Aggro Berlin ein Erklärungsversuch...

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Das Berliner Battelraplable Aggro Berlin ist in aller Munde und sorgt für bundedeutsche Empörung. Kultusministerinnen schreien nach Index wohingegen auf MTV die Lieder von Sido und Fler rauf und runter gespielt werden und Flers "Neue Deutsche Welle" Song sogar auf der Bravo Hits einen Platz gefunden hat.
Der folgende Beitrag will versuchen das Phänomen Aggro Berlin zu erklären, worauf die so plötzlich entstandenen Begeisterungsstürme basieren und wie demzufolge notwendige Kritik und Auseinadersetzung mit Aggro aussehen könnte...
Audio
07:13 min, 3385 kB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 01.09.2005 / 19:59

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Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Musik, Jugend, Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Karin
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 01.09.2005
keine Linzenz
Skript
Fler, Sido und B-Tight von denen auch das eben gespielte hörbeispiel stammt sind auch besser bekannt unter dem Berliner Lable Aggro Berlin gehören momentan zu den beliebtesten Rapstars in Deutschland.

Flers neuestes und äußerst umstrittenes Album „Neue Deutsche Welle„ schaffte den Einstieg von Null auf Platz 5 der Charts und ist spätestens seitdem in alle Munde.
Der folgende Beitrag soll nicht diskutieren wie umstritten Aggro jetzt ist, oder vielleicht auch nicht, der in der bundesdeutschen Presse- und Medienlandschaft ertönte Aufruh der Empörung hat dies bereits in ausreichendem Maße getan und ist damit in genau die PR Falle getappt die Specter, Gründer und Imagemacher von Aggro Berlin trefflich ausgelegt hat und damit die Verkaufszahlen seiner Alben massiv steigern konnte.
Sondern einen Erklärungsversuchs des Phänomens Aggro Berlins wagen.

Aggro, bestehnd aus Sido, Fler, B-Tight und ehemals auch Bushido rangieren im Bereich des ultrabrutalo, alle Tabusbrechendem Battlerap.

Battelrap selbst ist im HipHop eine Art Sportdisziplin in der mit frauenfeindlichen, homophoben, ultra sexistsichen und antisemitischen Reimen und entworfenen Gewaltexzessen versucht wird seinem Gegner zu dissen und zu beweisen das letzlich man selbst bzw. die eigenen Crew die einzig coolen Rapper sind und alle anderen bis aufs peinlichste und noch irgend mögliche beleidigt werden.

Paradebeispiel ist hier unter anderem Eminem.
Die verwendeten Reime entstammen sind keine Statements, politische Aussagen oder tatsächlich umzusetzende Handlungsanweisungen, sondern in einem Rap Battel entlang spezifischer Regeln folgerichtige entwickeltet Steigerungsformen möglicher Beleidigungen an hand derer die eigene Schlagfertigkeit und Wortgewandheit bewiesen werden kann.

Was Aggro Berlin allerdings in dieser Szene zu einem solchen Phänomen macht und weit über den relativ engen Kreis an Battelrapinteressierten hinaus, deutschlandweit, bei Jugendlichen für Begeisterungsstürme sorgt ist ein sehr gewitztes Marketingkonzept.

Der noch schwärzer als schwarze B-Tight wird zum amoklaufenden, politisch unkorrektem Neger aufgebaut, Sido zur geheimnisvollen, anonymen Maske, Bushido, als Sohn tunesischer Einwanderer wird zum Soldaten und Fler, ehemals schwererziehbares Heimkind, der sich nicht mehr länger hänseln lassen will wird von Specter dem Aggro Imagemacher zum starken stolzen Deutschen aufgebaut.

Das spezifische an Aggro ist, das sie mit dieser Kombination für sich in Anspruch nehmen, dort zu sein und das zu kennen worüber sie singen und zwar das Ghetto.

Aus der Ablehnung der alten eher kritischen Messagerap vertretenden Stars, den Hierarchien und Regeln der Szene stilisieren sie sich zu dem Abschaum den das System hervorgebracht hat und wirken vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Biographien authentisch abgefuckt, unverdaulich, rebellisch, provokant - mit einem Wort real.

Tabubrüche gehören bei Aggro also zum Selbstbild und führen bei Sido und B-Tight zu extrem Frauenverachtenden und äußerst sexistischer Texten und detaillierten Beschreibungen sexualisierter Gewaltorgien welche die übergrößte Anzahl von von Agrro produzierten Alben und Singels mittlerweile auf den Index gebracht hat.
Und da Schlägt die PR Falle erneut zu, verbotenes =interessantes=real

Fler begeht mit seinem seit Mai erschienen Album nun einen der tiefsten in Deutschland möglichen Tabubrüche und zwar den mit der deutschen Vergangenheit und bedient damit gleichsam den total popig, hip und angesagt gewordenen Trend doch mal wieder hemmungslos stolz auf Deutschland seien zu wollen und sich ein neues deutsches Selbstbewusstsein zu erstreiten.

Nachdem seit Monaten Patriotismusgedöns und verzerrte Vergangenheitsbewältigung a la dem Wunder von Bern, der Untergang, Mia, Guido Knopp Dokus, Deutschquoten im Radio etc die Film, Musik und Modewelt beherrschen wundert es eigentlich auch nicht, das Fler den Trend des naiven Heimatgefühls aufgreift und entsprechend seinem Image noch eins draufsetzt.

Angekündigt wurde sein Album schließlich auch mit dem abgewandelten Hitlerzitat: am 1. Mai wir zurückgeschossen – bemerkenswerter Weise nur wenige Tage vor der 60igsten Jährung des Kriegsendes.

Das Fler und Mia und wie sie alle heißen keine Nazis sind ist klar, das sie aber gerade unter der Vorgabe dies Nicht zu sein dem erwachenden Patriotismusgefühl in Deutschland durch Musik und Lifestyle Artikulationsmöglichkeit einräumen und damit Nahrung geben ist als höchst problematisch einzustufen.

Auf dem Cover seiner CD, mit Frakturschrift beschrieben, posiert Fler mit einem Adler auf dem Arm, sein Logo besteht aus einem entfremdeten Reichsadler und mit Texte wie : „schwarz rot gold hart und stolz –Rapper für das deutsche Volk„„inszeniert sich Fler als Blutsdeutscher der gerade weil er aus dem Ghetto kommt und dem Image des ordentlichen Deutschen nicht entspricht selbstbewusst und laut wie all die anderen Assis herausbrüllt sich als stolzer Deutscher zu fühlen.

Fler, das schwererziehbares Heimkind, und immer in der Gesellschaft als Assi behandelt will sich mit dem Baseballschläger den Weg zur deutschen Mehrheitsgesellschaft freischlagen und wird damit zum Star von der Generation an Jugendlichen und sogar MigrantInnen auf die niemand gewartet hat, die weder auf dem Arbeitsmarkt, noch zur gesellschaftlichen Entwicklung von Relevanz wären.

Damit kreuzen sich Insignien des Rechtsextremismus mit Statussymbolen des HipHop und verwandeln Hip Hop als eine ursprünglich Links-kritische Jugendbewegung zum Träger, im Zweifel, auch deutsch-nationaler Inhalte.

Wirklich schade das sich damit offensichtlich gerade verdammt viel Kohle machen lässt.