity City“ - wie eine solidarische Stadtgemeinschaft Flüchtlinge integrieren kann

ID 96644
 
AnhörenDownload
Ende Juni veranstaltete das Bündnis „Solidarity City München“ eine Tagung zur Frage: Wie können wir das Zusammenleben in der Stadt so organisieren, dass alle daran teilhaben können – auch Geflüchtete. Dabei ging es um Themen wie: Auf welche Weise kann man Feindseligkeit gegenüber Flüchtlingen offensiv begegnen? Welche Chancen bietet das Konzept einer eigenen Stadtbürgerschaft, die auch für Geflüchtete gilt? Und: Wie weit können oder müssen wir gehen beim Schutz von Flüchtlingen?
Audio
47:13 min, 43 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 03.08.2019 / 22:31

Dateizugriffe: 3264

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache:
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Harald Will
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 03.08.2019
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Lora-Sendung 30.7.19 Solidarity City


Mod.:

Willkommen zur Sendung des Münchner Flüchtlingsrates. Bei uns geht es heute um eine Frage, die das Zusammen-Leben in der Stadt betrifft: Wie können wir dieses Zusammen-Leben so organisieren, dass alle teilhaben können – auch Geflüchtete, die in der Stadt aufgenommen worden sind ?
Eine Antwort auf diese Frage versucht das Bündnis „Solidarity City München“ zu geben, ein Zusammenschluss von Flüchtlingshelfern, Wissenschaftlern und Aktiven in der Nord-Süd-Arbeit. Leitbild von Solidarity City ist die Idee einer solidarischen Stadt. Das bedeutet: Die Stadt soll für jeden und jede da sein – unabhängig von Herkunft und Geschlecht, Aufenthaltsstatus und finanziellen Möglichkeiten. Alle sollen die Möglichkeit bekommen, am städtischen Leben teilzunehmen, eben auch Flüchtlinge.
Ende Juni veranstaltete das Bündnis „Solidarity City München“ eine Tagung, und zwar im Wohn- und Kulturzentrum für Geflüchtete „Bellevue di Monaco“. Es ging darum, Anstöße zu geben für eine Umsetzung der Idee von der solidarischen Stadt. Thomas Lechner, einer der Moderatoren der Auftaktveranstaltung bei der Tagung:

Zuspielung O-Ton Lechner

Über die Idee der solidarischen Stadt und darüber, wie sie verwirklicht werden soll, wurde bei der Tagung in verschiedenen Workshops diskutiert.
Dabei ging es um Fragen wie: Auf welche Weise kann man Feindseligkeit gegenüber Flüchtlingen offensiv begegnen? Welche Chancen bietet das Konzept einer eigenen Stadtbürgerschaft, die auch für Geflüchtete gilt? Und: Wie weit können oder müssen wir gehen beim Schutz von Flüchtlingen?
Wir haben einige der Workshops besucht und anschließend mit den Referentinnen
und Referenten gesprochen.
Unser Thema heute: „Solidarity City“ - wie eine solidarische Stadtgemeinschaft Flüchtlinge integrieren kann.

Am Mikrofon in der nächsten Stunde sind: Stefanie Jakob

und Harald Will

Bevor man darüber nachdenkt, wie man Geflüchtete am besten in einer Stadt oder Gemeinde aufnehmen kann, geht es zu allererst um eine andere Frage: Schaffen sie es überhaupt, zu uns zu kommen? Besonders akut ist diese Frage bei Flüchtlingen, die aus dem Mittelmeer aus Seenot gerettet werden. Bisher setzt immer ein unwürdiges Gezerre ein, sobald ein Rettungsschiff Flüchtlinge im Meer an Bord genommen hat. Erst nach tage- oder gar wochenlangen Verhandlungen finden sich endlich Länder, die die Geretteten aufnehmen.
Angesichts dieser unhaltbaren Situation haben sich viele Kommunen in Deutschland bereit erklärt, im Mittelmeer geborgene Flüchtlinge bei sich zu beherbergen. Einer entsprechenden Aktion unter dem Motto „sicherer Hafen“ haben sich bisher über 70 deutsche Städte angeschlossen. Zu verdanken ist das vor allem der Arbeit der Initiative „Seebrücke“, die für die Seenotrettung eintritt. Bei der Tagung „Solidarity City“ berichtete Jonas Haase von der „Seebrücke“ in Potsdam über die Kampagne „sicherer Hafen“. Ilona Daiker hat mit ihm gesprochen.

Zuspielung Haase

Mod. :
Jonas Haase von der „Seebrücke“ in Potsdam. Hier in München fordert die örtliche Gruppe der „Seebrücke“, dass sich auch die bayerische Landeshauptstadt zum sicheren Hafen für gerettete Flüchtlinge erklärt. Und es sieht so aus, als könnte sich die Stadt nach anfänglichem Widerstreben dazu bereitfinden, dieser Forderung nachzukommen.
Am 18. Juli votierte der Sozialausschuss des Stadtrates einstimmig dafür, dass München sich dem Städte-Bündnis für sichere Häfen anschließt. Oberbürgermeister Dieter Reiter wird außerdem gebeten, ein Schreiben an das Aussenministerium in Berlin zu schicken, in dem die Wichtigkeit einer funktionierenden Seenotrettung für Flüchtlinge im Mittelmeer betont wird.


Mod.:
Seit 2014 sind mehr als 12.000 Menschen bei dem Versuch ums Leben gekommen, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration sind allein von Anfang bis Mitte Juli dieses Jahres schon 682 Menschen im Meer ertrunken.
Früher entsandten die EU-Staaten Marineschiffe ins Mittelmeer, die auch Menschen aus Seenot retteten. Heute dienen die Marine-Einsätze ausschließlich der Grenzsicherung. Stattdessen übernehmen private Hilfsorganisationen die Seenotrettung soweit es ihnen möglich ist. Doch das ist nur eine Notlösung.
Was muss geschehen, damit Geflüchtete sich nicht mehr auf den gefährlichen Weg übers Meer begeben müssen? Können humanitäre Aufnahmeprogramme für Geflüchtete helfen? Und welche helfen schon jetzt?
Ilona Daiker hat dazu den Migrationsforscher Dr. Marcus Engler befragt, der bei der Tagung „Solidarity City“ in einem Workshop zur Seenotrettung referierte.

Zuspielung Migrationsforscher



Mod.: Auf LORA München hören sie die Sendung des Münchner Flüchtlingsrates. „Solidarity City“ - wie eine solidarische Stadtgemeinschaft Flüchtlinge integrieren kann – so heißt unser Thema heute.
Für viele Menschen ist es selbstverständlich, ein Bankkonto zu eröffnen, bei gesundheitlichen Beschwerden zum Arzt zu gehen und die Polizei zu rufen, wenn man Opfer von Gewalt wird. Ganz anders die Situation von Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Wenden sie sich in einem Notfall an die Polizei, riskieren sie, ausgewiesen zu werden. Auf dem Wohnungsmarkt haben sie es schwer, und auch der Zugang zu städtischen Einrichtungen bleibt ihnen oft verwehrt.
In der Schweizer Metropole Zürich gibt es schätzungsweise 10.000 bis 14.000 so genannte „Sans Papiers“ – Menschen „ohne Papiere“, die keinen geregelten Aufenthaltsstatus haben und damit aus dem städtischen Leben weitgehend ausgeschlossen sind.
Eine Möglichkeit, die Situation von Sans-Papiers in Zürich zu verbessern, könnte die sogenannte „Züri City Card“ sein - ein Stadtbürgerinnenausweis, wie es ihn etwa in New York schon gibt. Der Ausweis soll für alle gelten, unabhängig von Aufenthaltsstatus und Nationalität, und demnächst in Zürich eingeführt werden.
Was genau steckt hinter der Idee, welche Vorteile hätte eine City Card und wie kommt die Idee in Zürich an? Darüber hat Sarah Tober am Rande der Solidarity City Konferenz mit Bea Schwager gesprochen. Sie leitet in Zürich die Anlaufstelle für Menschen ohne Papiere und ist Vorsitzende eines Vereins, der sich für die Einführung der City card einsetzt.

Zuspielung Schwager


Mod.:

Was rechtlich und was auch praktisch möglich ist, das wird zur Zeit in einer anderen Stadt geprüft, in Berlin. Hier soll zwar vorerst keine City-Card nach dem Muster von Zürich einführt werden. Aber man macht sich Gedanken darüber, wie Geflüchteten ein besserer Zugang zu wichtigen Dienstleistungen ermöglicht werden könnte wie etwa zur Gesundheitsversorgung oder zum öffentlichen Nahverkehr.
Stefanie Kron hat zusammen mit anderen Autorinnen und Autoren für die Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Broschüre über solidarische Städte in Europa erarbeitet. In ihrem Vortrag bei der Tagung Solidarity City stellte sie die Berliner Überlegungen vor:

Zuspielung Kron



Mod.:

Sie hören die Sendung des Münchner Flüchtlingsrates. Unser Thema heute: „Solidarity City“ - wie eine solidarische Stadtgemeinschaft Flüchtlinge aufnehmen kann.

Alle paar Wochen startet von einem deutschen Flughafen eine Maschine, die abgelehnte Asylbewerber in die afghanische Hauptstadt Kabul bringt. Die Abgeschobenen kommen in ein Land, in dem es keine Sicherheit für sie gibt - auch wenn die Bundesregierung etwas anderes behauptet.
In Afghanistan herrscht Krieg, in vielen Provinzen gibt es Gefechte und bald jeden Tag wird irgendwo im Land ein Bombenanschlag verübt. Angesichts dieser Situation überlegen sich manche, die hier in Deutschland Geflüchtete unterstützen, wie man Abschiebungen nach Afghanistan verhindern kann. Und nicht nur nach Afghanistan - auch Abschiebungen in andere Länder sind problematisch.
Die Frage ist : wie weit kann, darf, muss man gehen, um Abschiebungen zu verhindern? Muss man den von Abschiebung Bedrohten persönlich eine Art Asyl geben, indem man sie z.B. vor den Behörden versteckt? Darum ging es bei der Tagung „Solidarity City“ im Workshop zum Thema BürgerInnen-Asyl. Referentin war hier Marion Bayer von der Initiative „Kein Mensch ist illegal“ in Hanau. Kathrin Sydow hat sie interviewt.


Zuspielung Bayer



Mod:
Sie hören die Sendung des Münchner Flüchtlingsrates. Unser Thema heute: „Solidarity City“ - wie eine solidarische Stadtgemeinschaft Flüchtlinge integrieren kann.

Viele Geflüchtete leben bei uns in einer Art Warteschleife. Sie haben nur eine so genannte Duldung erhalten, d.h. sie haben kein Asyl oder einen anderen gesicherten Aufenthalt bekommen. Geduldet werden sie, weil bestimmte Gründe, z.B. gesundheitliche, ihre Abschiebung verhindern.
Die Duldung kann aber jeweils nur für kurze Zeit verlängert werden, meistens für ein paar Monate. Die Hängepartie zieht sich für die Betroffenen oft über Jahre hin. Das ist eine enorme Belastung, die Menschen leben in der ständigen Angst, abgeschoben zu werden. Sicherheit gibt es für sie nicht, denn die Duldung bedeutet nur, dass die Abschiebung vorübergehend ausgesetzt ist.
In Köln ist nun auf Betreiben von Flüchtlingshelfern und anderen Engagierten das so genannte Bleiberechts-Projekt gestartet worden. Damit soll langjährig Geduldeten geholfen werden. Wer mindestens schon acht Jahre in Köln mit einer Duldung lebt, soll die Chance auf einen gesicherten Aufenthalt bekommen. Im Rahmen des Projekts wurden Beratungsstellen für die Geflüchteten eingerichtet. Und die Verwaltung wurde angewiesen, zu überprüfen, ob langjährig Geduldete ein Bleiberecht erhalten können.
Bei der Tagung „Solidarity City“ berichtete Jessica Rossler vom Kölner Flüchtlingsrat über das Projekt. Elif Beiner hat sich bei ihr erkundigt, wie die Initiative dazu entstanden ist und wie das Projekt läuft.

Zuspielung Rossler Köln

Mod.:

Soweit Jessica Rossler vom Kölner Flüchtlingsrat über das Projekt Bleiberecht. Für die Geduldeten in anderen Städten wäre es gut, wenn dieses Projekt Schule machen könnte. Zum Beispiel in München. Wie stehen dazu die Chancen? Diese Frage hat Elif Beiner an Rebecca Kilian-Mason gestellt, die Geschäftsführerin des Münchner Flüchtlingsrates.

Zuspielung

Mod:
Rebecca Kilian-Mason, die Geschäftsführerin des Münchner Flüchtlingsrates.

Und das war unsere Sendung zum Thema: „Solidarity City“ - wie eine solidarische Stadtgemeinschaft Flüchtlinge aufnehmen kann“.

Mitgearbeitet haben Elif Beiner, Ilona Daiker, Glenn Louis, Kathrin Sydow und Sarah Tober.

Am Mikrofon waren Stefanie Jakob …....

und Harald Will, der auch für die Sendung verantwortlich ist.